Die Skandale um überwachte Arbeitnehmer und einen Mißbrauch dieser sensiblen Daten reisen seit Jahren nicht ab: ob Lidl oder die Deutsche Bahn - die Unternehmen kennen keine Grenzen.
Obwohl DIE LINKE bereits in der letzten Wahlperiode ein Arbeitnehmerdatenschutzgesetz eingebracht und einen effektiven Schutz vor Überwachung und Datenmißbrauch gefordert hat, kommt die SPD erst in der Opposition dazu, ein Beschäftigtendatenschutzgesetz einzubringen.
Klaus Ernst spricht zum Antrag der SPD in der ersten Lesung am 3. Dezember 2009 im Deutschen Bundestag.
Klaus Ernst (DIE LINKE):
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Natürlich ist eine Regelung dringend notwendig. Das müsste eigentlich unbestritten sein. Ich möchte noch einmal auf einige Vorgänge eingehen.
Bei der Deutschen Bahn wurden systematisch persönliche Daten wie Anschrift, Telefonnummer und Bankverbindung gespeichert. Das gegenüber der Deutschen Bahn verhängte Bußgeld betrug übrigens 1,1 Millionen Euro bei einem Jahresumsatz von 33,5 Milliarden Euro. Das bezahlt die Deutsche Bahn aus der Portokasse. Das wird sie nicht abschrecken.
Das zweite Beispiel ist Lidl. Zu Lidl will ich ein paar Sätze mehr sagen. Bei Lidl wurden Detektive gegen die eigene Belegschaft eingesetzt. Ich möchte zur Kenntnis geben, welche hervorragenden Erkenntnisse diese Detektive bei Lidl gewonnen haben. Ich trage aus dem Bericht der Detektive vor:
„Dienstag 16.40 Uhr. Ich spreche mit Frau T. über Diebstähle, die eventuell durch Mitarbeiter begangen werden können, und versuche, sie etwas auszufragen. Frau T. erwähnt einen konkreten Verdacht gegenüber Frau L. Die Vermutung wird hauptsächlich durch die Tatsache begründet, dass Frau L. sehr introvertiert ist.“
Das sind bemerkenswerte Erkenntnisse. Ein weiterer Bericht dieses Detektivs:
„Sie sitzt zusammen mit Frau L. im Pausenraum. Die Kräfte unterhalten sich über Gehälter, Zuschläge und oft bezahlte Überstunden. Frau M. hofft ebenfalls, dass ihr Gehalt bereits heute gutgeschrieben wird, da sie für heute Abend dringend Geld benötigt (Grund?).“
Was waren dort für Schwachmaten am Werk? Warum wird gefragt, aus welchem Grund die Frau ihr Geld noch nicht auf ihrem Konto hat? Weil sie offensichtlich in diesem Unternehmen sehr wenig verdient und trotzdem ausspioniert wird. Das könnte vielleicht eine Erkenntnis sein.
(Beifall bei der LINKEN)
Ich kann es Ihnen nicht ersparen, den Bericht noch an einer Stelle fortzusetzen. Darin heißt es:
„Frau U. schien mir nicht ganz bei der Sache zu sein. Sie spricht sehr unkonzentriert. Das liegt vielleicht daran, dass sie diese Woche heiratet. Dann hätte sie allerdings die ganze Woche Urlaub nehmen müssen.“
Wir reden hier über Datenschutz. Wenn wir uns nicht darauf verständigen, dass das Ausspionieren von Mitarbeitern durch Detektive ein Straftatbestand wird, dann werden wir daran nichts ändern.
(Beifall bei der LINKEN - Peter Weiß (Emmendingen) (CDU/CSU): Das ist es bereits, Herr Ernst! Es ist ein Straftatbestand! Man sollte wissen, über was man redet!)
In der Debatte über den Datenschutz ist von der Koalition zu hören, wir sollten nicht von Misstrauen gegenüber der Wirtschaft reden. „Gemach, gemach“, hat Herr Mayer gesagt: bitte keine übereilten Vorschläge. Wir sollten nichts übers Knie brechen. Meine Damen und Herren von der Regierung. Ich sage Ihnen eines: Mit jedem Tag, der verstreicht, ohne dass Sie dies regeln, sind Sie mitverantwortlich dafür, dass die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in diesem Land ausspioniert werden und dass sich ihnen gegenüber der Datenmissbrauch häuft.
(Beifall bei der LINKEN - Carl-Ludwig Thiele (FDP): Ihre Partei hat mit dem Ausspionieren aber am meisten zu tun! - Zuruf von der CDU/CSU)
- Ja, sie haben elf Jahre nichts gemacht, aber ihr auch nicht.
(Beifall bei der LINKEN - Carl-Ludwig Thiele (FDP): 40 Jahre sind die Bürger in der DDR ausspioniert worden!)
Sie können sich aufregen, wie Sie wollen. Ich verstehe, dass Sie Ihre Klientel in der Wirtschaft nicht mit einem besonderen Datenschutzgesetz belasten wollen.
(Carl-Ludwig Thiele (FDP): Was ist denn mit den Stasi-Leuten in Brandenburg?)
Ich kann Ihnen auch den Grund dafür nennen: Weil Sie die Spenden aus der Großindustrie bekommen, die bei diesem Thema ganz besonders belastet ist. Deshalb sind Sie nicht bereit, ein vernünftiges Gesetz auf den Weg zu bringen.
(Beifall bei der LINKEN)
Diese Auswüchse nehmen zu.
(Gisela Piltz (FDP): Bei der Stasi-Vergangenheit in Brandenburg ist das mutig, was Sie hier erzählen!)
- Wie war das mit Brandenburg? Das ist ja bemerkenswert, dass ausgerechnet Sie mit dem Finger auf Brandenburg und die Stasi zeigen. Wissen Sie, wie der Artikel im Stern überschrieben war? „Die Lidl-Stasi“, und dagegen unternehmen Sie nichts. Sie blasen sich bei Thema Brandenburg auf wie ein Frosch kurz bevor er platzt, aber wenn es ernst wird, dann laufen Sie weg. Das ist die Realität.
(Beifall bei der LINKEN)
Inzwischen geht es so weit, dass Bewerber Bluttests machen müssen, bevor sie eingestellt werden. Das ist bei Rundfunkanstalten, bei Daimler und anderen großen Unternehmen üblich. Wissen Sie, was das ist? Das ist moderner Vampirismus.
(Beifall bei der LINKEN)
Was machen die eigentlich mit unserem Blut? Wer ist dafür verantwortlich, was dort passiert?
Wenn Sie nicht der Auffassung wären, nichts unternehmen zu müssen und alles beim Alten zu lassen, dann hätten Sie nicht nur gesagt, dass SPD und Grüne elf Jahre zu spät dran sind damit haben Sie Recht , sondern Sie hätten auch selber etwas vorgelegt. Das sind Sie schuldig, und dass Sie es nicht tun, ist ein Skandal.
(Beifall bei der LINKEN - Gisela Piltz (FDP): Ehrlich gesagt ist Ihre Rede ein Skandal! - Weiterer Zuruf von der FDP: Ihr seid ein Skandal!)