Sehr geehrter Herr Präsident,
sehr verehrte Kolleginnen und Kollegen,
unter Hochfrequenzhandel, über den wir heute reden, versteht man den automatisierten An- und Verkauf von Aktien und anderen Wertpapieren durch Computerprogramme.
Nicht etwa die sozialistische Tageszeitung „Neues Deutschland“, sondern das kapitalistische „Handelsblatt“ hat am 16.1.2013 alles Erforderliche in einem Satz zusammengefasst. Ich zitiere: „Das Gesetz ist gut gemeint - nur ändern wird sich dadurch kaum etwas“.
In allen Lebensbereichen nutzen wir zunehmend die digitale Technik, um Arbeitsprozesse zu automatisieren. Auch im Börsenbereich ist diese Entwicklung nicht aufzuhalten. Nachdem die Bestellungen und Angebote per PC etabliert waren, folgte schließlich der Hochfrequenzhandel.
Viele Menschen fragen sich zu Recht: Brauchen wir, braucht die Volkswirtschaft, braucht die Gesellschaft den Hochfrequenzhandel? Sollten wir ihn nicht gar verbieten? So wie es etwa der ehemalige Börsenhändler Dirk Müller, bekannt als „Mister Dax“, als Sachverständiger bei der Anhörung zum Gesetz gefordert hat. Stiftet der Hochfrequenzhandel mehr volkswirtschaftlichen Nutzen oder mehr Schaden?
Wir meinen, dass der Schaden überwiegt, daher braucht man eine Regulierung und muss zumindest dafür sorgen, dass der Hochfrequenzhandel ausgebremst und zurückgedrängt wird. Das leistet das vorliegende Gesetz nicht.
Hochfrequenzhändler sind Börsenhändler, die in Millisekunden Wertpapiere kaufen oder verkaufen oder - viel wichtiger - zum Kauf oder Verkauf anbieten, also in einer so kurzen Zeit, dass nicht nur Menschen, sondern auch die allermeisten Computer nicht mehr mitkommen. Und auch nicht mitkommen sollen, damit sie die Gewinne der Hochfrequenzhändler nicht gefährden.
Ich frage Sie: Wo liegt der Nutzen für die Gesellschaft?
Schädlich ist der Hochfrequenzhandel zunächst wegen der Gefahren, die sich aus Verselbständigung der Transaktionen von menschlichen Entscheidungen durch die eingesetzte Software ergeben.
Jede und jeder der mit einem PC umgeht, weiß aus Erfahrung, dass sich auch die leistungsfähigsten Rechner nicht immer entsprechend der Erwartung verhalten. Fehler zu machen nicht nur menschlich, Fehler machen ist auch „computerisch“.
Schädlich ist der Hochfrequenzhandel auch deswegen, weil der Börsenhandel durch ihn seinen Charakter ändert und eine Abkoppelung von der Realwirtschaft stattfindet. Egal was man vom Börsenhandel an sich halten mag. Aber irgendwie ging es darum die Unternehmen, die eine Geschäftsidee hatten mit Menschen zusammen zu bringen, die nach Abwägung ihrer Chancen Geld in diese investieren wollten.
Die Software der Hochleistungsrechner entscheidet nicht aufgrund einer Bewertung eines Unternehmens oder seiner Entwicklung, sondern reagiert auf Signale, z.B. Kursdifferenzen, die sie zum Wohle der Turbohändler in Gewinne zu verwandeln sucht.
Was allein zählt ist die Geschwindigkeit und sind die Millionen, die es da zu verdienen gibt.
Ich frage Sie: Wo liegt der Nutzen für die Wirtschaft?
Das Ausnutzen minimaler Preisunterschiede an unterschiedlichen Handelsplätzen funktioniert nur mit superschnellen Computern, die möglichst nahe an dem Computer der Börse stehen, um durch kurze Leitungen möglichst wenig Zeit zu verlieren. Diese hohen Kosten können sich nur wenige Börsenhändler leisten, eigentlich nur die wenigen Turbohändler.
Ich frage Sie: Wo bleiben die gleichen Chancen für alle Marktteilnehmer?
Die LINKE ist sich mit dem europäischen Parlament darüber einig, eine Mindesthaltedauer einzuführen.
Damit meine ich, dass ein Hochfrequenzhändler für eine bestimmte Zeit an sein Angebot gebunden sein soll.
Es darf nicht sein, dass von Börsenhändlern Angebote unterbreitet werden, die die Kurse beeinflussen und Marktreaktionen auslösen, aber diese Angebote aber sofort wieder storniert werden, noch bevor ein Kunde überhaupt eine realistische Möglichkeit hat, das Angebot anzunehmen.
Das EU-Parlament hat sich, auch mit Stimmen der deutschen CDU-Abgeordneten, für eine halbe Sekunde Mindesthaltefrist ausgesprochen.
Demgegenüber hat sich die Bundesregierung und Schwarz/Gelb im Bundestag bei der Ablehnung einer Mindesthaltedauer auf die Seite der Kommissare in Brüssel gestellt.
Für uns bleibt neben der Finanztransaktionssteuer die Mindesthaltedauer der entscheidende Punkt, um „den Wertpapierhandel zu entschleunigen“. Dieses Ziel forderte Bundesfinanzminister Schäuble noch bei der Verabschiedung des Gesetzes in Kabinett.
Was ist passiert, dass es heute nicht mehr gilt?
Richtig, da gab es die „Kritik der Märkte“, von der Kollege Bringhaus in seiner letzten Rede sprach. Die sind immer gegen alles, was ihren Profit schmälert, also knickt die Koalition ein. Wie erbärmlich!
Für uns ist gilt weiterhin: Wir wollen entschleunigen! Und deshalb lehnen wir Ihren Gesetzentwurf ab.
Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.