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Bürgergeld bringt Verbesserungen, überwindet aber Hartz IV nicht

Rede von Jessica Tatti,

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Minister Heil, eines muss man Ihnen lassen: Das ist das erste Gesetz zur Änderung von Hartz IV, das nicht alles noch schlimmer macht, sondern einige Verbesserungen auf den Weg bringt.

(Beifall bei der LINKEN)

Dass alle Leute, die neu Leistungen beziehen, eine zweijährige Karenzzeit haben, in der die Kosten für Wohnung und Heizung voll übernommen werden, das unterstützen wir.

(Beifall bei der LINKEN)

Das hilft aber all denen nicht, die jetzt schon in Hartz IV sind und die aus dem Regelsatz Monat für Monat bei den Mietkosten draufzahlen müssen – eines der größten Probleme in Hartz IV. Diese Menschen lassen Sie weiter im Regen stehen. Das müssen Sie jetzt ändern.

(Beifall bei der LINKEN)

Gut ist, dass Schüler, Auszubildende und Studenten zukünftig mehr vom selbstverdienten Geld behalten dürfen. Endlich setzen Sie damit die langjährige Forderung von Sozialverbänden, Betroffenen und auch der Linken um.

(Beifall bei der LINKEN)

Aber dieses Gesetz ist keine Überwindung von Hartz IV, wie es hier permanent behauptet wird.

(Beifall bei der LINKEN)

Eine Überwindung von Hartz IV würde zwingend mindestens drei Dinge erfordern: eine Geldleistung, die für ein bescheidenes, aber angstfreies Leben ausreicht, das Recht auf Aus- und Weiterbildung, um damit wieder am ersten Arbeitsmarkt Fuß fassen zu können, und den Ausbau des sozialen Arbeitsmarkts für diejenigen, die ohne ihn keine Arbeit finden können.

(Beifall bei der LINKEN)

Passiert das mit Ihrem Gesetz? Sorgen die 50 Euro mehr für ein angstfreies Leben? Nein! Sie fummeln einfach so lange am Regelsatz herum, bis das rauskommt, was der Minister wollte.

(Beifall bei Abgeordneten der LINKEN – Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: So ist es leider!)

Das ist keine echte Erhöhung des Regelsatzes, sondern ein reiner Inflationsausgleich. Der ist absolut notwendig, aber damit kommen Sie bestenfalls Ihrer Pflicht nach, dass die Leute noch Essen kaufen können, dass ihnen der Strom nicht abgedreht wird und dass sie im Winter nicht in einer dunklen Wohnung sitzen müssen. Reichen 50 Euro mehr? Die Wahrheit ist: Die Leute bleiben genauso arm wie vorher. Denn das, was Sie nicht angehen, ist das jahrelange Kleintricksen der Regelsätze. Die Leute standen doch schon vor den krassen Preissteigerungen mit dem Rücken zur Wand. Deshalb fordern wir Sie auf: Berechnen Sie die Regelsätze binnen eines Jahres neu!

(Beifall bei der LINKEN)

Beteiligen Sie die Betroffenen! Beteiligen Sie die Arbeitsloseninitiativen, die Wohlfahrtsverbände und die Tarifpartner! Und bis das passiert ist, braucht es einen Zuschlag. Wir sagen: monatlich 200 Euro mehr – gegen die Inflation, gegen Armut und soziale Notlagen.

(Beifall bei der LINKEN)

Jetzt zur Weiterbildung von Menschen in Hartz IV. Sie reden ja sehr viel darüber, vor allem, wie unfassbar wichtig Ihnen das sei. Und was machen Sie dann? Sie kürzen eiskalt die Mittel dafür im Bundeshaushalt. Was nutzen all Ihre schönen Worte, wenn es kein Geld für die Umsetzung gibt?

(Beifall bei der LINKEN)

Menschen in Hartz IV nehmen am allerwenigsten an Weiterbildungen teil. Das wissen Sie, und trotzdem kürzen Sie einfach immer weiter.

Wenn wir schon beim Kürzen sind: Alle in der Ampel reden so stolz vom sozialen Arbeitsmarkt, wie unverzichtbar, wie erfolgreich und wie großartig er doch sei.

(Dagmar Schmidt [Wetzlar] [SPD]: Ja! Zu Recht!)

Und das stimmt auch. Die geförderten Arbeitsplätze bringen Menschen in Lohn und Brot: mit Arbeitgeber, mit Arbeitsvertrag und mit selbstverdientem Geld. Sie wollen den sozialen Arbeitsmarkt mit diesem Gesetz auf Dauer fortführen. Super Sache, wir unterstützen das. Bloß blöd, dass auch dafür real fast keine Mittel mehr im Haushalt sind und Sie den sozialen Arbeitsmarkt de facto kaputtsparen. Korrigieren Sie das! Ansonsten ist das die größte Verarsche – sorry, Frau Präsidentin – auf dem Rücken von Langzeitarbeitslosen.

(Beifall bei der LINKEN)

Herr Minister, dann müssen Sie auch den Schneid haben. Sagen Sie hier klipp und klar, dass Langzeitarbeitslose keine Priorität mehr für diese Bundesregierung haben! Wir fordern 150 000 Jobs im sozialen Arbeitsmarkt und die Finanzmittel, die dafür notwendig sind.

(Beifall bei der LINKEN)

Es sind im Übrigen die 150 000 Jobs, die Sie in der letzten Legislatur versprochen haben, Minister Heil.

Unterm Strich: Mit diesem Gesetzentwurf bleiben die Betroffenen so arm und genauso im Abseits wie zuvor. Minister Heil, damit bleibt Ihr Bürgergeld nach wie vor Hartz IV.

(Beifall bei der LINKEN)