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Das sogenannte Patientenrechtegesetz ist ein wirkungsloses Feigenblatt

Rede von Martina Bunge,

Rede im Deutschen Bundestag zum Antrag der Linksfraktion "Mehr Rechte für Patientinnen und Patienten" (BT-Drucksache 17/6489), dem Antrag der Fraktion Bündnis/Grüne ""Rechte von Patientinnen und Patienten durchsetzen" (BT-Drucksache 17/6348) und dem ,Entwurf eines Gesetzes zur Verbesserung der Rechte von Patientinnen und Patienten" (BT-Drucksache 17/10488) der Bundesregierung.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Auch ich schätze ein: Ihr Gesetzentwurf zu den Patientenrechten, werte Kollegen von der Koalition, ist ein „wirkungsloses Feigenblatt“ und lässt die Geschädigten im Regen stehen. Nach den großen Ankündigungen von Ihrer Seite, verehrter Herr Kollege Zöller, als Patientenbeauftragter sind die Patientinnen und Patienten maßlos enttäuscht.

(Beifall bei der LINKEN und der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Warum müssen wir aber überhaupt so intensiv über die Patientenrechte diskutieren? Der Hauptgrund ist meines Erachtens, dass das Vertrauen der Patientinnen und Patienten in die medizinische Versorgung und hier vor allen Dingen in die ärztliche Versorgung abnimmt. Dieser Vertrauensverlust ist ein Alarmsignal für das Gesundheitssystem. Im Grunde ist die dringende Notwendigkeit eines Patientenrechtegesetzes ein Armutszeugnis für die vorherrschende Gesundheitspolitik.

(Beifall bei der LINKEN)

Das Vertrauen nimmt sicherlich auch ab, weil Patientinnen und Patienten kritischer werden und sich organisieren und weil ärztliche Fehler durch präsentere Medien viel stärker öffentlich werden. Aber das Vertrauen nimmt besonders dadurch ab, dass vor allen Dingen Ärztinnen und Ärzte zunehmend in einen Interessenkonflikt zwischen persönlichen Vorteilen und guter Behandlung der Patientinnen und Patienten kommen. Die zunehmende Vermarktlichung unseres Gesundheitssystems, die auch die Ärztinnen und Ärzte immer stärker erreicht, schwächt das Vertrauen in die Versorgung. Das Vertrauen ist aber eine Grundvoraussetzung für eine gelingende medizinische Therapie. Daher gilt es, das Vertrauen zu stärken.

(Beifall bei der LINKEN)

Dies kann ein Gesetz allein nicht leisten. Aber es muss ein Beitrag dazu sein.
Für Vertrauen brauchen wir ein Gesundheitssystem, in dem der Patient wieder im Mittelpunkt steht, ein Gesundheitssystem, das nicht Tummelplatz wirtschaftlicher Interessen ist.

(Beifall bei der LINKEN)

Wir brauchen wieder eine intensive Diskussion und einen modernen Konsens über die Ethik des Arztberufes. Die Charta zur ärztlichen Berufsethik aus dem Jahre 2002 wird in Deutschland anders als in den USA und anderen europäischen Ländern kaum zur Kenntnis genommen. Ganz leise beginnt jetzt eine Diskussion. Entworfen wird ein „Manifest für eine menschliche Medizin“. Das ist gut so.

(Beifall bei der LINKEN)

Ich will zwei Punkte aus der Charta herausgreifen. Sie fordert, Interessenkonflikte beizulegen und allein den Patienten in den Mittelpunkt zu stellen. Patientinnen und Patienten erwarten keine Unfehlbarkeit, Frau Ministerin, aber sie erwarten, dass allein ihr Wohl das therapeutische Handeln bestimmt und nicht persönliche Vorteile, gleich ob Vergütungsvorteile oder Geschenke; denn diese können dazu führen, dass ein Arzt bewusst sein Handeln ändert. Interessenkonflikte bei Therapeuten müssen offen benannt und erheblich verringert werden. Die Vorlage der Bundesregierung reicht dazu bei weitem nicht aus. Die von Ihnen vorangetriebene Vermarktlichung des Gesundheitssystems bewirkt genau das Gegenteil.

(Beifall bei der LINKEN)

Die Charta fordert Wahrhaftigkeit von einem Arzt. Patienten erwarten keinen perfekten Arzt, aber sie erwarten zu Recht, dass ihr Arzt einen Fehler zugibt und die Verantwortung übernimmt, statt die Fehler zu vertuschen. Aber dann steigt ihm die Haftpflichtversicherung auf den Kopf. So kann keine Fehlerkultur entstehen, Herr Minister, in der man aus Fehlern lernt. Lernen muss das ganze System.

(Heinz Lanfermann (FDP): Wir wollen eine Fehlervermeidungskultur!)

Wenn ein Fehler passiert, brauchen die Patientinnen und Patienten eine generelle Erleichterung bei der Beweislast, nicht nur in schweren Fällen. Dazu stehen wir.
Das derzeitige Konstrukt der Haftpflichtversicherung bei Gesundheitsberufen sorgt dafür, dass Fehler vertuscht und die Existenz bestimmter exponierter Berufsgruppen und damit die Versorgung gefährdet werden. Ganz offensichtlich ist, dass durch die aktuelle Situation der freiberuflichen Hebammen das Wahlrecht der werdenden Mütter hinsichtlich der Art der Entbindung mehr und mehr eingeschränkt wird. Das darf nicht hingenommen werden.

(Beifall bei der LINKEN)

Daher fordert die Linke einen Haftungsfonds. Herr Zöller, wenn einer dafür und einer dagegen ist, dann muss die Politik zum Wohle der Patientinnen und Patienten entscheiden. Dazu sind wir hier.

(Beifall bei der LINKEN sowie der Abg. Dr. Marlies Volkmer (SPD))
Präsident Dr. Norbert Lammert:
Das wäre doch ein schöner Schlusssatz gewesen, Frau Kollegin.
(Heiterkeit bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP)

Das Profitdenken von Unternehmen erfordert einen starken Verbraucherschutz. Dem Profitstreben im Gesundheitssystem kann man mit einem Patientenrecht nur unzureichend begegnen. Ein Patientenrechtegesetz kann das Gesundheitssystem nicht reparieren, aber es könnte dafür sorgen, dass das System zumindest patientenfreundlicher gemacht wird. Diese Gesetzesvorlage leistet das nicht. Schade.

(Beifall bei der LINKEN sowie des Abg. Dr. Edgar Franke (SPD))