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Das Betreuungsgeld ist der falsche Ansatz für eine moderne Familienpolitik

Rede von Diana Golze,

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen!

Es gab in den letzten Wochen und Monaten zahlreiche Vorschläge, mit denen die Regierung versucht hat, das Betreuungsgeld in ihren eigenen Reihen durchzusetzen und es den eigenen Kolleginnen und Kollegen schmackhaft zu machen. Es war die Rede von einer Koppelung an Vorsorgeuntersuchungen beim Kinderarzt und von höheren Rentenleistungen für Eltern, deren Kinder vor 1992 geboren worden sind.

Gestern und heute haben wir erfahren, dass unsere Befürchtungen, dass das Betreuungsgeld auf Hartz IV angerechnet werden soll, scheinbar zu Recht bestanden und dass das in die Realität umgesetzt werden soll. Das ist für mich die Fortsetzung einer Politik der kalten Herzen und der sozialen Kälte gegenüber Menschen, die von Hartz-IV-Leistungen leben müssen. Hier setzt sich etwas fort, das mit der Anrechnung des Kindergeldes und des Mindestelterngeldes begann. Nun soll das auch noch beim Betreuungsgeld stattfinden. Das heißt, wer schon etwas hat, bekommt mit dem Betreuungsgeld etwas obendrauf; wer nichts hat, bekommt gar nichts. Im schlimmsten Falle bekommt er auch keinen Kitaplatz; denn davon werden wir auch 2013 immer noch nicht genügend haben.

(Dr. Birgit Reinemund (FDP): Wo haben Sie das gelesen?)

Das ist ein Skandal, der sich, wie gesagt, hier fortsetzt - eine Politik der kalten Herzen, die wir hier schon des Öfteren kritisiert haben. Dem kann doch dieser Bundestag nicht einfach so zustimmen. Man kann da doch nicht einfach so weitermachen, als wäre das das Normalste der Welt.

(Beifall bei der LINKEN, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Auch heute wieder wurde bei der Begründung, warum man es auf Hartz IV anrechnen möchte, nicht nur bürokratisch argumentiert, sondern es wurde gesagt: Es ist ja die Anerkennung der Erziehungsleistung. - Das kann doch nicht Ihr Ernst sein. Sie können doch nicht sagen, dass Eltern, die ihre Kinder in eine öffentliche Kindertagesbetreuung geben, keine Erziehungsleistung erbringen. Das können Sie doch nicht wirklich glauben. Das können Sie doch den Menschen draußen nicht erklären.

(Beifall bei der LINKEN)

So ist es auch kein Wunder, dass 60 Prozent der Bevölkerung dieses Betreuungsgeld ablehnen. Die Zahlen mögen in Bayern anders sein; das glaube ich gerne. Das kommt auch dadurch zum Ausdruck, dass heute in der Aktuellen Stunde wenn ich das richtig überschaut habe nur Rednerinnen und Redner der CSU sprechen werden.

(Markus Grübel (CDU/CSU): Widerspruch! Widerspruch!)

Ich weiß nicht, welche Meinung die CDU dazu vertritt. Das können Sie uns ja noch übermitteln. Aber es kann doch nicht sein, dass Sie so tun, als wenn eine Erziehungsleistung nur von den Eltern erbracht wird, die ihre Kinder nicht in eine öffentliche Kita bringen. Das Geld sollen ja auch Eltern bekommen, die zum Beispiel eine private Nanny oder die Großmutter engagieren.

(Zuruf von der CDU/CSU: Genau das!)
„Betreuungsgeld“ heißt doch nicht, dass sie das wirklich selbst tun. Das kann doch nicht Ihr Ernst sein.

Was ist zum Beispiel mit Aufstockern? Haben Sie, wenn Sie das anrechnen wollen, schon einmal darüber nachgedacht, was mit Leuten ist, die arbeiten gehen und ihre Kinder von den Großeltern betreuen lassen? Die nehmen auch keinen Kitaplatz in Anspruch. Auch sie erbringen Erziehungsleistungen, so wie Sie sie verstehen. Trotzdem sollen sie das Betreuungsgeld nicht bekommen, weil sie aufstockende Sozialleistungen nach Hartz IV in Anspruch nehmen. Das, was Sie da machen, ist doch völlig unlogisch.

(Beifall bei der LINKEN, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Diesbezügliche Fragen konnte der Staatssekretär in der Fragestunde leider nicht beantworten.

Nach meiner Auffassung ist ein solches Vorgehen auch nicht mit der Verfassung zu vereinbaren. Dort steht, dass Ehe und Familie unter dem Schutz des Staates stehen. Dort steht nicht: Die Einverdienerehe steht unter dem Schutz des Staates.

(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD)

In den Zeitungen stand, dass die Kanzlerin hierzu ein Machtwort spricht.

(Caren Marks (SPD): Aber das falsche!)

Ich würde mir bezogen auf andere Vorhaben, die im Koalitionsvertrag stehen, ein Machtwort wünschen ich habe auch danach in der Fragestunde gefragt, aber auch auf diese Fragen keine Antwort bekommen : Wie steht es denn um die Verbesserungen beim Unterhaltsvorschussgesetz? Dieses Vorhaben liegt auf Eis. Wie steht es um die Ausweitung des Elterngeldes? Auch das liegt auf Eis. Es gibt dazu keinen Vorschlag. Wie steht es um die Unterstützung für Alleinerziehende, also derjenigen, die am meisten von Armut bedroht sind? 43 Prozent der Kinder von Alleinerziehenden sind von Armut bedroht. Wenigstens das hat der Staatssekretär in der Befragung gewusst. Zu diesen Vorhaben würde ich mir ein Machtwort der Kanzlerin wünschen und nicht ausgerechnet zu diesem unsinnigen Betreuungsgeld.

(Beifall bei der LINKEN, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Zu alledem hört man von der zuständigen Ministerin leider nichts. Haben Sie in den letzten Tagen mal irgendetwas von ihr gelesen? Haben Sie irgendwas gehört?

(Markus Grübel (CDU/CSU), an SPD, LINKE und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN gewandt: Vorhin habt ihr gesagt, ihr hättet das Buch gelesen! Und jetzt?)

In der heutigen Fragestunde war nur der Staatssekretär anwesend. Frau Ministerin, ich freue mich sehr, dass Sie an dieser Aktuellen Stunde teilnehmen. Zu diesem Thema war von Ihnen in den vergangenen Wochen nichts zu hören. Dabei ist es doch Ihr Haus, das diesen Gesetzentwurf erarbeiten soll. Es ist ebenfalls Ihr Haus, das auch die anderen Vorhaben, die im Koalitionsvertrag stehen ich habe sie genannt , umsetzen soll. Ich wünschte mir dazu wirklich einmal eine öffentliche Meinungsäußerung der Ministerin. Diese haben wir bisher nicht gehört.

(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Ich habe gerade eben, vor wenigen Minuten, den Vorsitz der Kinderkommission des Deutschen Bundestages übernommen.

(Caren Marks (SPD): Glückwunsch! Max Straubinger (CDU/CSU): Aber nichts für Kinder tun!)

Danke schön. Der erste Schwerpunkt unter meinem Vorsitz wird sein, dass wir uns mit der sozialen Lage von Kindern und Jugendlichen beschäftigen.

(Max Straubinger (CDU/CSU): Dann sollten Sie Leistungen für Kinder nicht ablehnen!)

Herr Straubinger, hören Sie mir zu! Sie können nicht zuhören, wenn Sie gleichzeitig reden.

(Heiterkeit und Beifall bei Abgeordneten der LINKEN, der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN Max Straubinger (CDU/CSU): Doch, ich schon! Sie sollten als Vorsitzende der Kinderkommission für Kinder reden und nicht gegen Kinder!)

Dieses Betreuungsgeld wird die soziale Lage von Kindern und Jugendlichen nicht verbessern. Ich werde in der Kinderkommission mit meinen Kolleginnen und Kollegen dafür sorgen, dass hier Vorschläge auf den Tisch kommen, die genau das leisten, was das Betreuungsgeld nicht leistet.

Vielen Dank.

(Beifall bei der LINKEN, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Max Straubinger (CDU/CSU): Das ist eine Fehlbesetzung!)