Sehr geehrter Herr Präsident! Meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Kollege Wolff, was Sie gerade gesagt haben, war ja ganz interessant. Aber liberal, freiheitlich und bürgerlich fand ich das nicht.
(Hartfrid Wolff (Rems-Murr) (FDP): Wenn Sie das definieren, wundert mich das nicht!
Ihre Bundesminister Niebel und Leutheusser-Schnarrenberger scheinen das auch anders zu sehen, wie ich den Verlautbarungen der letzten Tage entnehme. Was wir über Frau Leutheusser-Schnarrenberger gehört haben, kann ich nur schwer glauben; denn der Kollege Ernst saß mit ihr im gleichen Flieger. Der Flieger ist um halb elf gelandet, und der Kollege sitzt hier. An der Verspätung des Flugzeugs kann es also nicht gelegen haben, dass Frau Leutheusser-Schnarrenberger nicht hier ist.
(Heiterkeit und Beifall bei der LINKEN)
Auch Herr Wolff hat zum Schluss wieder einmal eine totale Gleichsetzung von vermeintlichen Linksextremisten und Rechtsextremisten vorgenommen. Meine Damen und Herren, ist Ihnen nicht aufgefallen, dass in den letzten Jahren eine Neonazibande mordend durch Deutschland gezogen ist und zehn Leute auf dem Gewissen hat?
(Beifall bei der LINKEN)
Das ist doch wohl ein Unterschied. Das gleichzusetzen, ist absolut undemokratisch und nicht gerechtfertigt.
(Beifall bei der LINKEN)
Überlegen Sie bitte einmal, was Sie Leuten unterstellen, die sich in einer Partei engagieren, die sich demokratisch engagieren, die für diesen Rechtsstaat kämpfen! Nur weil Sie der Meinung sind, dass sie die falschen Ziele vertreten, stellen Sie sie unter Generalverdacht. Das ist doch absurd.
(Beifall bei der LINKEN)
Wissen Sie, Herr Bundesminister Friedrich, Sie haben hier viele komische Sachen gesagt. Auf ein paar will ich eingehen.
Es gibt nur ein einziges Urteil, nämlich das des Bundesverwaltungsgerichts, in dem die Beobachtung nicht untersagt wird. In den anderen beiden Urteilen wird sie nicht untersagt. Das sollten Sie noch einmal nachschauen.
(Beifall der Abg. Dr. Gesine Lötzsch (DIE LINKE))
Sie haben sich auf die Diktatur des Proletariats bezogen. Ich darf Ihnen kurz etwas erzählen: Im 19. Jahrhundert, als Marx das Kommunistische Manifest und gemeinsam mit Engels Das Kapital schrieb, war es so, dass eine Minderheit die Mehrheit regierte. Die Minderheit war nach Marx die Bourgeoisie, die Mehrheit war das Proletariat. Ziel der Diktatur des Proletariats ist, dass endlich eine Mehrheit die Minderheit regiert, nicht die Minderheit die Mehrheit.
(Beifall bei der LINKEN – Karl-Georg Wellmann (CDU/CSU): So ein Quatsch!)
Wenn Sie das undemokratisch finden, dann ist die Frage, wer hier die Verfassungsfeinde sind.
(Beifall bei der LINKEN – Patrick Kurth (Kyffhäuser) (FDP): Das darf ja wohl nicht wahr sein! So etwas hier in diesem Hause zu sagen!)
Ich darf Ihnen sagen: Ihre Aufregung über die PKK finde ich hochgradig spannend. Es war der Westberliner CDU-Mann Lummer, der zu Öcalan gefahren ist, das waren nicht wir. Ihr CDU-Mann Lummer ist zu Öcalan gefahren.
(Beifall bei der LINKEN)
Sie haben die FARC angesprochen. Es waren Mitglieder der Partei Die Linke, die in Kolumbien vermittelt und Geiseln aus der Hand der FARC befreit haben. Wenn das nicht im Interesse der Bundesrepublik Deutschland ist, dann weiß ich auch nicht weiter. Überlegen Sie sich einfach genau, was Sie hier erzählen. Vieles davon war nur sehr begrenzt sinnvoll.
(Beifall bei der LINKEN)
Ich will Sie noch auf etwas anderes hinweisen. Sie haben bisher immer gesagt, es würden nur Parteifunktionäre beobachtet oder überwacht. Schauen wir uns die Liste der 27 einmal an: Gregor Gysi kein Parteifunktionär; Dietmar Bartsch kein Parteifunktionär; Jan Korte kein Parteifunktionär; Kersten Steinke keine Parteifunktionärin; Roland Claus kein Parteifunktionär;
(Zuruf von der SPD: Aber schon Mitglied!)
Paul Schäfer kein Parteifunktionär.
Was ist denn jetzt wahr? Sie belügen das Parlament; nichts anderes tun Sie.
(Beifall bei der LINKEN)
Sie haben angeboten, die Liste der 27 noch einmal zu überprüfen. Das war ein schlauer Vorschlag, aber ich sage es Ihnen in aller Deutlichkeit: Es ist kein glaubwürdiges Angebot, wenn Sie willkürlich festlegen, wer sich genehm verhält und wer nicht. Wir werden uns nicht auseinanderdividieren lassen.
(Beifall bei der LINKEN)
Kommen wir zu den verdeckten Maßnahmen. Ich tue jetzt einmal so, als ob ich Ihnen glaube, dass das Bundesamt für Verfassungsschutz selbst keine nachrichtendienstlichen Mittel einsetzt; ich kann nämlich nichts Gegenteiliges beweisen. Da aber die Länder inzwischen sogar offen erklären, dass sie das tun, frage ich mich, warum für sie das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts und die Auffassung der Bundesregierung offenbar nicht gelten. Die Frage ist auch, welche Informationen, die aus nachrichtendienstlichen Maßnahmen der Länder gewonnen wurden, vom Bundesamt für Verfassungsschutz genutzt werden. Auch damit wird Ihre Aussage Lügen gestraft, dass Sie sich nicht nachrichtendienstlicher Mittel bedienen würden.
(Beifall bei der LINKEN)
Es sei mir erlaubt, kurz darauf zu verweisen, dass es im Gegensatz zur Union bei uns niemanden gibt, der noch bis vor wenigen Wochen und Monaten die Oder-Neiße-Friedensgrenze infrage gestellt hat. Das finde ich deutlich verfassungsfeindlich.
(Beifall bei der LINKEN)
Herr Kollege Uhl, wer wie Sie auf Podien auftritt und meint, die Ursache des Naziterrors in Deutschland sei wohl vor allen Dingen die Masse an Ausländern, die in die Bundesrepublik gekommen sei,
(Zurufe von der LINKEN: Pfui!)
der sollte sich schwer zurückhalten.
(Beifall bei der LINKEN)
Lassen Sie mich abschließend aus der Schweriner Volkszeitung von heute zitieren. Darin schreibt Matthias Hufmann, der des Linksextremismus oder der Nähe zu Linken unverdächtig ist, in einem Kommentar:
Die Politiker zu beobachten ist falsch,
weil Proporz kein Grund für Überwachung sein darf. Wer die NPD prüft, braucht keinen Rechts-Links-Ausgleich.
weil der Blick ins Programm der Partei nicht ausreicht, um Argumente zu finden. Überwindung des Kapitalismus? Dann müsste sich der Verfassungsschutz auch um Heiner Geißler kümmern.
…
weil der Innenminister drei Motive verheimlicht, die nichts mit der Linken zu tun haben: Er muss sich profilieren, er muss der CSU gerecht werden, er muss die FDP gängeln.
weil Hans-Peter Friedrich den Linken alles zutraut, der Demokratie aber nichts. Im Zweifel nicht einmal, sich zu wehren.
…
Vor allem jedoch ist das Beobachten für den Verfassungsschutz fatal,
weil er beim Rechtsextremismus versagt hat und bei den Linken ganz genau hinschaut. Dieser Eindruck bleibt.
(Beifall bei der LINKEN Patrick Kurth (Kyffhäuser) (FDP): Eine Diktatur ist gut, haben wir jetzt gelernt! Es kommt nur darauf an, von wem aus! Proletariat ist gut!)