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Bundesregierung blendet Umweltprobleme durch Straßenverkehr aus

Rede von Lutz Heilmann,

Anlässlich der Beratung eines Sondergutachtens des Sachverständigenrates für Umweltfragen zu Umwelt und Straßenverkehr (Drucksache 15/5900) wies Lutz Heilmann darauf hin, dass die Verkehrspolitik zu einem Wurmfortsatz der Wirtschaftspolitik verkümmere. Im zuständigen Ministerium finden Probleme wie der Klimawandel und die Verkehrssicherheit keine angemessene Berücksichtigung. Und dies, obwohl der Beitrag des Verkehrs zum Klimawandel deutlich steige und mittlerweile für ein Fünftel der Kohlendioxid-Emissionen verantwortlich sei. Zudem sei die Zahl von fast 6.000 Verkehrstoten und 80.000 Schwerverletzten pro Jahr nicht hinnehmbar.

Frau Präsidentin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Das Gutachten des Sachverständigenrates benennt sämtliche Probleme, die durch den Straßenverkehr entstehen und die zum Teil eine massive Einschränkung der Lebensqualität der Menschen zur Folge haben. Ich appelliere an die Bundesregierung, sich diese Probleme zu Herzen zu nehmen und sich deren Lösung zu einem ureigenen Anliegen zu machen. Die Menschen werden es Ihnen danken. Leider verkümmert die Verkehrspolitik aber immer mehr zu einem Wurmfortsatz der Wirtschaftspolitik. Wichtige Probleme werden im Verkehrsministerium ganz ausgeblendet oder nur halbherzig angegangen. Lassen Sie mich zwei Themen des Gutachtens herausgreifen. Über den Klimawandel wurde in diesem Hohen Haus bereits viel gesprochen. Wo allerdings ist der Beitrag des Straßenverkehrs zur Senkung der Kohlendioxidemissionen? Hier geht es nicht um Peanuts, sondern um immerhin 20 Prozent der deutschen Emissionen. Der leichte Rückgang der letzten Jahre ist mehr auf den Tanktourismus und die hohe Arbeitslosigkeit als auf die Ökosteuer zurückzuführen. Diese wurde gerade nicht in eine Gesamtstrategie mit einer Vielzahl sich ergänzender Maßnahmen eingebettet, was für eine wirksame Vermeidung der Probleme erforderlich wäre, wie der Sachverständigenrat feststellt. Die Liste der Versäumnisse von Rot-Grün ist entsprechend lang. Einige Beispiele: Erstens. Beim Bundesverkehrswegeplan 2003 wird fröhlich dem Verkehrsbedarf hinterhergebaut. Anhaltend hohe CO2-Emissionen werden billigend in Kauf genommen. Zweitens. Die EU-Richtlinie zur Verbrauchskennzeichnung bei PKW wurde so unverständlich wie nur möglich umgesetzt, sodass es so gut wie keine Auswirkung auf die Kaufentscheidung der Bürgerinnen und Bürger für sparsame Fahrzeuge gibt. Drittens. Besonders blamabel für die Grünen ist es, wenn nun ausgerechnet die neue schwarz-rote Regierung die längst überfällige Kfz-Steuerreform durchsetzt und den CO2-Ausstoß als Bemessungsgrundlage einführt. (Beifall bei der LINKEN Winfried Hermann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Das Problem war nicht die Ankündigung, sondern die Durchführung! Angekündigt haben wir das mehrfach!) Werte Kolleginnen und Kollegen, ein erschreckenderweise in der Öffentlichkeit fast völlig vergessenes Problem ist die Verkehrssicherheit. Zu Recht beklagen wir die Opfer von Katastrophen wie kürzlich beim Fährunglück im Roten Meer. Aber ich frage Sie: Wer tut etwas gegen die Umstände, die fast 6 000 Menschen in der Bundesrepublik Deutschland jährlich im Straßenverkehr das Leben kosten? Nicht zu vergessen sind ebenso die 450 000 Verletzten, darunter 80 000 Schwerverletzte, deren Leben teilweise dauerhaft beeinträchtigt wird. So begrüßenswert es auch ist, dass diese Zahlen rückläufig sind: Jeder Verkehrstote ist einer zu viel! Deshalb fordere ich die Bundesregierung auf, sich ein Beispiel an Staaten wie Schweden und der Schweiz zu nehmen, die mit Erfolg das anspruchsvolle Konzept einer Vision Zero verfolgen. Eine solche Vision von null Toten und Schwerverletzten im Straßenverkehr müsste eigentlich eine Selbstverständlichkeit sein. Alle politischen Entscheidungen und bestehenden Gesetze müssen im Hinblick auf den Schutz des menschlichen Lebens geprüft und angepasst werden. (Beifall bei der LINKEN) Auch ein allgemeines Tempolimit von 130 Stundenkilometern, das übrigens ein Beitrag zum Klimaschutz wäre, darf kein Tabu sein, auch wenn es dem einen oder anderen freiheitsliebenden Autofahrer nicht gefällt. Die Regierung beschränkt sich indes darauf, gelassene Elefanten zu plakatieren, und verfolgt ansonsten weiter die Vision eines maximalen Verkehrswachstums. Werte Kolleginnen und Kollegen, das Gutachten des Sachverständigenrates ist eine dankenswerte Anregung. Ich möchte aber nicht verhehlen, dass wir mit den vorgeschlagenen Maßnahmen nicht immer völlig übereinstimmen. Ich begrüße es aber, dass darin wie beispielsweise bei den Vorschlägen zur Entfernungspauschale ausdrücklich auch die sozialen Folgen bedacht wurden. Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit. (Beifall bei der LINKEN) Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner: Auch Ihnen, Herr Kollege Heilmann, wünsche ich zu Ihrer ersten Rede in diesem Hohen Hause politisch und persönlich alles Gute. (Beifall) Das Wort hat der Kollege Winfried Hermann, Bündnis 90/Die Grünen.