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Der Panzer im Kopf

Rede von Jan van Aken,

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren,

ich finde, die deutsche Außenpolitik gibt ein richtig trauriges Bild ab. Was fehlt, auch mit der neuen Regierung, auch mit Herrn Steinmeier, ist endlich mal eine wirkliche Friedenspolitik; was fehlt ist eine Sicherheitspolitik, die Sicherheit nicht immer nur militärisch denkt; eine Außenpolitik, die nicht mit der Waffe in der Hand und dem Panzer im Kopf gedacht wird.

Sie müssen dafür nur einmal kurz in den aktuellen Haushalt schauen. Für die zivile Konfliktbearbeitung haben Sie genau so wenig Geld übrig wie in der Vergangenheit. Und die Mittel für die  Humanitäre Hilfe wollen sie sogar um 38% kürzen. Das ist doch mal eine klare Prioritätensetzung – aber eine falsche!

Schauen wir nach Afghanistan. 13 Jahre NATO-Krieg haben dem Land eben keinen Frieden gebracht, keinen sozialen Fortschritt, keine Rechtsstaatlichkeit. Sie wissen genau so gut wie ich, dass Ihr Krieg in Afghanistan komplett gescheitert ist. Deshalb haben Sie ja auch jahrelang den Abzug aus Afghanistan versprochen. Spätestens Ende diesen Jahres sollte die Bundeswehr abgezogen sein. Das wäre eh viel zu spät, aber selbst dieses Versprechen halten Sie nicht ein.

Es sollen nämlich immer noch 850 Soldatinnen und Soldaten in Afghanistan bleiben sollen. Dann sagen Sie: nur zu Ausbildungszwecken. Wen wollen Sie damit eigentlich hinters Licht führen? Denn Sie verschweigen dabei, dass die Bundeswehr dort Seite an Seite mit der US-Armee sein wird, und die hat einen klaren Kampfauftrag.

Und reden Sie vor allem nicht mehr von einem zivilen Aufbau in Afghanistan, denn der findet mit der Bundeswehr nicht statt. Wenn Sie weiter zivile Hilfe und Militär miteinander koppeln, wird eine neutrale, humanitäre Wiederaufbauhilfe so gut wie unmöglich bleiben. Das sagen Ihnen alle Entwicklungshelfer und Aufbauorganisationen.

Hören Sie zum Beispiel auf den früheren Bundeswehr-Arzt, Reinhard Erös. Er baut seit über zehn  Jahren Schulen in Afghanistan, für Mädchen wie für Jungen. Er sagt immer wieder und wieder, wörtlich: „Verbindet Schulen nicht mit westlichen Soldaten!“. Die Voraussetzung dafür, dass seine Schulen gebaut und betrieben werden konnten, ist, dass das Militär sich raushält. Und so funktioniert das, mitten im Talibangebiet. So und nur so.

Wenn Sie Wiederaufbau wollen, wenn Sie humanitäre Hilfe wollen, dann geht das nicht mit der Waffe in der Hand und mit dem Panzer im Kopf.

Zweites Beispiel, Syrien und Irak: Auch da zeigen Sie, dass sie keine Idee davon haben, wie Konflikten anders als mit Gewalt begegnet werden kann. Vier Jahre lang dauert jetzt der Bürgerkrieg in Syrien, die Bundesregierung hat in der ganzen Zeit wenig für eine friedliche Lösung getan. Aber sie haben Patriot-Raketen in der Türkei stationiert. Wir alle hier wissen, dass es dafür überhaupt keine militärische Notwendigkeit gab, das war und ist ganz allein ein politisches Signal, eine politische Unterstützung für die türkische Regierung. Und das war und ist ein richtig großer Fehler, denn die türkische Regierung ist momentan Teil des Problems in der Region, und sicher nicht Teil der Lösung.

Sie unterstützen damit eine türkische Regierung, die radikale Dschihadisten in Syrien unterstützt hat, die bis heute eher gegen die Kurdinnen und Kurden kämpft als gegen den so genannten Islamischen Staat. Die die kurdischen Gebiete in Nordsyrien mit einem knallharten Embargo belegt, da sind die Grenzen komplett dicht.

Und Sie machen das mit, Sie verweigern sogar medizinische Hilfe für die Menschen in Nordsyrien. Ich bin fassunglos, dass Sie den einen Kurden, im Nordirak, Waffen liefern, aber den anderen Kurden, in Nordsyrien, sogar die Medikamente verweigern – nur um Ihrem Partner Türkei zu gefallen. Das ist das Gegenteil von einer menschlichen Außenpolitik.

 

Wie brutal Sie sein können, das zeigt mein drittes Beispiel, das zeigt Ihr Umgang mit Flüchtlingen, die vor Krieg, Gewalt und Armut fliehen. Es gab ein italienisches Programm zur Seenotrettung von Flüchtlingen im Mittelmeer, Mare Nostrum hieß das Programm. Das hat in einem einzigen Jahr 130.000 Menschen vor dem Ertrinken gerettet. Das musste jetzt wegen Geldmangel eingestellt werden – weil kein einziges EU-Land bereit war, sich daran zu beteiligen. Es gab auch aus Deutschland keinen Cent, um Menschenleben im Mittelmeer zu retten. Auch Sie, Herr Steinmeier, sind Mitschuld, wenn das Mittelmeer zu einem großen Friedhof wird.

 

 

Und was mich daran so maßlos aufregt: Für die Rettung von Flüchtlingen haben Sie kein Geld übrig, aber für die Bundeswehr-Werbung. Ich weiß, das ist ein anderer Etat, aber es sagt etwas über Prioritäten dieser Bundesregierung.

Gleich hier um die Ecke, in bester Lage am Bahnhof Friedrichstrasse, hat die Bundesregierung zu horrenden Kosten ein Rekrutierungsbüro für die Bundeswehr aufgemacht – Showroom nennen Sie das, um junge Menschen für die Armee gewinnen. Der Werbeetat der Bundeswehr beträgt insgesamt 35,5 Millionen Euro. Damit könnten Sie locker den deutschen Beitrag für Mare Nostrum bezahlen, aber Sie geben es lieber aus, um junge Menschen für den Krieg zu begeistern. Das kommt dabei raus, wenn man immer nur den Panzer im Kopf hat.

Im Übrigen bin ich der Meinung, dass Deutschland keine Waffen mehr exportieren sollte. Ihr Wirtschaftsminister, Vizekanzler und SPD-Vorsitzender Gabriel hatte vor einem Jahr noch ganz laut getönt und versprach weniger Waffenexporte. Jetzt ist er komplett vor der Rüstungsindustrie und vor der Kanzlerin eingeknickt, es gibt nicht einmal mehr ein Reförmchen der Rüstungsexportpolitik. Das hat gestern Abend auch noch mal der Vorsitzende des Verteidigungsausschusses, Hans-Peter Bartels, auch SPD, vor der versammelten deutschen Rüstungsindustrie verkündet. Wörtlich: Die Regeln für Rüstungsexporte werden nicht verändert. Sie haben wirklich ein Problem, mit dem Panzer im Kopf.