Herr Präsident!
Meine sehr verehrten Damen und Herren!
Wenn man diese Debatte über den Haushalt unserer Bundesrepublik verfolgt, bekommt man zurzeit den Eindruck, die Welt sei rundweg in Ordnung: Die Beschäftigung entwickelt sich positiv, wir haben Wachstum.
Aber bewertet das Kriterium „Wachstum unserer Wirtschaft“ auch schon, wie es den Menschen geht? Da habe ich doch erhebliche Zweifel. Wenn man genau hinschaut, wie sich die Entwicklung in unserem Lande darstellt, dann stellt man fest: Das Bruttoinlandsprodukt ist zwischen 2000 und 2013 real, preisbereinigt, um 14,9 Prozent gewachsen. Das ist hervorragend, klasse.
Wenn man aber schaut, wem dieses Wachstum eigentlich zugutegekommen ist, dann zeigt sich ein durchaus differenzierteres Bild; dann stellt man nämlich fest, dass die Löhne im selben Zeitraum 1,9 Prozent an Wert verloren haben. Das heißt, die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer dieser Republik wurden vom Wachstum unserer Wirtschaft nicht nur abgekoppelt, sondern haben real sogar weniger als vorher. Jetzt könnte man noch fragen, wie das mit den Rentnerinnen und Rentnern ist. Die langjährig Versicherten haben im selben Zeitraum preisbereinigt 30 Prozent ihrer Kaufkraft verloren.
Wenn man schaut, wo das Geld hingeflossen ist, bei wem das Wachstum unserer Wirtschaft angekommen ist, dann stellt man fest, dass zwischen 2000 und 2013 die Unternehmens- und Vermögenseinkommen um 31 Prozent gestiegen sind.
Ich habe jetzt in Ihrem Bericht, Herr Minister, nichts dazu gehört, ob diese Entwicklung akzeptabel ist, ob Sie das ändern wollen oder ob auch in Zukunft das Wachstum einseitig der Gruppe derer zukommen soll, die ihr Einkommen aus Unternehmertätigkeit oder Vermögen bezieht. Ich sage: Für uns Linke ist das ein unhaltbarer Zustand.
(Beifall bei der LINKEN)
Auch die Arbeitnehmer gehören zu denen, die dieses Land am Laufen halten, und deshalb müssen sie am Wachstum beteiligt werden, meine Damen und Herren.
Ich habe im Jahreswirtschaftsbericht geblättert und gesehen, dass auch im nächsten Jahr das Wachstum der Einkommen aus Unternehmertätigkeit und Vermögen über dem Wachstum der Löhne liegen soll. Im Ergebnis sinkt also die Lohnquote in der Bundesrepublik Deutschland. Sie haben das in Ihrem Bericht mit keiner Silbe erwähnt, Herr Minister. Ich halte das für sehr bedauerlich.
(Alexander Ulrich (DIE LINKE): Er hat etwas Falsches gesagt!)
Meine Damen und Herren, Herr Mundorf vom Handelsblatt hat vor Jahren einmal geschrieben ‑ ich habe mir das gemerkt; ich fand das sehr schön ‑: Man kann die Menschen zum Deichbau einteilen; aber man muss ihnen sagen, wann die Flut vorüber ist. - Ich denke, die Flut ist inzwischen vorüber. Es ist also wirklich Zeit, dass wir grundsätzlich etwas ändern. Die Entwicklung ‑ ich habe es gesagt ‑ geht aber so weiter.
Meine Damen und Herren, ich sehe in Ihrem Haushalt ‑ Sie haben das gerade auch angesprochen, Herr Gabriel ‑ 5 Milliarden Euro mehr für die Verkehrsinfrastruktur und 9 Milliarden Euro mehr für die Bildung ‑ verteilt auf die ganze Legislatur. Sie wissen: Das ist deutlich zu wenig. Das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung hat festgestellt, dass wir einen jährlichen Investitionsbedarf von 75 Milliarden Euro haben.
Wie wollen Sie denn mit diesem geringen Zuwachs tatsächlich Impulse für das Wachstum in der Bundesrepublik Deutschland setzen? Wie wollen Sie damit den Mangel, den wir bei der Infrastruktur in Deutschland inzwischen haben ‑ zum Beispiel bei Brücken und Schulhäusern ‑, tatsächlich beseitigen? Eltern erklären sich inzwischen sogar bereit, Schulhäuser selber zu streichen, weil die Zustände in den Schulhäusern so schlecht sind, dass man sie den Schülern nicht mehr zumuten kann. Wie wollen Sie das mit dem, was Sie hier vorlegen, wirklich bewältigen? - Fehlanzeige!
Was passiert eigentlich mit den um 31 Prozent gestiegenen Einkommen auf der Unternehmensseite? Als ich Volkswirtschaft studiert habe, habe ich gelernt: Die Gewinne von heute sind die Investitionen von morgen und die Arbeitsplätze von übermorgen. ‑ Wir stellen jetzt aber fest, dass die Investitionen im Vergleich zu den Gewinnen deutlich geringer gestiegen sind. Die Bruttoinvestitionen haben von 2000 bis 2012 nur um 2,1 Prozent zugenommen, wogegen der Einkommenszuwachs der Unternehmen eben 31 Prozent betrug. Das ist ein Riesenproblem, weil die Unternehmen, obwohl sie hervorragend verdienen, unzureichend investieren, und ich sehe auch keine Maßnahmen der Bundesregierung, das wirklich zu verändern.
(Beifall bei der LINKEN)
Was passiert mit dem Geld, das die Unternehmen haben? Ich möchte die Europäische Kommission zitieren. Die Europäische Kommission schreibt:
Die Unternehmen haben einen größeren Teil ihrer Gewinne einbehalten, um Schulden abzubauen und
‑ jetzt kommt es ‑
vor allem um finanzielle Vermögenswerte zu erwerben.
Das heißt, sie horten die Kohle und spekulieren damit.
Wenn die Bundesregierung zu diesem Zeitpunkt davon absieht ‑ das ist das, was diese Bundesregierung vorlegt ‑, wenigstens die Unternehmen höher zu besteuern, um die Mittel für Investitionen in diesem Haushalt zu steigern, weil die Unternehmen selber diese Investitionen nicht tätigen ‑ sie erfüllen ihre Pflicht nicht, ihre Gewinne realwirtschaftlich wieder anzulegen, sondern zocken damit ‑, dann macht diese Bundesregierung einen Riesenfehler. Wir brauchen in dieser Zeit im Unternehmenssektor wirklich höhere Steuern, damit wir notwendige Investitionen in der Bundesrepublik Deutschland tätigen können.
Sie können Ihren ausgeglichenen Haushalt hundertmal loben: Wenn er gleichzeitig mit Reduzierungen und Griffen in die Sozialkassen verbunden ist, dann ist das nichts wert. Sie haben keinen Mut, das Geld da zu holen, wo es ist, und das bedaure ich sehr.
(Beifall bei der LINKEN)