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Bundeshaushalt 2006: gleichstellungspolitische Luftnummer

Rede von Karin Binder,

Der Haushalt der Bundesregierung ist aus gleichstellungspolitischer Sicht an Konzeptlosigkeit kaum zu überbieten. Das Elterngeld wird als großer gleichstellungspolitischer Wurf nach skandinavischem Vorbild gefeiert. In Wahrheit ist es eine Skandinavian-Light Version geworden. Denn in Deutschland mangelt es vor allem an Kinderganztagesbetreuung. Im Klartext heißt das: Frauen können häufig nicht in den Beruf zurückkehren. Damit ist die Hausfrauenfalle vorprogrammiert. Auch arbeitsmarktpolitische Programme zur Gleichstellung von Frauen und Männern sucht man vergeblich im Haushalt, so Karin Binder in ihrer Rede anlässlich der Haushaltsdebatte:

Frau Präsidentin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Besucherinnen und Besucher! Was sich bereits in der Planung der Familienministerin gezeigt hat, bestätigt sich nun im Haushalt: Gleichstellungspolitik kommt nicht vor. (Christel Humme (SPD): Ach! Jetzt bin ich aber platt!) Ohne ganztägige Kinderbetreuung keine Vereinbarkeit von Familie und Beruf, ohne Erwerbstätigkeit und eigenes Einkommen keine Existenzsicherung, keine Chancengleichheit und keine Gleichstellung der Geschlechter. (Zuruf von der CDU/CSU: Wie früher in der DDR!) Zusammen mit dem Einzelplan 17 diskutieren wir heute über die Einführung eines Elterngeldes. Dies ist aus gleichstellungspolitischer Sicht lange überfällig. Das Elterngeld soll insbesondere Frauen nach der Geburt eines Kindes finanzielle Unabhängigkeit und eine möglichst rasche Rückkehr in das Berufsleben gewährleisten. Zwei so genannte Vätermonate sind jedoch nur ein kleiner Beitrag. Es ist noch viel zu tun in Sachen gleiche Teilhabe an Familien- und Erwerbsarbeit für Männer und Frauen. (Beifall bei der LINKEN) Die Koalition feiert das Elterngeld als großen gleichstellungspolitischen Wurf nach skandinavischem Vorbild. Leider ist es eine Skandinavian-light-Version geworden; denn in Schweden gibt es im Gegensatz zu Deutschland ausreichend Kinderbetreuungsplätze. Wir fordern eine flächendeckende, ganztägige und beitragsfreie Kinderbetreuung, und zwar für Kinder von null bis 16 Jahren. (Jochen-Konrad Fromme (CDU/CSU): Wer soll das bezahlen?) Genau die Frage habe ich erwartet. (Jochen-Konrad Fromme (CDU/CSU): Das ist ja schön! Dann kriegen wir jetzt eine Antwort!) Gemäß einer Studie des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung von 2002 sie ist heute immer noch gültig führt eine flächendeckende Kinderbetreuung zu Mehreinnahmen, und zwar auch bei den Kommunen. Wenn Mütter leichter und schneller in ihren Beruf zurückkehren können, hat das positive Effekte für die Wirtschaft, für das Steueraufkommen und bedeutet Mehreinnahmen für die Sozialversicherungen. Zurück zum Elterngeld. Frau Ministerin, Sie wollen die finanzielle Achterbahnfahrt, die die Geburt eines Kindes für die Eltern mit sich bringt, bremsen. Für ein Drittel aller Familien mein Kollege Jörn Wunderlich hat das bereits ausgeführt beginnt aufgrund Ihrer Konzeption des Elterngeldes die finanzielle Talfahrt aber nun erst richtig. Deshalb ist das Konzept für uns nicht tragbar. (Beifall bei der LINKEN) Nun zur Gleichstellung der Geschlechter auf dem Arbeitsmarkt. Die Europäische Kommission fordert die Mitgliedstaaten seit langem auf, diese durch eigene Aktivitäten zu fördern. Ebenso verpflichtet uns der Art. 3 Abs. 2 unseres Grundgesetzes dazu. Doch im Haushalt sucht man vergebens nach entsprechenden Maßnahmen. Im Gegenteil: Die Bundesregierung hält sogar an Gesetzen fest, die sich nach ihrer eigenen Evaluation negativ auf Frauen auswirken. Sie verschärft sie sogar noch. Beispiel Hartz-Gesetze: Mit dem so genannten Fortentwicklungsgesetz entwickeln wir uns auf keinen Fall fort. Frauen sind die Verliererinnen der derzeitigen Politik, insbesondere dieser Hartz-Reformen. Deshalb setzt sich die Linke für eine bedarfsorientierte soziale Grundsicherung als Individualanspruch für Frauen und Männer ein. (Beifall bei der LINKEN) Durch die Hartz-Gesetzgebung wurde ein staatlich subventionierter Niedriglohnsektor geschaffen das bedeutet Kosten für den Staat mit einem hohen Anreiz für Unternehmen zur Schaffung weiterer prekärer Beschäftigungsverhältnisse. Auch hier sind die Hauptbetroffenen Frauen. Dagegen hilft nur eines: die Einführung eines Existenz sichernden gesetzlichen Mindestlohns. Von der Einführung eines solchen Mindestlohns würden vor allem Frauen profitieren, weil mehr als zwei Drittel der Beschäftigten in den Niedriglohnbereichen weiblich sind. Dass dies zur weiteren Entlastung des Haushaltes beitragen könnte, brauche ich wohl nicht näher zu erläutern. Die einzige Maßnahme der Bundesregierung, Lohndiskriminierung von Frauen einzudämmen, erstreckt sich auf ein Faltblättle. Damit bekämpft man Lohndiskriminierung nicht. Gleichstellungspolitik ist eine staatliche Querschnittsaufgabe, die sich durch alle Politikfelder zieht und daher auch durch den gesamten Haushalt ziehen müsste. In diesem Haushalt kommt Gleichstellungspolitik jedoch so gut wie nicht vor. Ich bedanke mich. (Beifall bei der LINKEN)