Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen!
Der Antrag der Großen Koalition beschreibt viele Maßnahmen, die dazu führen sollen, dass bis 2018 eine flächendeckende Breitbandversorgung von mindestens 50 Megabit die Sekunde gewährleistet wird. Das ist – das haben wir hier gehört – ein durchaus ambitioniertes Ziel. Aber in puncto Breitbandausbau sind ambitionierte Ziele nichts Neues.
(Tabea Rößner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das stimmt!)
Doch selten wurden sie erreicht. Ob sie dieses Mal erreicht werden, darf durchaus bezweifelt werden; denn ohne Geld in die Hand zu nehmen, wird das nicht funktionieren.
(Beifall bei der LINKEN)
Der Antrag enthält einige Vorhaben, die wir begrüßen. Wir begrüßen, dass Sie die Netzneutralität gesetzlich verankern wollen. Die Debatte auf europäischer Ebene ist bereits an diesem Punkt angelangt. Aber es könnte problematisch werden, dass die Netzneutralität nicht durch eine, wie Sie schreiben, „Vielzahl von Managed Services“ eingeschränkt werden darf. Hier muss man nämlich aufpassen, dass dies die Netzneutralität nicht gleichzeitig wieder unterhöhlt. Es ist völlig unstreitig, dass zeitkritische Dienste wie zum Beispiel Videotelefonie eine gewisse Bevorzugung benötigen, um zu funktionieren. Wenn aber Anbieter von Diensten anfangen, Geld an Provider zu bezahlen, um in irgendeiner Form besser behandelt zu werden, zum Beispiel indem ihre Daten schneller durchgeleitet werden, dann hat das mit Netzneutralität nichts mehr zu tun.
(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Wir begrüßen weiterhin, dass Sie endlich die Störerhaftung bei Betreibern offener WLANs abschaffen wollen. Praktischerweise haben wir in der letzten Legislaturperiode auf Basis eines Vorschlages der Digitalen Gesellschaft einen Gesetzentwurf eingebracht, der dieses Problem sehr elegant lösen würde. Den können Sie einfach übernehmen.
(Beifall bei der LINKEN)
Doch Ihr Antrag bringt auch Probleme mit sich und wirft einige Fragen auf. Sie erkennen richtig – das ist schon mehrfach gesagt worden –, dass das Gefälle zwischen Stadt und Land eines der größten Probleme ist. Was den Leuten auf dem Land teilweise zugemutet wird, ist haarsträubend. Kürzlich wandte sich eine junge Familie aus Woltersdorf bei Berlin an mich. Sie hatte sich dort gerade ein Haus gekauft und wollte nun auch einen schnellen Internetanschluss haben. Nun bestand aber das Problem, dass das Haus nicht mit dem DSL-Netz verbunden war. Allerdings wird es mit Kabelfernsehen versorgt, worüber eine Internetverbindung möglich ist. So einfach, wie gedacht, ist es aber nicht. Denn der zuständige Kabelbetreiber vertreibt in Woltersdorf nur eine bestimmte Anzahl von Anschlüssen. Sie können sich vorstellen, dass diese schon alle vergeben sind. Das soll vorkommen. Das heißt also, obwohl die notwendige Infrastruktur vorhanden ist, wird der Familie, aus welchen Gründen auch immer, verwehrt, einen Internetanschluss nutzen zu können. Das ist ein wenig absurd. Denn der Familie bleiben jetzt nur wenige Möglichkeiten: entweder wie zu DDR-Zeiten auf ein Auto jetzt auf einen Internetanschluss zu warten, mit hoher Eigenbeteiligung das Haus an das DSL-Netz anschließen zu lassen oder auf Funk- und Satellitenverbindung zu setzen, die teuer sind.
Das bringt uns gleich zum nächsten Problem. Um das Ziel eines flächendeckenden Breitbandinternets bis 2018 zu realisieren, schlagen Sie einen Technologiemix aus kabelgebundener Technologie, Funk- und Satellitentechnologie vor. Nun sind wir uns hoffentlich einig, dass Funktechnologien einen DSL-Anschluss nicht ersetzen können. Das hat mehrere Gründe. Funktechnologien sind deutlich anfälliger für Fehler, und die Übertragungsleistung ist schwankend. Sie sind für den Endverbraucher vor allem teurer und bieten deutlich weniger Leistung.Während es bei Festnetzanschlüssen im Großen und Ganzen noch echte Flatrates gibt, sind bei Mobilfunkverträgen Datenvolumengrenzen schon längst gang und gäbe. Wir reden hier aber nicht von Grenzen von 300 Gigabyte im Monat; wir reden von Grenzen von 10 Gigabyte im Monat. Für die alltägliche Nutzung ist das kaum brauchbar, und das im Übrigen zu Preisen jenseits von VDSL-Verträgen. Auf Dauer ist das den Endverbrauchern kaum zuzumuten.
(Beifall bei der LINKEN)
Hier schließt sich auch der Kreis zur Netzneutralität. Sie ist nämlich im Mobilfunkbereich schon längst passé. Es gibt keine echten Flatrates; es gibt eine Vielzahl von Managed Services. Wer also ein neutrales Netz will, muss entweder die Netzneutralität im Mobilfunkbereich wiederherstellen oder auf Mobilfunk als Ersatz für kabelbasiertes Internet verzichten.
Vizepräsidentin Ulla Schmidt:Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Thomas Jarzombek von der CDU/CSU?
Halina Wawzyniak (DIE LINKE): Nein, heute ausnahmsweise nicht. Ich bin nämlich gleich fertig.
Ich hätte mir von Ihnen im Übrigen auch eine deutlich solidere Finanzierung und auch ein paar innovative Ideen gewünscht. Wie wäre es beispielsweise mit Ideen wie einer Commons-basierten Förderung? Darüber sollten Sie einmal nachdenken. Ich könnte dem sehr viel abgewinnen. Letztendlich muss ich aber sagen: Sie setzen nur das fort, was in Ihrem Koalitionsvertrag steht. Sie haben hohe Ziele, aber selber finanzieren wollen Sie sie nicht. So wird es mit dem flächendeckenden Breitbandausbau nicht klappen. Sie müssen irgendwann realisieren, dass ein Breitbandanschluss zur Daseinsvorsorge gehört und jedem zur Verfügung gestellt werden muss.
(Beifall bei der LINKEN – Martin Dörmann [SPD]: Das ist ja unser Ziel!)