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Das soziale Gleichgewicht auch durch einen widerständigen Rechtsstaat schützen

Rede von Roland Claus,

Rede des Mitglieds des Haushaltsausschusses der Fraktion DIE LINKE, Roland Claus, in der Haushaltsdebatte zum Einzelplan 07, Bundesministerium für Justiz, am 27. November 2008

Roland Claus (DIE LINKE):

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren!

Frau Ministerin, Selbstbetrug ist nicht strafbar, aber oft verhängnisvoll. Ich halte es für ein Stück Selbstbetrug, dass wir heute einen Etat beschließen, von dem die meisten von uns wissen, dass er zu dem Zeitpunkt, ab dem er gültig ist, am 1. Januar 2009, zu einem guten Stück schon veraltet sein wird.

(Beifall bei der LINKEN)

Ich halte es auch für Selbstbetrug, dass den Menschen gesagt wird, man wolle ihnen mit dem Haushalt eine Brücke über das Jahr 2009 bauen, damit es 2010 wieder besser wird. Allerdings wird damit die Grenze zwischen dem Selbstbetrug und dem Wählerbetrug schon ziemlich fließend.

Wenn das soziale Gleichgewicht bedroht ist, dann wird es für den Rechtsstaat schwerer, aber gerade dann muss er sich beweisen und vorsorgen. Er muss stark und widerständig sein, und er darf sich nicht bücken. In diesen Tagen erleben wir in manchen Situationen auch eine Krise des Rechtsstaates. Es ist doch Fakt, dass auch Menschen in rechtliche Notlagen geraten - zum Beispiel durch Insolvenzen -, die sich das vor einigen Jahren überhaupt noch nicht vorstellen konnten.

(Joachim Stünker (SPD): Wovon reden Sie denn jetzt? Was kritisieren Sie denn konkret?)

Das Maß, mit dem Sie durch Ihre Politik beispielsweise den Mittelstand zerstören, ist ein Ausdruck dafür.

(Michael Grosse-Brömer (CDU/CSU): Das ist die falsche Rede!)

In dieser Situation wäre ein guter Justizetat erforderlich. Mit dem vorliegenden leisten Sie das nicht.

(Beifall bei der LINKEN)

Ich will das an drei Fakten kenntlich machen:

Erstes Beispiel. Seit dem vorigen Jahr ist das Bundesamt für Justiz in Bonn. Die Bundesministerin preist die Entscheidung, die ministerielle Weisheit hier in Berlin und die Ausführungskompetenz in Bonn zu konzentrieren,

(Dr. Carl-Christian Dressel (SPD): Zu Recht!)

gewissermaßen als eine sehr gute Lösung. Wir beurteilen die Situation anders und sehen das wesentlich kritischer.

(Dr. Carl-Christian Dressel (SPD): Ohne jegliche Fachkompetenz!)

Inzwischen gibt es zwei etwa gleich große Verwaltungsstrukturen. Für die Verwaltung des Bundesministeriums steht ein Ausgabenblock von 50 Millionen Euro zur Verfügung, während es beim Bundesamt 41 Millionen Euro sind. Wir haben die Erfahrung gemacht, dass zwei so große sich gegenüberstehende Verwaltungen auch Verselbstständigungstendenzen gegeneinander entwickeln.

(Dr. Carl-Christian Dressel (SPD): So ein Unfug!)

Ein zweites Beispiel. Wir schlagen Ihnen, wie bereits im vergangenen Jahr, vor, die Zahl der wissenschaftlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter an den obersten Gerichten zu erhöhen,

(Beifall bei der LINKEN)

um wenigstens auf ein Verhältnis von eins zu eins zwischen den Richterinnen und Richtern und den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern zu kommen. Wir machen das ausdrücklich mit dem Ziel, die Verfahrensdauern an den Gerichten zu verkürzen. Bei so vielen Wohltaten, die wir Ihnen vorschlagen, sollten Sie hier wirklich nicht noch protestieren.

(Beifall bei der LINKEN - Dirk Manzewski (SPD): Die Arbeit ist bei den Amts- und Landgerichten!)

Der dritte Punkt, bei dem es eine Differenz zwischen uns gibt - das ist hier erfreulicherweise schon angesprochen worden -, ist das Deutsche Patent- und Markenamt mit Sitz in München und Jena. Ihnen ist bekannt, dass wir seit dem Jahr 2006 beharrlich Anträge dafür stellen, die Zahl der Stellen zu erhöhen und die Sachmittel aufzustocken. Ich freue mich, wie mein Vorredner, dass es hier im Vergleich zum vorigen Etat einen tatsächlichen Aufwuchs gibt. Das begrüßen wir selbstverständlich auch.

Dennoch stellen auch wir fest, dass die Patentbearbeitung, also die Phase von der Anmeldung und damit dem einsetzenden Rechtsschutz bis zur möglichen Vermarktung, gerade für kleine und mittelständische Unternehmen und für Existenzgründerinnen und Existenzgründer immer noch zu lang ist. Gerade in der jetzigen Situation ist es doch ein Gebot, jedem Start-up-Unternehmen, den jungen Unternehmen, die Chance zu geben, ihre kreativen Leistungen auch zu vermarkten. Es ist schlimm, dass Ihnen ein Sozialist einen solchen Grundzug der Marktwirtschaft hier erklären muss.

(Beifall bei der LINKEN)

Wir wissen, dass das der Justizetat nicht hergibt. Dafür ist er zu klein. Deshalb schlagen wir die Deckung aus dem Einzelplan 09 vor. Das ist der Etat des Ministers für Wirtschaft und Technologie. Dieser enthält auch einen entsprechenden Titel, nämlich „Patentbegleitung“. Das ist also nichts Unmögliches. Das einzige, woran das immer wieder scheitert, ist ein purer Ressortegoismus. Dieser passt auch nicht mehr in diese Zeit.

(Beifall bei der LINKEN Michael Grosse-Brömer (CDU/CSU): Irgendwann müssen Sie doch einmal zum Thema kommen!)

Deshalb sage ich Ihnen zum Schluss noch einmal: Selbstbetrug ist nicht strafbar, aber oft verhängnisvoll. Aus diesem Grunde müssen wir diesen Etat auch ablehnen.

(Beifall bei der LINKEN - Dr. Carl-Christian Dressel (SPD): Gute Nacht!)