Zum Hauptinhalt springen

Brigitte Freihold: Beratende Kommission u. Rückgabe von NS-Raubkunst gesetzlich verankern

Rede von Brigitte Freihold,

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Die Beratende Kommission steht international seit Jahren in der Kritik. Das Deutsche Zentrum Kulturgutverluste entscheidet einerseits über die Zulässigkeit von Anträgen auf Schlichtung vor der Kommission, andererseits über Förderung der Provenienzforschung. Während einer Anhörung im Kulturausschuss mahnte Dr. Peresztegi von der Commission for Art Recovery an, die Kommission transparent und effektiv zu gestalten, damit sich die Opfer von NS-Raubkunst und ihre Erben an sie wenden können.

Davon erfahren wir im Antrag der Koalition nichts. Vielmehr wird versucht, den bisherigen Status quo zu legitimieren und die massive Kritik der Überlebenden der NS-Verfolgung zu marginalisieren.

Bei rund 2 800 Werken aus Reichsbesitz im Kunstbestand des Bundes wird vermutet, dass sie NS-verfolgungsbedingt entzogen wurden. In den 15 Jahren ihres Bestehens wurde die Beratende Kommission jedoch nur fünfzehnmal angerufen – für die Bundesregierung ein vermeintlicher Beleg für die große Bereitschaft für faire Lösungen ohne ihre Vermittlung. Bemerkenswert hierbei: Mit der Untersuchung der Provenienz von Kulturobjekten des Bundes aus ehemaligem Reichsbesitz sind nur 2,8 Stellen befasst.

Die Beschlussfassung der Beratenden Kommission soll für die Berechtigten bindend sein, deren Entscheidungen sind jedoch unverbindlich und nicht anfechtbar. Rechtsnormen, insbesondere jüngste Rechtsentwicklungen im internationalen Kulturgüterschutz- und Kunstrestitutionsrecht, werden von der Beratenden Kommission nicht als verbindliche Entscheidungsgrundlage anerkannt. Deshalb begrüßen wir auch den Vorstoß der FDP-Fraktion, die Arbeit der Kommission strukturell zu sanieren.

Unsere Vorschläge zur Schaffung einer Unabhängigen Kommission für die Restitution von kolonialem Raubgut beinhalten jedoch eine gleichzeitige und gleichwertige Lösung für die Opfer des deutschen Kolonialunrechts und eine gesetzliche Regelung der Restitution von Kulturgut aus kolonialem Unrecht.

Das Nürnberger Tribunal gegen die Hauptkriegsverbrecher bewertete den systematischen Kunstraub auch als Verbrechen gegen die Menschlichkeit. Entschädigung bzw. Rückgabe an die ursprünglichen Eigentümer stellen somit keinesfalls nur eine ethisch-moralische Selbstverpflichtung der Bundesrepublik dar.

Meine Damen und Herren der Regierungskoalition, Ihr Antrag strotzt vor unverbindlichen Appellen. Sie leben in einer Parallelwelt, in der die rechtliche Verantwortung der Bundesrepublik für den im NS staatlich organisierten Kunst- und Kulturraub nicht existiert. Sie sind keine Aufarbeitungsweltmeister, sondern verschleppen die Rückgabe.

Erst 13 Jahre nach Errichtung der Beratenden Kommission wurde deren Verfahrensordnung veröffentlicht. Das trug bislang nicht dazu bei, Verfahren vor der Kommission gemäß den Washingtoner Prinzipien als gerecht und fair zu legitimieren. Aufgrund fehlender gemeinsamer Standards ist den Akteuren, Museen, Kunsthändlern und Sammlern, das jeweils anzuwendende Verfahren oft nicht klar. Wir fordern in einem gesonderten Antrag auf Bundestagsdrucksache 19/8273 eine Beweislastumkehr: Wer den rechtmäßigen Besitz nicht lückenlos nachweisen kann, soll gesetzlich zur Rückgabe verpflichtet werden.

(Beifall bei der LINKEN)

In unserem hier vorgelegten Antrag fordern wir folgerichtig eine gesetzliche Grundlage für die Vermittlungstätigkeit der Beratenden Kommission bei der Rückerstattung von NS-Raubkunst auch für Private im Einklang mit Artikel 14 Absatz 3 des Grundgesetzes. Darüber hinaus sind umfassende Maßnahmen für die kulturelle und historische Bildung nötig, um die Wertschätzung von geraubten Kunstwerken und anderen Kulturgütern als Symbole und Beweise des jüdischen kulturellen Lebens und Erbes in Europa zu fördern.

Eine gesetzliche Regelung der Rückgabe könnte auch den Raub von Kulturgütern und den illegalen Handel eindämmen.

Dem Antrag der Koalition können wir aus genannten Gründen nicht zustimmen.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der LINKEN)