Zum Hauptinhalt springen

Der Käfig muss sich der Henne anpassen - nicht die Henne dem Käfig!

Rede von Kirsten Tackmann,

Plenumsrede zu Protokoll: Entwurf eines zweiten Gesetzes zur Änderung des Tierschutzgesetzes (Drs. 16/7413)

20. März 2009,Top 35

Sehr geehrte Damen und Herren, sehr geehrter Herr Präsident,

DIE LINKE hält ein obligatorisches Prüf- und Zulassungsverfahren für Ställe, Anlagen und Einrichtungen, in denen Tiere gehalten werden, für überfällig.

Vermutlich denken viele, dass das längst so geregelt ist. Und es gibt nun wirklich sinnlosere Regelungen als zur Sicherung des Tierschutzes, der ja Verfassungsrang hat. Auch in den Ställen und Anlagen.

Die entsprechende Forderung des Bundesrates ist nur folgerichtig. Und es sollte eigentlich auch klar sein, dass dieser so genannte „Tierschutz - TÜV“ für alle Nutztier-Haltungen gelten muss.

Ziel muss es sein in der Nutztierhaltung:

• die Haltungsbedingungen zu verbessern

• die Rechtssicherheit herzustellen - einschließlich fairer Wettbewerbsbedingungen

• und verlässliche Rahmenbedingungen zu schaffen

Unsere Grundposition ist klar und eindeutig: Haltungsanlagen müssen sich an die Tiere anpassen und nicht umgedreht.

Bei Legehennen und Mastschweinen sind die Fortschritte diesbezüglich übersichtlich, aber immerhin. Bei Zuchtsauen, Puten, Mastkaninchen und Masthühnern gibt es anerkannten Handlungsbedarf.

Der Tierschutz-TÜV ist auch deshalb sinnvoll, weil die bisher geltenden tierschutzrechtlichen Vorgaben lediglich die Festlegung von Mindestmaßen regeln.

Dagegen spielen Anforderungen an die Funktionalität der Ställe und Stallanlagen zur Anpassung an tierartspezifisches Verhalten oder zur Sicherung der Tiergesundheit bisher praktisch keine Rolle.

Freiwillige Prüfverfahren können die von einer gesellschaftlichen Mehrheit gewollten Verbesserungen im Tierschutz bei landwirtschaftlichen Nutztieren kaum Rechnung tragen. Erst Recht nicht, weil der ökonomische Druck auf die Betriebe schon jetzt oft erheblich ist.

Mehrkosten für die reinen Verfahren sind vermutlich eher übersichtlich und sollten sowieso von den Anlagenanbietern getragen werden. Aber die nötige technische Weiterentwicklung könnte die die Anlagen schon verteuern.

Das heißt aber gleichzeitig, dass den Betrieben auch bei der Umsetzung der gesellschaftlichen Forderung nach mehr Tierschutz Unterstützung gegeben werden muss, wo nötig. Nicht kostendeckende Erzeugerpreise schränken eben auch die Spielräume für den einen oder anderen Betriebe für sehr sinnvolle Investitionen ein. Niedrige Lebensmittelpreise haben damit auch was zu tun - aber hier schränkt die zunehmende Armutsentwicklung in unserem Land auch die Spielräume vieler Verbraucherinnen und Verbraucher ein. Alles hängt eben oft mit allem zusammen.

DIE LINKE unterstützt jedenfalls die Einführung von obligatorischen Prüf- und Zulassungsverfahren.

Trotzdem werden wir uns beim vorliegenden Gesetzesentwurf enthalten.

Aus sechs wesentlichen Gründen:

1. Der Gesetzentwurf erklärt nicht explizit, für welche Nutztierarten ein Prüf- und Zulassungsverfahren für serienmäßig hergestellte Haltungseinrichtungen durchgeführt werden soll. Doch warum sollen serienmäßig hergestellte Stallanlagen für Legehennen zukünftig geprüft und zugelassen werden, die für Puten oder Rinder aber nicht?

2. Der Gesetzentwurf berücksichtigt nur die Haltungssysteme für Nutztiere. Aber auch im Heimtierbereich und in Schlachthöfen gibt es Regelungsbedarf.

3. Es fehlt ein obligatorisches Prüf- und Zulassungsverfahren für serienmäßig hergestellte Betäubungsgeräte und -anlagen zur Verwendung beim Schlachten. Hier ist lediglich von einer allgemeinen oder Bauartzulassung die Rede. Das reicht aber nicht.

4. Es fehlt ein obligatorisches Prüf- und Zulassungsverfahren für serienmäßige Transportbehältnisse für Nutztiere. Immerhin werden jährlich 360 Millionen Nutztieren transportiert.

5. Es fehlt die Regelung der Zuständigkeit für die Durchführung des Prüfverfahrens. Das sollte aus unserer Sicht bundeseinheitlich durch eine Bundesoberbehörde, bundesunmittelbare Körperschaft oder Anstalt des öffentlichen Rechts durchgeführt werden. Und es fehlen beratende Kommissionen für die Prüf- und Zulassungsstelle.

6. Es fehlt die Trennung von Prüf- und Zulassungsverfahren. Mit dieser Trennung könnten Interessenkonflikte beispielsweise zwischen Produzenten, Tierhaltern und Tierschützern gelöst werden.

Aber entscheidend für die Wirksamkeit des Gesetzes werden ohnehin die noch nicht vorliegenden Zulassungskriterien sein!

Wir können also noch viele spannende Diskussionen erwarten bis wir wissen, ob uns die heute zur Abstimmung stehende Gesetzesinitiative wirklich voranbringt.

Aber es ist zumindest ein Schritt in die richtige Richtung!

Immerhin!

Darüber ist man beim jetzigen Zustand der Koalition und der Regierung ja schon fast froh!