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Der Südsudan braucht umfassende Entwicklungshilfe und keine interessengeleitete westliche Politik

Rede von Heike Hänsel,

Nur der Aufbau stabiler ziviler Strukturen kann dauerhaften Frieden bringen. Möglichkeiten wirtschaftlicher Betätigung und Selbstversorgung müssen entstehen können. Gegen den Aufbau lokaler Produktion und Vermarktung stehen allerdings nicht nur interne Konflikte und Kriege, sondern allzu oft auch die Interessen der mächtigen Industriestaaten. Heike Hänsel hat ihre Rede zum Antrag der Fraktion der FDP „Den Südsudan beim Wiederaufbau unterstützen und vor AIDS bewahren“ (Drs. 16/586) zu Protokoll gegeben

Der vorliegende FDP-Antrag ist zwar gut gemeint, aber nicht ausreichend, denn der Antrag blendet wichtige Zusammenhänge aus. Die Bekämpfung von Aids im Südsudan muss in einen größeren Kontext gestellt werden. Erstens. Die ganze Region ist nach wie vor in hohem Maße militarisiert. Und nichts und niemand trägt stärker zur Ausbreitung der Aids-Pandemie bei, als umherwandernde Milizen und demobilisierte, nicht integrierte Exsoldaten. Auch ein Jahr nach dem Friedensschluss erreichen uns Nachrichten von bewaffneten Auseinandersetzungen zwischen konkurrierenden Banden und von dem Einsickern von Waffen und Bewaffneten aus dem Südsudan in benachbarte Krisenregionen. Dadurch kann der jahrzehntelange Konflikt jederzeit wieder im Südsudan aufflammen. Hier sind zivile Strategien zur Entwaffnung und zur Integration der demobilisierten Milizen in ein ziviles Leben dringend notwendig. Nur der Aufbau stabiler ziviler Strukturen kann dauerhaften Frieden bringen. Möglichkeiten wirtschaftlicher Betätigung und Selbstversorgung müssen entstehen können. Gegen den Aufbau lokaler Produktion und Vermarktung stehen allerdings nicht nur interne Konflikte und Kriege, sondern allzu oft auch die Interessen der mächtigen Industriestaaten: Dafür steht global die Verhandlungsführung der EU im Rahmen der WTO- und EPA-Verhandlungen. Am konkreten Fall drückt sich das aus im Wettlauf des Westens mit der VR China um afrikanische, auch sudanesische Märkte und Rohstoffe. Dieser Wettlauf trägt viel Potenzial für künftige Konflikte in sich. Zweitens. Wir unterstützen Ihren Vorschlag einer internationalen Vermittlungsstelle im Südsudan. Diese könnte Schritte in Richtung Demokratisierung und sozialer Entwicklung kontinuierlich evaluieren und die Einhaltung des Friedensabkommens überwachen. Einige Fragen stellen sich allerdings bezüglich der konkreten Ausgestaltung: Wir stellen uns natürlich nicht vor, dass dort Vertreter westlicher Regierungen sitzen sollten. Vielmehr sollte es ein Schlichtungsgremium sein, das sich aus zivilgesellschaftlichen Gruppierungen aller Teile des Sudan und aus benachbarten Ländern sowie aus international erfahrenen Mediatorinnen und Mediatoren zusammensetzt. Ein solches Gremium darf nicht das Einfallstor einer interessengeleiteten Politik des Westens sein. Es ist ja bekannt: Auch deutsche Wirtschaftsinteressen sind im Südsudan berührt. Der Vorvertrag zwischen einem deutschen Unternehmen und der damaligen Rebellentruppe und heutigen Regierungspartei SPLA zum Schienenbau im Südsudan ist ein Beispiel dafür. Das sollte die Bundesregierung möglichst nicht dazu verleiten, auf die staatliche Neuordnung im Sudan Einfluss zu nehmen. Drittens. Die Bundesregierung wird sich nach eigenem Bekunden am Multi Donor Trust beteiligen. Ich finde, 10 Millionen Euro für den Trust stehen in einem ungenügenden Verhältnis zu über 80 Millionen Euro, die allein im Einzelplan des Auswärtigen Amtes für 2006 für den finanziellen Beitrag zur Blauhelmmission UNMIS eingestellt werden sollen. Wir brauchen eine andere Prioritätensetzung! Deshalb fordere ich für die laufenden Haushaltsverhandlungen eine deutliche Erhöhung der Mittel für den zivilen Friedensdienst. Und was ganz speziell die Bekämpfung von Aids in Ländern des Südens betrifft, so begrüßen wir die Einrichtung des internationalen Fonds aus den Aufkommen neuer internationaler Steuern, wie es uns Frankreich gerade vormacht. Hier hinkt die Bundesregierung weit hinterher. Und die FDP tritt übrigens im Ausschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung als schärfste Gegnerin neuer internationaler Mechanismen zur Entwicklungsfinanzierung auf. Diese Haltung sollten Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen, auch vor dem Hintergrund Ihres berechtigten, in Ihrem Antrag beschriebenen Anliegens gründlich überdenken. Viertens, und auch das gehört zum Kampf gegen Aids: Solange bereits existierende Möglichkeiten, das Leid von Aids-Patienten zu lindern, nicht zum Einsatz gebracht werden können, weil Unternehmensinteressen davor stehen, kann der Kampf nicht mit voller Kraft geführt werden. Im Moment kämpfen die „Ärzte ohne Grenzen“ dafür, dass ein neues Kombinationspräparat, das ganz speziell für den Einsatz in den Tropen geeignet wäre und dort das Leid vieler Betroffener lindern könnte, in Afrika auf den Markt gebracht wird. Das vertreibende Unternehmen hat bislang kein geschäftliches Interesse daran. Und allein das zählt offensichtlich. Sie wissen, dass gerade im Bereich der medizinischen Versorgung und der Pandemiebekämpfung allerorten Marktversagen festzustellen ist. Ich denke, hier sind wir uns einig: Hier herrscht dringendster Regelungsbedarf ganz in Ihrem Sinne, liebe Kolleginnen und Kollegen von der FDP, zur wirksamen Bekämpfung und Eindämmung von Aids.