Lutz Heilmann prangerte die unrühmliche Rolle der Bundesregierung bei der von der EU geplanten Begrenzung der CO2-Emissionen für Neuwagen an. Umweltminister Gabriel spiele den Autominister. Zudem stünden alle nationalen Maßnahmen vor dem Scheitern:
die Reform der Kfz-Steuer ebenso wie die verständliche Kennzeichnung von Pkw. Ein Tempolimit sei mit dieser Regierung ohnehin nicht zu machen. Da Neuwagen zu über 60% Firmenwagen seien, müssen deren steuerliche Begünstigung begrenzt werden.
Sehr geehrte Frau Präsidentin!Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Werte Gäste!
Für Kinder, die in die Schule gehen, ist die Wiederholung die beste Lernmethode. Deshalb noch einmal von mir: Der beste Klimaschutz beim Verkehr ist immer noch die Reduzierung des Individualverkehrs.
(Beifall bei der LINKEN)
Dafür müssen wir den Menschen aber auch einen Anreiz geben. Durch die Verhökerung der Bahn, die die Große Koalition heute durchgezockt hat, wird kein Beitrag dazu geleistet.
(Rita Schwarzelühr-Sutter (SPD): Polemisch! Dr. Andreas Scheuer (CDU/CSU): Mein Gott!)
Die Privatisierung von Verkehrsbetrieben in den Kommunen zeigt deutlich: Da, wo privatisiert wurde, wurden die Linien ausgedünnt und sind die Preise gestiegen.
(Leo Dautzenberg (CDU/CSU): Ihr macht das mit Hammer und Sichel!)
Damit werden Sie viele, die sich kein Auto leisten können, künftig von der Mobilität ausschließen. Ich muss jetzt ganz einfach einmal sagen: Mobilität bedeutet eben nicht nur, frei mit dem Auto irgendwohin fahren zu können. Mobilität ist mehr: Mobilität bedeutet die Teilhabe am gesellschaftlichen Leben. Das sollten Sie sich vielleicht einmal auf die Fahne schreiben.
(Beifall bei der LINKEN)
Diese Mobilität rauben Sie den Menschen mit der Privatisierung der Bahn; denn der Ölpreis wird weiter steigen. Momentan liegt er bei 135 Dollar, bald werden es 200 Dollar sein. Somit steigen auch die Kraftstoffpreise. Sie machen die Mobilität zum Luxusgut. Vielleicht wollen Sie das aber auch, um die Straßen für Ihre Klientel freizuhalten. Die Linke ist strikt gegen eine Privatisierung in diesem Bereich.
(Beifall bei der LINKEN Dr. Andreas Scheuer (CDU/CSU): So ein ausgemachter Blödsinn!)
Wir sehen aber auch, dass das Auto ein wichtiger Verkehrsträger ist. Ich habe lange Zeit im ländlichen Bereich in Mecklenburg-Vorpommern gelebt und weiß, wovon ich rede, da dort nur zweimal am Tag ein Bus vorbeigehuscht kommt. Um den Klimawandel einigermaßen in den Griff zu bekommen, müssen Autos langsamer, leichter, kleiner und damit sparsamer und klimaschonender werden.
(Dr. Andreas Scheuer (CDU/CSU): Doch wieder Trabbi!)
Der vorliegende Entwurf der EU-Verordnung leistet dazu einen Beitrag.
Was aber macht die Bundesregierung? Sie bekämpft die Verordnung. Minister Gabriel spricht von einem Wettbewerbskrieg gegen die deutsche Autoindustrie. Ich muss Ihnen ausdrücklich widersprechen, Kollege Burkert. Damit entlarvt sich der angebliche Klimaschützer Gabriel als Lobbyist der Autoindustrie.
(Martin Burkert (SPD): Unglaublich!)
Wir haben aber zum Glück einen Autokanzler überlebt, und wir werden auch einen Autoumweltminister überleben. Ob es bei Herrn Gabriel für eine zweite Runde reicht, erscheint mir sehr zweifelhaft. Seine Bilanz ist nicht gerade rosig.
Sie führen wieder einmal das Argument an, es würden Arbeitsplätze vernichtet. Die Kollegen Koeppen und Scheuer haben das angesprochen. Meinen Sie, dass die Beschäftigten in der deutschen Autoindustrie nur Modelle wie Touareg oder Cayenne bauen können? Ich denke, sie können genauso gut kleine, effiziente Fahrzeuge bauen. Trauen Sie unseren Arbeiterinnen und Arbeitern ruhig ein bisschen was zu!
(Beifall bei der LINKEN)
Die vorliegende Verordnung muss zumindest in der jetzigen Fassung beibehalten werden. Wir haben zwar eine Menge Kritikpunkte, aber sie darf nicht weiter abgeschwächt und auf das Jahr 2015 verschoben werden. Die Strafen für die Autoindustrie dürfen nicht reduziert werden.
Es gibt aber noch weitere Maßnahmen. Ich will nur drei nennen: erstens das allgemeine Tempolimit auf Autobahnen, zweitens die Kfz-Steuer - wir als Linke sind konsequent und nehmen sämtliche Altfahrzeuge davon aus, um soziale Härten auszuschließen - und drittens eine vernünftige, verbraucherfreundliche Verbrauchskennzeichnung, damit sich der Verbraucher frei entscheiden kann. Insofern ist das Kühlschrankmodell auch in diesem Bereich anzuwenden.
Handelt die Bundesregierung entsprechend? Pustekuchen! Ihr Klimapaket aus dem letzten Jahr verkommt mehr und mehr zu einem Klimapäckchen. Wenn es so weitergeht, fürchte ich, dass demnächst alles auf eine Postkarte passt.
Ich möchte noch eine weitere Maßnahme ansprechen. Die meisten Spritschlucker sind als Firmenwagen unterwegs. Mittlerweile sind 60 Prozent der Neuzulassungen Firmenwagen. Die Kfz-Steuer spielt keine große Rolle mehr; denn alle mit Firmenwagen verbundenen Kosten - auch die Kfz-Steuer - sind steuerlich zu 100 Prozent abzugsfähig. Das müssen wir angehen.
Die steuerliche Abzugsfähigkeit für Firmenwagen muss begrenzt werden. Wir als Linke meinen: Wenn Unternehmen ihre Bosse in Luxuskarossen durch die Gegend schaukeln wollen, dann sollen sie das ruhig tun, aber nicht auf Kosten der Allgemeinheit. Dem muss eine Grenze gesetzt werden. Mein Vorschlag ist, die Abzugsfähigkeit stufenweise auf 80 Prozent zu reduzieren.
Dass in diesem Bereich ein Umsteuern möglich ist, zeigt Großbritannien. Dort wurde das britische Gegenstück zur deutschen Ein-Prozent-Regelung umgestaltet. Der zu versteuernde Anteil richtet sich nun ausschließlich nach dem CO2-Ausstoß. Die Firmenwagen sind in Großbritannien heute klimaschonender als Privatfahrzeuge. So können wir Klimaschutz erreichen, ohne die Bürgerinnen und Bürger zu belasten.
Ich fasse zusammen: Der beste Klimaschutz sind die Reduzierung des Individualverkehrs und die Stärkung des öffentlichen Personennah- und -fernverkehrs. Der Vorschlag der Europäischen Union leistet einen Beitrag zum Klimaschutz. Neben Kfz-Steuer, Tempolimit und verbraucherfreundlicher Kennzeichnung gehört auch die Firmenwagenproblematik auf die Tagesordnung.
Gestatten Sie mir zum Abschluss noch eine Bemerkung zur Fahrbereitschaft des Bundestages. Wir nutzen alle den Fahrdienst und sitzen insofern sozusagen im selben Boot.
Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt:
Herr Kollege, kommen Sie bitte zum Ende.
Lutz Heilmann (DIE LINKE):
Erlauben Sie mir noch einen Gedanken.
Aber wenn die Grünen schon Symbolpolitik machen, dann sollten sie dort anfangen, wo sie es selbst bestimmen können. Unser früherer Kollege Loske - vielen als Verfechter des Klimaschutzes bekannt - fährt als Senator in Bremen einen Dienstwagen, der es auf einen CO2-Ausstoß von stolzen 220 Gramm bringt.
(Christian Carstensen (SPD): Wie war das denn in Berlin? Wie war es in Mecklenburg-Vorpommern?
Dr. Andreas Scheuer (CDU/CSU): So eine Heuchelei! Das ist typisch! Sie sind ja in allen Systemen gut ausgebildet!)
Das ist nicht besonders vorbildlich.
Wenn es um den positiven Spitzenreiter geht, dann sollte man auch erwähnen, welchen Dienstwagen unsere Berliner Umweltsenatorin Katrin Lompscher fährt: Es ist ein Toyota Prius, der mit einem CO2-Ausstoß von 104 Gramm schon heute die Anforderungen der EU erfüllt.
Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit und wünsche noch einen schönen Tag.
(Beifall bei der LINKEN)