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Brigitte Freihold: Koloniales Unrecht aufarbeiten

Rede von Brigitte Freihold,

Sehr verehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Die Linke begrüßt die Bemühungen von Bündnis 90/Die Grünen und der FDP. Wir sehen in der Aufarbeitung des deutschen kolonialen Unrechts eine gesamtgesellschaftliche, über die Restitution des geraubten Sammlungsgutes hinausgehende Aufgabe, die effiziente Instrumente der Aufarbeitung benötigt.

(Beifall bei der LINKEN)

So fordern wir die Einrichtung einer unabhängigen Bundesstiftung, die sich der Aufarbeitung des Kolonialismus und seinen Nachwirkungen widmet, weshalb die Teilhabe der Nachkommen unabdingbar ist.

(Beifall bei der LINKEN)

Der Stiftungsrat muss mindestens paritätisch mit internationalen Expertinnen und Experten und Nachkommen der Kolonisierten besetzt werden. Darüber hinaus muss ein unabhängiges Forschungsinstitut mit der Aufarbeitung des Kolonialismus beauftragt werden.

Restitution ist die Konsequenz von Verbrechen und muss deshalb verrechtlicht werden. Wir brauchen ein umfassendes Restitutionsgesetz mit verbindlichen Regeln für Museen und auch für private Sammler.

(Beifall bei der LINKEN)

Eine „Unabhängige Kommission“ ist nötig, die ähnlich der „Beratenden Kommission“ bei NS-Raubgut, bei Streit- und Verdachtsfällen als Mediationsstelle fungiert. Bis heute haben nicht alle Museen und Einrichtungen mit der Inventarisierung und Digitalisierung ihrer Bestände begonnen – auch eine Folge davon, dass die Bundesregierung in der Vergangenheit aktiv vor Provenienzrecherchen gewarnt hat, wie bei der Anhörung am 3. April 2019 deutlich wurde. Die BKM bewegt sich lieber auf dem roten Teppich als bei dem Thema „Rückgabe, Entschädigung und Entschuldigung für das deutsche Kolonialunrecht“. In unserem weiteren Antrag auf Bundestagsdrucksache 19/9340 fordern wir deshalb eine Beweislastumkehr: Gutgläubiger Erwerb muss grundsätzlich ausgeschlossen werden, wenn rechtmäßiger Erwerb oder Besitz oder rechtmäßiges Eigentum nicht lückenlos und zweifelsfrei nachweisbar sind.

(Beifall bei der LINKEN)

Der Kulturgüterraub, der von europäischen Staaten, darunter Deutschland, begangen wurde, war durch kolonialrassistische Zuschreibungen und Stereotype legitimiert, die bis heute nachwirken. Der gewaltsame Tod von Oury Jalloh im Dessauer Polizeigewahrsam steht symbolisch für die Leerstellen fehlender Aufarbeitung. Auch deshalb wollen wir den Begriff „Rasse“ aus Artikel 3 des Grundgesetzes streichen.

Das Unrechtssystem der Kolonialherrschaft hat die kolonisierten Gesellschaften und unsere Gesellschaft tiefgreifend geprägt und deformiert. Anhaltender Rassismus und mangelnde erinnerungspolitische Aufarbeitung in der Bildung sind die Folge. Sensibilisierung für Rassismus in allen Ausprägungen muss verpflichtend in der Aus- und Fortbildung der Polizei werden. Die Aufarbeitung des deutschen Kolonialismus und seiner Kontinuitäten muss angemessen in der bildungspolitischen Gedenkstättenarbeit berücksichtigt werden.

(Beifall bei der LINKEN)

Nachkommen der Versklavten und Kolonisierten müssen als Partner/-innen der Gedenkstättenarbeit gestärkt werden. Schließlich müssen ein zentrales Mahnmal sowie weitere dezentrale Gedenkstätten für die Opfer von Kolonialismus, Versklavung und Rassismus als Lernorte errichtet werden.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der LINKEN)