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Datensicherheit hat Vorrang

Rede von Frank Spieth,

Offlinelösung der Elektronischen Gesundheitskarte muss überprüft werden

Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner:

Nächster Redner ist der Kollege Frank Spieth, Fraktion die Linke.

(Beifall bei der LINKEN)

Frank Spieth (DIE LINKE):

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen und Herren!

Die Ziele, die Herr Koschorrek eben erneut formuliert hat, kann man in der Tat zum großen Teil unterstreichen. Die gemeinsame Selbstverwaltung hat es nach Einbringung des Gesetzes nicht geschafft hat, die datenschutzrechtlichen Voraussetzungen für die Einführung der Gesundheitskarte zu erfüllen. Daher musste das Bundesgesundheitsministerium im Oktober 2006 eine Verordnung erlassen, in der festgelegt wurde, dass die Gesundheitskarte vor ihrer Einführung einem vierstufigen Testverfahren unterzogen werden muss. Dieses Verfahren ist jetzt geltendes Recht und unbedingt einzuhalten. Offenkundig wird sich aber die Betreibergesellschaft Gematik nicht daran halten. Der 100 000er-Test soll offenbar nicht durchgeführt werden.

Dennoch wird schon jetzt mit der flächendeckenden Ausgabe der Karten in Nordrhein begonnen. Das ist rechtswidrig. Wenn die Bundesregierung ihre eigene Verordnung ernst nimmt, müsste sie eingreifen. Tut Sie es nicht, macht sie einen schweren Fehler.

Nicht nur rechtlich, sondern auch fachlich kritisieren wir dieses Vorgehen. Die einzige Technik, die überhaupt getestet wurde, waren zentrale Onlinespeicherserver, die über Internet erreichbar sind.

(Daniel Bahr [Münster] [FDP]: Keine Alternative!)

Überall, wo auf zentralen Servern viele sensible Daten gespeichert sind, wachsen natürlich Begehrlichkeiten. Durch die Onlinevariante wird es bei allem Datenschutz möglich, darauf zuzugreifen. Der Schlüssel dazu wird bei der Ausgabe der Karte von der Krankenkasse erzeugt und an den Kartenhersteller ausgeliefert. Er wird zudem für den Fall des Verlustes der Karte bei einem sogenannten Treuhänderdienst hinterlegt. An diesen drei Stellen - Kassen, Kartenhersteller und Treuhänderdienst - finden sich Angriffspunkte für Interessenten an den Daten. Aber zumindest Krankenkassen, Arbeitgebern und Versicherungen darf man durchaus ein gewisses wirtschaftliches Interesse an diesen Daten unterstellen.

Am Horizont sehe ich auch schon Herrn Schäuble auftauchen, der diese Daten möglicherweise zur Terrorbekämpfung haben möchte.

(Annette Widmann-Mauz [CDU/CSU]: Das ist billigster Populismus!)

Mit dem jetzt vorhandenen Gesetz ist nach meiner Auffassung nicht gewährleistet, dies zu verhindern. Die Vorratsdatenspeicherung der Telefon- und E-Mail-Verbindungsdaten zeigt schon jetzt, wie einfach es ist, Daten, die zunächst für Rechnungszwecke gespeichert wurden, nun zur Bekämpfung von Kriminalität heranzuziehen.

Wenn man an der Onlinevariante der Gesundheitskarte festhält, dann muss nach meiner Auffassung wenigstens der Schutz der Daten Verfassungsrang haben. Dieses Problem könnte mit einer dezentralen Offlinevariante der Karte, zum Beispiel einem USB-Stick, gelöst werden. Die Firma Gematik hat im Oktober 2008 der Ärzteschaft zugesagt, diese dezentrale Speichermöglichkeit zu erproben. Das ist bislang nicht geschehen. Ich vermute, dass eine ernsthafte Prüfung auch nicht mehr stattfinden wird; andernfalls schaffte man in Nordrhein keine vollendeten Tatsachen.

(Daniel Bahr [Münster] [FDP]: Ablenkung!)

Für die gesetzlich vorgesehenen Funktionen der Karte benötigt man keine zentralen Onlineserver. Aber man will sie durchsetzen, weil man sie für die sogenannten Mehrwertdienste nutzen will. Dahinter verbergen sich viele Anwendungen, mit denen private Firmen Gewinn erzielen können. Ob diese Anwendungen der Gesundheit nutzen, ist nach meiner Auffassung sehr fraglich.

Die Linke fordert deshalb: Die geltenden Datenschutzregelungen müssen ohne Wenn und Aber eingehalten werden.

(Beifall bei der LINKEN)

Die informationelle Selbstbestimmung der Patienten muss gewahrt werden. Die Gesundheitskarte, die von den Beitragszahlern mit Milliarden vorfinanziert wird, darf nicht zur privaten Profiterzielung nutzbar gemacht werden. Der staatliche Zugriff auf Gesundheitsdaten muss kategorisch ausgeschlossen werden. Die 100 000er-Tests müssen durchgeführt werden.

(Zuruf von der CDU/CSU: Wer fordert denn etwas anderes?)

Außerdem muss die dezentrale Offlinelösung tatsächlich getestet werden. Erst danach darf über eine flächendeckende Ausgabe der Gesundheitskarte verhandelt werden.

(Beifall bei der LINKEN - Dr. Karl Addicks [FDP]: Gar nicht so schlecht! - Daniel Bahr [Münster] [FDP]: Das heißt, Sie stimmen unserem Antrag zu?)