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Bürgerinnen und Bürger wollen zurecht mitreden

Rede von Sabine Stüber,

Die Bundesregierung enthält den Bürgerinnen und Bürgern ihr Recht auf mehr Mitsprache bei Großprojekten vor. Auch das EU-verbriefte Recht der Klagemöglichkeit für Umweltverbände wird in Deutschland nicht ausreichend umgesetzt. Das soll sich ändern

Rede zu Protokoll in der Plenarsitzung vom 15.12.2011

zum TOP: 23 Gegenstand: Antrag BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Gesetzes über ergänzende Vorschriften zu Rechtsbehelfen nach der EG Richtlinie 2003/35EG (Umwelt-Rechtsbehelfsgesetz)
Drucksache: 17/7888

Frau/Herr PräsidentIn,
sehr verehrte Kolleginnen und Kollegen,

ich weiß nicht, was Ihnen zuerst einfällt, wenn Sie beispielsweise an Gorleben, an Stuttgart 21 oder an den Großflughafen Berlin-Schönefeld denken? Die Reihe der Beispiele ließe sich fortführen – mir fallen da als erstes die Bürgerproteste ein. Oft handelt es sich dabei um überregionale Großvorhaben, die sehr viel Geld kosten, meistens die volle Unterstützung der jeweilige Landesregierung haben und häufig auch von Bundesinteresse sind. In der Bevölkerung sind sie dagegen oft umstritten, denn trotz langer Planungsverfahren haben die Menschen vor Ort dabei nicht wirklich viel zu sagen.

Deshalb gehen Bürgerinnen und Bürger immer öfter auf die Straße, um gegen so riesige Vorhaben, die ihr Umfeld und ihre Umwelt, also ihr Leben, ihren Alltag verändern werden, zu protestieren. Und es sind keine Wutbürgerinnen und Wutbürger, wie sie so gerne etwas abfällig genannt werden. Nein das sind Menschen, die wissen wollen: Was…, warum…, wann und auch wie!

In unserem Land wird viel über die Beteiligung der Öffentlichkeit gesprochen. In Genehmigungsverfahren für Vorhaben mit Umweltauswirkungen ist sie sogar gesetzlich vorgeschrieben. Aber so, wie das bisher in Deutschland abläuft, funktioniert das nicht. Der Öffentlichkeit und den Umweltverbänden werden die bereits fertigen Planungen vorgelegt. Dann bleiben einige Wochen Zeit, um alles zu begutachten und gegebenenfalls Kritikpunkte einzubringen. Ein Beispiel ist der Ausbau des Flughafens Berlin-Schönefeld. Hier wurden den Bürgerinnen, Bürgern und Umweltverbänden 37 prall gefüllte Aktenordner mit Planungsunterlagen auf den Tisch gestellt. Eine Begutachtung in den gesetzten Fristen war daher fast aussichtslos. Bei dieser Art öffentlicher Beteiligung ist der Gang vor Gericht praktisch vorprogrammiert. Klagen durfte aber lange Zeit nur, wer sich direkt in seinen Persönlichkeitsrechten eingeschränkt sah.

Mehr öffentliche Beteiligung zur Teilhabe und Mitgestaltung der Gesellschaft, das stand in der EU schon 2005 auf der Tagesordnung. Nach europäischen Recht ist seitdem nicht nur eine umfassende und frühzeitige Information der Öffentlichkeit bei Großvorhaben Pflicht, sondern es kann auch eine umfassende gerichtliche Kontrolle der Genehmigungen von Umweltverbänden eingeklagt werden.

Auch wenn die Bundesregierung immer so tut, als hätte sie die Beteiligung der Zivilgesellschaft erfunden, hinkt sie jedoch dem EU-Recht hinterher. Umweltverbände dürfen in Deutschland zwar gegen die Verletzung von Vorschriften zum Schutz der Bevölkerung klagen, aber immer noch nicht zum Schutz der Natur selber.

Ein armes Land wie Ecuador dagegen, hat den Schutz der Natur in die Verfassung aufgenommen. Dort ist festgelegt, dass die Bevölkerung in einer „gesunden und ökologisch ausgeglichenen Umwelt“ leben soll, zudem wird der Schutz und Erhalt der Umwelt als „öffentliches Interesse“ anerkannt. Und wir in unserem reichen Deutschland haben es nicht einmal in sechs Jahren geschafft, die EU-Richtlinie in nationales Recht umzusetzen. Der Europäische Gerichtshof hat jetzt den Umweltverbänden recht gegeben. Auch Deutschland muss die gerichtliche Prüfung der Genehmigung von Großvorhaben auf ihre Naturverträglichkeit zulassen.

Genau das will der Antrag von BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN, mit dem ach so sperrigen Titel, „Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Gesetzes über ergänzende Vorschriften zu Rechtsbehelfen nach der EG Richtlinie 2003/35EG (Umwelt-Rechtsbehelfsgesetz)“, erreichen. Das unterstützen wir als DIE LINKE aus vollem Herzen.