Zum Hauptinhalt springen

Bundeswehr im Nordirak: Eine verheerende Zwischenbilanz

Rede von Jan van Aken,

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren,

 

Sie wollen jetzt 150 Soldatinnen und Soldaten in den Nordirak schicken, um dort kurdische Peshmerga auszubilden. Es gibt mindestens zwei gute Gründe, diesen Einsatz abzulehnen:

Erstens treiben Sie damit die Spaltung des Irak immer weiter voran und

Zweitens ist das Risiko doch sehr hoch, dass die von Ihnen ausgebildeten Peshmerga für ganz und gar unschöne Dinge eingesetzt werden.

 

Zum ersten Punkt: Ja, mit jeder Stärkung der kurdischen Regionalregierung droht der Irak weiter zu zerfallen – und das würde die Daesh-Terroristen noch stärker machen. Deshalb ist ihr Einsatz nicht nur falsch, sondern sogar richtig gefährlich!

 

Wir alle wissen, warum Daesh – das ist der so genannte Islamische Staat – in den letzten Jahren im Irak so stark werden konnte. Das lag doch daran, dass die sunnitischen Moslems über viele Jahre von der Zentralregierung in Bagdad ausgegrenzt wurden. Alle lukrativen Posten, all das gute Ölgeld, alles ging an die Schiiten und zum Teil an die Kurden. Aber die sunnitischen Regionen wurden vernachlässigt, einflussreiche Posten waren für Sunniten blockiert, sie waren und sind die Verlierer des neuen Irak.

 

 

Natürlich entstand daraus Hass, ein richtig großer Hass bei den Sunniten, der jetzt der Nährboden für Daesh ist. Deshalb gibt es aus der Mitte der sunnitischen Bevölkerung eine solche Unterstützung für diese Terrormiliz. Und darum sind wir uns hier doch bei einem Punkt auch alle einig: dass wir Daesh im Irak nur bekämpfen können, wenn es endlich eine faire, ausgewogene, inklusive Regierung in Bagdad gibt, in der die drei großen Bevölkerungsgruppen – Sunniten, Schiiten und Kurden – gleichberechtigt vertreten sind.

 

Und jetzt machen Sie genau das Gegenteil. Sie greifen sich die eine Kraft im zerfallenden Irak heraus, die am klarsten sagt, dass sie die Abspaltung will! Ihr Partner, der Präsident der nordirakischen Autonomieregion, Masud Barzani, will seinen eigenen, kurdischen Staat im Nordirak errichten. Und jetzt kommt Ihr Problem:

 

Denn Barzani hat heute schon die wirtschaftlichen und die kulturellen Voraussetzungen für eine solche Abspaltung. Was ihm bislang fehlte, ist die militärische Stärke, gut ausgebildete Soldaten und Waffen, um dieses Projekt auch umzusetzen – und genau da kommen Sie und liefern ihm all das nach. Das ist ein katastrophaler Fehler!

 

Sehen Sie denn nicht, dass Sie damit alle politischen Bemühungen um eine Lösung des Konfliktes, um eine zivile Stabilisierung der irakischen Gesellschaft, untergraben? Mit diesem Bundeswehreinsatz werden Sie die Terroristen von Daesh stärken und nicht schwächen, und deshalb ist er falsch.

 

Damit bin ich auch beim zweiten Problem. Wissen Sie eigentlich, wen Sie da genau ausbilden? Wissen Sie eigentlich, wo und wofür diese Peshmerga eingesetzt werden?

 

Die Konflikte zwischen den beiden großen kurdischen Parteien im Nordirak eskalieren gerade wieder. Die haben schon einmal einen blutigen Bürgerkrieg gegeneinander ausgetragen. Können Sie eigentlich ausschließen, dass die von Ihnen ausgebildeten Peshmerga in einem neuen Bruderkrieg eingesetzt werden?

 

Können Sie eigentlich ausschließen, dass die von Ihnen ausgebildeten Peshmerga bereits heute im Inneren eingesetzt werden, bei der Verhaftung von Regimegegnern? Bei der Folter von Journalisten?  Denn Sie wissen doch auch, dass die Menschenrechtsbilanz von Masud Barzani sehr, sehr düster ist.

 

Und können Sie eigentlich ausschließen, dass die von Ihnen ausgebildeten Peshmerga bei Kirkuk eingesetzt werden? Die Stadt, die sich Barzani verfassungswidrig eben mal so einverleibt und damit den Konflikt mit Bagdad massiv verschärft hat?

 

Denken Sie eigentlich, es gibt irgendeine Garantie, dass die von Ihnen ausgebildeten und bewaffneten Soldaten nicht bei den weiteren Auseinandersetzungen um strittige Territorien eingesetzt werden?

Nein, nicht davon können Sie ausschließen, und vieles davon ist wahrscheinlich. Deshalb ist es verantwortungslos, dass Sie deutsche Soldaten und deutsche Waffen in diese Mission schicken wollen.

 

Noch ein Wort zu den Waffen: Da wissen wir ja jetzt, dass Sie KEINE Garantie darüber haben, was mit diesen Waffen passiert. Sie werden jetzt auf verschiedenen Schwarzmärkten im Nordirak zum Verkauf angeboten. Natürlich überrascht das nicht, natürlich war das zu erwarten, aber umso verantwortungsloser ist es doch, diese Waffen da überhaupt hinzuliefern. Niemand hier kann sagen, wer wann und wo mit diesen deutschen Waffen noch erschossen wird.

Die Zwischenbilanz Ihres Einsatzes im Nordirak ist verheerend: Den Staatszerfall des Irak weiter vorangetrieben, die Region mit weiteren 20.000 Sturmgewehren geflutet, und Peshmerga für alle möglichen schmutzigen Jobs ausgebildet. Lassen Sie es  einfach sein!

 

Im Übrigen bin ich der Meinung, dass Deutschland keine Waffen mehr exportieren sollte. Nicht an Barzani, nicht in den Irak und übrigens auch nicht in die Türkei.