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Birke Bull-Bischoff: Mangelwirtschaft in der Bildung beenden, Krise bewältigen

Rede von Birke Bull-Bischoff,

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Frau Präsidentin! SOS kommt aus allen Klassenzimmern und auf allen Kanälen. Wissen Sie, was das größte Problem dabei ist? Es ist schlicht und ergreifend die Mangelwirtschaft an so vielen Schulen, die Schülerinnen und Schülern, Lehrkräften und Eltern das Leben extrem schwer macht.

(Beifall bei der LINKEN)

Es ist der Mangel an Personal. Genau das ist ja der Hintergrund, weshalb sich so gegen die Teilung von Klassen gestemmt wird. Es ist der Mangel an vernünftig ausgestatteten Schulen: Toiletten gehen nicht, Fenster sind seit vielen Monaten nicht zu öffnen, Griffe fehlen. Und es ist der Mangel an notwendigem Material. Das beginnt bei mobilen Lüftungsgeräten. Nur fest installierte werden gefördert, und das sind auch nur 14 an der Zahl – und das bei circa 32 000 Schulen. Das ist der Hintergrund, vor dem Präsenz- und Fernunterricht momentan nur selten gehen. Es ist der unsägliche Mangel an Computern, an leistungsfähigem Internet, an bezahlbaren Tarifen für alle Kinder.

(Beifall bei der LINKEN sowie der Abg. Margit Stumpp [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Es sind die jahrelangen Sparorgien, die uns in genau diese Mangelwirtschaft geführt haben. Ich kann mich ganz persönlich gut an die Auseinandersetzungen erinnern – damals war ich noch bildungspolitische Sprecherin –, die wir zum Beispiel im Landtag von Sachsen-Anhalt mit einem SPD-Finanzminister – ich kann Ihnen das leider nicht ersparen – um jede einzelne Lehrerstelle führen mussten.

Was muss getan werden? Zum einen muss die Mangelwirtschaft beendet werden.

(Beifall bei der LINKEN)

Das beginnt bei der Förderung von mobilen Geräten für die Lüftung vor allem an Schulen. Zum anderen, liebe Kolleginnen und Kollegen, schreiben Sie endlich ins Sozialgesetzbuch: „Kinder haben das Recht, durch das Bildungs- und Teilhabepaket einen Computer und Bildungstarife zu bekommen“!

(Beifall bei der LINKEN)

Und investieren Sie endlich mehr in Schule und Kita! Wir haben einen riesigen Investitionsstau.

(Beifall bei der LINKEN sowie der Abg. Margit Stumpp [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Heute Morgen ging über den Ticker: Beim soundsovielten Autogipfel – ich kann die gar nicht mehr zählen – wurden jetzt insgesamt 5 Milliarden Euro lockergemacht. Meine Damen und Herren, das ist die falsche Schwerpunktsetzung.

(Beifall bei der LINKEN sowie der Abg. Margit Stumpp [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Liebe Kolleginnen und Kollegen, nicht die Abschlüsse sind jetzt das Wichtigste, nicht das Sammeln von Tests, von Zensuren, sondern die kreative Suche nach neuen Lernformen und Lernräumen. In meinem Bekanntenkreis erlebe ich gerade hautnah die Ängste einer 14-Jährigen. Ihr Vater ist positiv getestet; sie muss zu Hause in Quarantäne bleiben. Und ihre eigentliche Sorge ist jetzt: Sie muss, wenn sie in die Schule zurückkehrt, vier Klassenarbeiten, vier Tests schreiben. Meine Damen und Herren, eine solche Debatte ist eine Bildungsbremse pur; sie ist absurd.

(Beifall bei der LINKEN)

Auf diese Weise treiben wir Schülerinnen und Schülern die Lust am Lernen aus, und Lust ist bekanntlich die stärkste Motivation.

Frau Bundeskanzlerin, berufen Sie schnell die Bildungs- und Kultusministerrunde ein! Nach dem soundsovielten Autogipfel wäre jetzt mal ein Bildungsgipfel dran. Ich gehe jede Wette ein: Die Ministerinnen und Minister gerieten in Erklärungsnot angesichts des öffentlichen Drucks, wenn sie dieser Einladung nicht folgen würden und vielleicht noch einen Streit über die Zuständigkeit vom Zaun brächen.

(Tankred Schipanski [CDU/CSU]: Oijoijoi! Sie werden doch nicht in die Verfassung geschaut haben, Frau Kollegin!)

Es muss was getan werden, und zwar schnell; denn über die Überschrift „Bildungsland“ lachen die Leute, liebe Kolleginnen und Kollegen, und zwar nicht aus lauter Freude, sondern weil sie seit Langem frustriert sind.

(Beifall bei der LINKEN – Tankred Schipanski [CDU/CSU]: In Thüringen tragen Sie Verantwortung für die Miss- und Mangelwirtschaft in den Schulen!)