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Bundeshaushalt 2011: Verbraucherschutz bleibt auf der Strecke

Rede von Karin Binder,

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen und Herren!

Nur ein Prozent der Mittel des Bundesministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz soll in die direkte Verbraucherpolitik fließen. Mit Blick auf die mangelhafte Anlageberatung bei Banken, Abzocke am Telefon und im Internet, Gift in Kinderspielzeug und zunehmende Probleme mit Verbrauchertäuschung bei Lebensmitteln stellt die Linke fest: Frau Aigner, Ihre Bemühungen sind unzureichend.

(Beifall bei der LINKEN sowie der Abg. Ulrike Höfken (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

Es reicht nicht, die EU-Kommission um die Änderung einer Richtlinie zu bitten. Den Missbrauch von Verbraucherdaten beenden Sie nicht mit der Kündigung der Mitgliedschaft bei Facebook, Schadstoffe in Kinderspielzeug verhindern Sie nicht durch Pressemitteilungen und Sonntagsreden.

Die Schwerpunkte der politischen Arbeit eines Ministeriums zeigen sich normalerweise in der Haushaltsplanung. Der vorliegende Entwurf zeigt dies allerdings nicht. Die Opposition hat bereits im Vorfeld der heutigen Debatte die Missstände im Aigner-Ministerium offengelegt.

Erstens. Der Verbraucherhaushalt ist ideenlos und orientiert sich vor allem an den Interessen der Lebensmittelindustrie.
Zweitens. Die grundlegenden Pflichtaufgaben werden vernachlässigt.
Drittens. Die Verbraucherinnen und Verbraucher bleiben außen vor.

Wieso und warum, das sage ich Ihnen jetzt:
In Artikeln der Wirtschaftspresse wird die Lebensmittelindustrie als Gewinnerin der Krise bezeichnet. Nahrungsmittel werden immer gebraucht, und der Preisdruck deutscher Discounter auf die Hersteller hat dafür gesorgt, dass deutsche Hersteller im Ausland inzwischen verstärkt absetzen können und schon seit 2008 deutliche Zuwächse in ihren Auslandsumsätzen verzeichnen.

(Peter Bleser (CDU/CSU): Wir sind halt gut!)

Diese Krisengewinnler bekommen nun noch Steuergelder oben drauf, um weiter Werbung im Ausland zu machen. Im ministerialen Sprachgebrauch heißt das: Verstärkung der Außenhandelsbeziehungen.

(Peter Bleser (CDU/CSU): Das ist eine wichtige Sache! Das schafft auch Arbeitsplätze! - Georg Schirmbeck (CDU/CSU): Auch kleine Betriebe profitieren davon! Die können alleine nicht werben! Die brauchen eine Bundesorganisation!)

Kleine Betriebe, die Lebensmittel aus der Region vor Ort vermarkten wollen, also die regionale Wirtschaft und Beschäftigung stärken, gehen wieder einmal leer aus. Das ist nicht im Interesse der Verbraucherinnen und Verbraucher.

(Beifall bei der LINKEN - Georg Schirmbeck (CDU/CSU): Aber der Arbeitsplätze!)

Ein weiterer Kritikpunkt: Das Ministerium kommt seiner grundgesetzlichen Pflicht zur Gesundheitsvorsorge nicht nach. Wie das? Durch den Streichungshaushalt der Bundesregierung können im Bundesinstitut für Risikobewertung, BfR, wichtige Aufgaben nicht oder nur unzulänglich wahrgenommen werden.

(Georg Schirmbeck (CDU/CSU): Wer hat Ihnen das denn aufgeschrieben?)

Dort sind mittlerweile 40 Stellen unbesetzt, die aber zur Erfüllung gesetzlicher Pflichtaufgaben dringend erforderlich wären. Obwohl sie vom Bundestag beschlossen sind, werden sie von Frau Aigner nicht freigegeben. Zur Erinnerung: Das BfR hat die gesetzliche Aufgabe, den höchstmöglichen Schutz der Menschen vor gesundheitlichen Gefahren zu gewährleisten. Vor dem Hintergrund globalisierter Märkte, ständig neuer Zusatzstoffe und Chemiecocktails in Lebensmitteln und Verbrauchsgütern, zum Beispiel in Spielzeug, steht das Institut vor enormen Aufgaben. Mit der Umsetzung des europäischen Chemikalienrechts wurden dem BfR zusätzliche Aufgaben übertragen. Während Frau Aigner spart, gelangen immer neue Schadstoffe in die Verkaufsregale. So funktioniert das nicht. Verbraucherschutz sieht anders aus.

(Beifall bei der LINKEN - Hans-Michael Goldmann (FDP): Junge, Junge, Junge!)

Ein weiteres Beispiel. Verbraucherinnen und Verbraucher wünschen sich eine klare Kennzeichnung der Lebensmittel. Die Lebensmittelindustrie hingegen versucht zunehmend, die Menschen zu täuschen. Was ist hier das Rezept der Ministerin? Der sogenannte mündige Verbraucher kann herausfinden, was in den Lebensmitteln ist, indem er es auf der Verpackungsrückseite nachliest. Dort steht es in 1,2 Millimeter kleiner Schrift.

(Georg Schirmbeck (CDU/CSU): Ich habe mir eine neue Brille gekauft! Ich kann das lesen! - Zuruf von der FDP: Haben Sie schon einmal Kaugummi gekauft?)

Frau Aigner, eine klare Kennzeichnung der Nährwerte mit den Ampelfarben haben Sie mit allen Mitteln bekämpft. Warum? Bei vielen Fertigprodukten hätten die Hersteller zugeben müssen, dass sie zu viel Zucker, Fett oder Salz einsetzen. Die Hersteller wären also als Dickmacher der Nation aufgeflogen. Schutz von Verbraucherinnen und Verbrauchern sieht anders aus, Frau Aigner.

Viele Menschen wünschen sich auch eine klare Kennzeichnung zur Gentechnik. Im Jahre 2008 hat das Ministerium das Label „Ohne Gentechnik“ aus dem Hut gezaubert. Trotz einiger Kritik im Detail sage ich: Dies ist eine nachvollziehbare Kennzeichnung. Aber man muss sie auch wollen. Das Label ist jedoch mehr oder weniger unter dem Ladentisch verschwunden.

Das Bio-Siegel zeigt beeindruckend, wie ein solches Label von den Verbraucherinnen und Verbrauchern angenommen wird, wenn man es entsprechend bekannt macht und bewirbt. 90 Prozent der Menschen kennen das Bio-Siegel, aber bisher kennen nur 14 Prozent der Menschen die Kennzeichnung „Ohne Gentechnik“. Das belegt eine aktuelle Untersuchung der Fachhochschule Münster. Es wäre notwendig, hier Mittel in die Hand zu nehmen, Frau Aigner, aber Sie überlassen die Verbraucherinnen und Verbraucher sich selbst. Verbraucherschutz sieht anders aus, Frau Ministerin.

Ich danke Ihnen für die Aufmerksamkeit, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der LINKEN)