Die Privatwirtschaft, vertreten durch die Immobilienfonds, braucht einen regulierenden Staat. Die Autonomie der Unternehmer, der Erfindungsreichtum und die Freiheit des Marktes müssen beschränkt werden, um die Stabilität der Privatwirtschaft zu verbessern und die Existenz ganzer Geschäftszweige zu sichern. Spontan ist man da an eine Bemerkung von Joseph Schumpeter in „Kapitalismus, Sozialismus und Demokratie“ erinnert. Gemeint ist aber nicht die Sache mit der „schöpferischen Zerstörung“, woran die Fatalisten sehr gerne glauben, sondern seine etwas apodiktische Feststellung: Die Bourgeoisie braucht ihren Herrn.Herbert Schui in der Debatte: Offene Immobilienfonds-Marktstabilität sichern, Anlegervertrauen stärken.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Bekanntlich ist es für die Linke nicht das politische Ziel Nummer eins, das Geldvermögen der Anleger bei Immobilienfonds zu schützen. (Christine Scheel [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Für Kleinanleger! - Leo Dautzenberg [CDU/CSU]: Es sei denn, es geht um das PDS-Vermögen!) Das ist unglücklicherweise nicht mein Vermögen. Ich habe als Mitglied der WASG auf der Liste der Linkspartei kandidiert (Zuruf des Abg. Christian Freiherr von Stetten [CDU/CSU]) - ja, Herr Kollege Mittelbänkler -, sonst würde ich natürlich höhere Nebeneinkommen angeben. Wichtig ist die Sache natürlich insofern, als Kleinstanleger betroffen sein könnten. Wichtig ist sie vor allen Dingen deswegen, weil eine Krise des Finanzsektors, die bei den Immobilienfonds ihren Anfang nehmen könnte, sehr rasch Wirkungen auf den realen Sektor der Wirtschaft, auf Beschäftigung und Wachstum haben könnte. Auch wenn die Gefahr in Bezug auf den aktuellen Immobilienfonds einigermaßen gebannt zu sein scheint, machen wir uns nichts vor: Viele Immobilien in diesen Fonds haben effektiv einen wesentlich geringeren Wert, als das bei der Analyse der Bilanzen prima facie der Fall zu sein scheint. Die Maßnahmen, die der Antrag von Bündnis 90/Die Grünen vorschlägt, sind meiner Auffassung nach ein Weg in die richtige Richtung. Die Ultima Ratio im Antrag der Grünen allerdings soll, wenn ich das richtig dechiffriert habe, darin bestehen, die Liquidierung von Fondsanteilen seitens der Anleger durch administrative Maßnahmen zeitweise zu unterbinden. Wenn ein solcher Antrag in den Bundestag eingebracht wird, dann wird eines deutlich: Die Privatwirtschaft, im vorliegenden Fall vertreten durch die Immobilienfonds, braucht einen regulierenden Staat. Die Autonomie der Unternehmer, der Erfindungsreichtum und die Freiheit des Marktes müssen beschränkt werden, um die Stabilität der Privatwirtschaft zu verbessern und die Existenz ganzer Geschäftszweige zu sichern. Spontan ist man da an eine Bemerkung von Joseph Schumpeter in „Kapitalismus, Sozialismus und Demokratie“ erinnert. (Ute Kumpf [SPD]: Jetzt haben wir eine Vorlesung!) Gemeint ist aber nicht die Sache mit der „schöpferischen Zerstörung“, woran die Fatalisten sehr gerne glauben, sondern seine etwas apodiktische Feststellung: Die Bourgeoisie braucht ihren Herrn. (Beifall der Abg. Ulla Lötzer [DIE LINKE]) Bis zu Schumpeter hat es Kollege Spiller, der finanzpolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, noch nicht gebracht, auch nicht die letzte SPD-geführte Regierung. Kollege Spiller setzt auf Eigenverantwortung der Institute, so das „Handelsblatt“ im Januar. Ähnlich Kollege Meister von der CDU/CSU, der in der gleichen Zeitungsmeldung darauf baut, dass die Fondswirtschaft selbst aktiv wird. Ob die Regierung weiterhin den Überblick behält, ist offen; ich wünsche es. Immerhin haben sich die Staatssekretäre Frau Hendricks und Herr Mirow für einen Eingriff des Gesetzgebers ausgesprochen. Weniger emphatisch formuliert als bei Schumpeter: Der Staat muss Gegenpol zur Privatwirtschaft sein; sonst kann weder die Privatwirtschaft noch der Staat funktionieren. Das ist der entscheidende Punkt. Infolgedessen müssen wir, wenn wir ein solches Gesetz machen, überlegen, was zweckmäßig ist, und dürfen uns nicht durch Zurufe aus der entsprechenden Branche aus der Balance bringen lassen. Aber dazu gleich noch ein paar kleine Bemerkungen. Eine konkrete Frage zum Antrag der Grünen ist: Wenn die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht im beginnenden Katastrophenfall die Liquidierung von Fondsanteilen durch die Anleger aussetzen soll, dann benötigt sie umfassende Informationen, um einerseits nicht unnötig zu handeln und die sprichwörtlichen Pferde nicht scheu zu machen und um andererseits stets dann zur Stelle zu sein, wenn alle anderen Mittel nicht mehr greifen. Die notwendigen Informationen aber sind nur zu haben, wenn die Fonds, die Unternehmen des Finanzsektors, einige wesentliche Geheimnisse, sozusagen Bankgeheimnisse, preisgeben. Werden sie dazu bereit sein, auch wenn das im wohlverstandenen Brancheninteresse liegt? Sicherlich kann das Gesetz sie dazu zwingen. Eine flankierende Maßnahme wäre, den Fonds für Zeiten einer bevorstehenden tiefen Krise Diskontmöglichkeiten zu eröffnen, damit sie sich die erforderliche Liquidität bei anhaltendem Abfluss von Einlagen verschaffen können. Das aber dürfte politisch voraussetzen, dass die Europäische Zentralbank mitspielt. Die aber ist unpraktisch veranlagt, wie das auch die Bundesbank beim Börsenkrach im September 1987 war. Sie erinnern sich: Greenspan, der damals ins Amt gekommen war, ließ durch seine Leute die Bundesbank als „Inflationsneurotiker“ beschimpfen, weil die Bundesbank im Rahmen eines konditionierten Reflexes beim Verfall der Börsenkurse den Zins erhöht hat. Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt: Herr Kollege, Ihre Redezeit ist abgelaufen. Dr. Herbert Schui (DIE LINKE): Danke, für den Hinweis. (Christian Freiherr von Stetten [CDU/CSU]: Aber nur heute!) - Danke. Weiter flankierende Maßnahmen - - Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt: Herr Kollege, das bedeutet, dass Sie zum Schluss kommen müssen. Dr. Herbert Schui (DIE LINKE): Gerne. Auch ich will nach Hause, Frau Präsidentin. (Heiterkeit bei der CDU/CSU, der SPD und der FDP)
Der Staat muss Gegenpol zur Privatwirtschaft sein!
Rede
von
Herbert Schui,