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Den grauen Kapitalmarkt zu einem „weißen“ machen

Rede von Harald Koch,

TOP 18 - Gesetz zur Novellierung des Finanzanlagenvermittler- und Vermögensanlagenrechts,  - Rede zu Protokoll -

Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen!

Ich möchte diesen Gesetzentwurf und seine Entstehung mit einem Hundert-Meter-Lauf vergleichen. Die Bundesregierung wusste seit Jahren, dass etwas getan werden muss, um den Auswüchsen des grauen Kapitalmarktes Einhalt zu gebieten. Nun sprintet man los, etwas holprig, aber immerhin in die richtige Richtung. Nach 50 Metern beginnen Sie jedoch schon die Arme hochzureißen und zu jubeln, obwohl das eigentliche Ziel noch nicht erreicht ist.

Der graue Kapitalmarkt ist der Teil des Kapitalmarktes, der nicht vollständig unter das Kreditwesen-, Investment- und Versicherungsaufsichtsgesetz fällt und somit fast gar nicht durch Rechtsvorschriften und Behörden kontrolliert wird. Zu ihm gehören in erster Linie geschlossene Fonds (Immobilien, Schiffe, Photovoltaik etc.), Bauherrenmodelle, bestimmte Genussrechte, Geschäfte mit Bankgarantien sowie manche Steuersparmodelle.

Das gravierende Regulierungs- und Aufsichtsgefälle zum regulierten, „weißen“ Kapitalmarkt ist das zentrale Problem.

Ich möchte geschlossene Fonds herausgreifen: Sie sind in der Regel unternehmerische Beteiligungen ohne Stimmrecht und zugleich schwer handel- bzw. verkaufbar. Dem Anleger muss bewusst sein, dass er das volle Unternehmerrisiko bis hin zum Totalverlust trägt und dass unter Umständen Nachschusspflichten bestehen. Große Anteile der Beteiligungssummen – zum Beispiel Vertriebsprovisionen und Marketingkosten – wandern schon vorab in die Taschen der Fonds-Emittenten und -Vermittler.

Nach wie vor gibt es eine erschreckend hohe Zahl an unseriösen Emittenten, deren graue Finanzprodukte von wiederum unseriösen, wenig qualifizierten und provisionsgetriebenen Produktvermittlern vertrieben werden. Diese locken Anleger mit dem Versprechen hoher Rendite und mit geschicktem Marketing in ihre Produkte, welche die zuvor gemachten Versprechen in der Regel nicht einlösen. Eine anlegergerechte Beratung oder Vermittlung findet nicht statt. Da Risiko und Kosten dieser Finanzprodukte insgesamt beträchtlich sind, beschert der ungeregelte, graue Kapitalmarkt Anlegern jährlich finanzielle Verluste in Milliardenhöhe. Dies darf so nicht weitergehen!

DIE LINKE ist deshalb der Meinung, dass Sie mit diesem Gesetzentwurf zumindest einen wichtigen und längst überfälligen Schritt gehen, um weiterem verbraucherschädlichen Verhalten Einhalt zu gebieten.

Es war an der Zeit, den Finanzinstrumentebegriff auszuweiten. Damit werden nun einige Produkte des grauen Kapitalmarktes als Vermögensanlage definiert, die in der Folge dem Anwendungsbereich dieses Gesetzes unterliegen und so der Finanzaufsicht unterstellt werden. Natürlich muss man an dieser Stelle diskutieren, ob nicht noch andere Anlageformen wie Bankgarantien oder Schrottimmobilien mit in den Katalog aufgenommen werden müssen.

Gut ist zudem, dass den Kreditinstituten mit dem Gesetzentwurf einige Pflichten erwachsen, die im regulierten Bereich zu den Standards gehören: Es muss anlegergerecht beraten werden, Provisionen sind offenzulegen, und Beratungsprotokolle müssen angefertigt werden.
Gerade bei der Provisionsoffenlegung sind jedoch noch weitergehende Regelungen notwendig. Weichkosten und Margen sind beispielsweise ohne Ausnahmen offenzulegen. Alles in allem will DIE LINKE aber provisionsgetriebene Beratung überwinden. Nur ohne Provisionsdruck kann Beratung von Finanzprodukten unabhängig und das verkaufte Produkt folglich passgenau dem tatsächlichen Anlegerinteresse entsprechen!

Eine bedeutende Ausnahmeregelung im Gesetzentwurf bereitet darüber hinaus Bauchschmerzen: Sehr kleine Fonds bis 100 000 Euro und einer Stückelung in nicht mehr als 20 Anteile und demgegenüber sehr große Anteile von mindestens 200 000 Euro bleiben von den Vorschriften des Gesetzes unberührt. Damit wird unterstellt, dass sehr große Anteile nur von professionellen Anlegern gehalten werden - die aufgrund der unterstellten „Professionalität“ als weniger schutzbedürftig gelten - und dass kleineren Investitionsvorhaben keine bürokratischen Erschwernisse auferlegt werden sollen.
Dagegen ist theoretisch wenig einzuwenden, allerdings wird vergessen, dass bei geschlossenen Fonds für den Anleger auch Nachschusspflichten bestehen können. In diesem Falle wäre der Verlust pro Anteil nicht unbedingt nur auf 5000 Euro begrenzt, sondern bedeutend höher. Dies kann den Anleger immer weiter in Geldnot und in eine Verschuldungsspirale treiben. Das dürfen Sie nicht zulassen!

Man sollte an dieser Stelle die Produkt- bzw. Emittentenebene, auf der ja u.a. Nachschuss-pflichten angesiedelt sind, stärker ins Auge fassen und auch dort mit anlegergerechten Regelungen aufwarten: Seit einigen Jahren gibt es vermehrt so genannte Ansparfonds für unternehmerische Beteiligungen, mit geringen Anzahlungen und kleinen Monatsraten, damit auch Kleinanleger ihren Anteil am Fonds über Jahre zusammensparen können und eine hohe Mindesteinlage nicht sofort schultern müssen. Oft werden von den Fonds die Zielobjekte auf Kredit erworben.
Bei einer Schieflage stehen die Anleger indes im Risiko, weil das gesamte zugesagte Ansparkapital haftet und die Restzeichnungssumme auf einen Schlag einzuzahlen ist. Ansparfonds können somit wie Nachschusspflichten ein Weg in die Privatinsolvenz sein.

Auch so genannte Blindpool-Konstruktionen stellen ein Risiko für Kleinanleger, aber nicht nur für diese, dar: Ein Blindpool ist ein Sammelbecken für Beteiligungskapital, bei dem den Anlegern zu Beginn noch unbekannt ist, in welche Art von Geldanlage mit welchem Gesamtumfang investiert wird bzw. welche Beteiligungen erworben werden. Der Anleger ist der Geschäftsführung des Unternehmens weitgehend schutzlos ausgeliefert, denn er investiert „blind“.
Das Einsammeln von investitionswilligem Kapital durch den Emittenten darf aus Transpa-renzgründen meiner Ansicht nach nur dann in Frage kommen, wenn klar und eindeutig im Voraus beschrieben und nachgewiesen wird, in welche Objekte in welchem Umfang und mit welchem Ziel investiert wird.

Dreierlei Dinge müssen infolgedessen angepackt werden: Nachschusspflichten sind von vornherein zu deckeln, wenn es sie denn weiterhin geben soll. Produkte mit Nachschuss-pflichten dürfen ebenso wenig wie Ansparfonds aus dem Graumarkt-Segment aktiv an Anleger vertrieben werden; über deren Risiken ist an „prominenter“ Stelle in Prospekten und Gesprächen umfassend aufzuklären. Und über ein Verbot von Blindpool-Konstruktionen muss nachgedacht werden.

Kommen wir nun noch zu den Finanzanlagenvermittlern:
Künftig soll die Gewerbeerlaubnis für Vermittler an einen Sachkundenachweis und eine Berufshaftpflichtversicherung, ersatzweise eine entsprechende Kapitalausstattung, gebunden sein. DIE LINKE begrüßt es, dass die schwarzen Schafe vom Markt verschwinden. Dennoch sollte man überlegen, ob es sinnvoll ist, dass ein einzelner, langjährig tätiger, seriöser Finanzvermittler nun einen Qualifikationsnachweis erbringen muss, der mit Folgekosten verbunden ist.
Wenn Sie dies schon auf diese Weise regeln wollen, müssen Sie auch konsequent bleiben: Banken als Ganzes fallen unter das Kreditwesengesetz. Doch dieses Gesetz bietet nicht unbedingt ausreichende Gewähr dafür, dass die Bankberater hinreichenden Sachverstand für eine anlegergerechte Beratung zu geschlossenen Fonds und Genussrechten besitzen. Diese Finanzprodukte dürfen sie aber am Schalter verkaufen. Es ist nicht plausibel, warum der Bankberater gegenüber dem einzelnen Vermittler eine Bevorzugung dadurch erfahren soll, dass er keinen gesonderten Qualifikationsnachweis erbringen muss.

Der LINKEn ist wie auch den Verbraucherzentralen generell wichtig, Vermittler von Vermögensanlagen nicht wie im Gesetzentwurf vorgesehen der Gewerbeaufsicht, sondern der Finanzaufsicht, der BaFin zu unterstellen. Die Vermittleraufsicht darf nicht zersplittert bleiben! Dafür setzen wir uns ein!

Wenn sich freie Vermittler durch die regionale Organisation der Gewerbeaufsicht dort anmelden können, wo weniger strenge Aufsicht vorherrscht, ist ein Aufsichtsgefälle zu befürchten. Durch ihre permanente Aufsicht, die ein inhaltliches Prüfungsrecht (auch für Verkaufsprospekte und Informationsblätter) umfassen muss, kann die BaFin präventiv wirken. Für Anleger wird durch eine bundesweite Aufsicht zumindest ein bisschen eher das von der Bundesregierung angestrebte „einheitliche Schutzniveau in Regulierung und Beaufsichtigung unabhängig von Vertriebsweg und Produkt“ erreicht.

Selbst wenn der vorliegende Gesetzentwurf wie eingangs ausgeführt ein Fortschritt ist, muss man trotzdem festhalten, dass das ursprüngliche Ziel, den grauen Kapitalmarkt umfassend zu regulieren oder gar verschwinden zu lassen, nicht erreicht wird. Sie beschränken sich zu sehr auf die Vertriebsebene und lassen somit die Produktebene sowie die Emittenten von Graumarktprodukten außer acht. Damit befördern Sie einen „grauen Kapitalmarkt light“.

DIE LINKE will hingegen den grauen Kapitalmarkt derart umfänglich regulieren und am Anlegerschutz ausrichten, dass er zu einem „weißen“ Kapitalmarkt wird! Es dürfen nicht mehr ein halbwegs geregelter und ein so gut wie ungeregelter Kapitalmarkt nebeneinander existieren! Das Aufsichts- und Regulierungsgefälle muss weg, und damit muss der graue Kapitalmarkt in seiner Gesamtheit weg!

Jeder Teil des Kapitalmarktes sollte demnach unter das entsprechende Dach des Kreditwesen-, Investment- oder Versicherungsaufsichtsgesetzes gebracht werden. Nicht nur der Vertrieb von Produkten des grauen Kapitalmarktes ist strengeren Vorschriften zu unterwerfen. Intransparente, unseriöse und hochriskante Produkte dürfen erst gar nicht auf den Markt kommen. Zwielichtige, unseriöse Anbieter bzw. Emittenten solcher Produkte dürfen erst gar nicht am Marktgeschehen teilnehmen, hier müssen Barrieren aufgebaut werden. Deswegen fordern wir, als Zulassungs- und Kontrollstelle für Finanzinstrumente und zur Etablierung von Mindeststandards für Vermögensanlagen einen Finanzmarkt-TÜV einzurichten.

Und man sollte noch eine weitere Seriositätsschwelle einziehen: Emittenten von beispielsweise geschlossenen Fonds müssen eine hohe Mindest- oder Anfangskapitalausstattung in Abhängigkeit von dem insgesamt benötigten Kapital für die Anlage aufweisen, und Gesellschaftsvertrag sowie Businessplan sind frühzeitig und vollständig vorlegen. Dies wären sinnvolle Regelungen!

Meine Damen und Herren der schwarz-gelben Koalition,
klopfen Sie sich jetzt noch nicht auf die Schulter, bringen Sie nach der Anhörung Ihre Aufgabe zu Ende und stoppen Sie Ihren Lauf nicht auf halber Strecke.

DIE LINKE hilft Ihnen dabei, dass Ziel nicht aus den Augen zu verlieren: Ebnen Sie das Regulierungs- und Aufsichtsgefälle zwischen leidlich reguliertem und grauem Kapitalmarkt auf hohem Niveau vollständig ein und sorgen Sie somit dafür, dass der graue Kapitalmarkt endlich „weiß“ wird.

Vielen Dank!