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Birke Bull-Bischoff, LINKE: Anerkennung beruflicher Erfahrung erleichtern

Rede von Birke Bull-Bischoff,

Sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! In diesen Zeiten ist mir zunächst eine grundsätzliche Bemerkung sehr wichtig: Menschen, die nach Deutschland kommen, haben in ihrer allergrößten Mehrheit den Wunsch, sich hier in unsere Gesellschaft einzubringen; sie bringen berufliche Erfahrungen mit, und sie wollen ihr Einkommen selbst finanzieren, im Idealfall mit sozialversicherungspflichtiger Beschäftigung.

(Beifall bei der LINKEN)

Und deshalb werden wir jeden Schritt unterstützen, der dazu beiträgt, durch die Anerkennung beruflicher Erfahrungen den Zugang zum Arbeitsmarkt zu verbessern.

(Beifall bei der LINKEN)

Mir ist aber auch ein Blick über den Tellerrand des Gesetzes wichtig. Zum Ersten: Die Anerkennung ist gewissermaßen ein Werkzeug auf dem Weg in eine angemessene Beschäftigung von Menschen, die zu uns kommen wollen. Sie schafft Rechtssicherheit, Orientierung für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, für Unternehmen, und sie sichert fachliche Augenhöhe innerhalb der Arbeitnehmerschaft. Aber das alles ist nur für diejenigen möglich, die hier erwünscht sind, die kommen dürfen, wohlgemerkt. Und es ist kein Geheimnis, dass wir den Kreis derer, die hier ihren Lebens- und Arbeitsmittelpunkt suchen, öffnen möchten. Immerhin, wir sind mitten in der zweiten Welle.

(Martin Reichardt [AfD]: Was ist ein Arbeitsmittelpunkt?)

Die Frage ist nicht mehr vordergründig, ob wir ausreichende, genügende intensivmedizinische Betreuung haben, sondern die Frage ist mittlerweile: Haben wir genügend Fachkräfte, um intensivmedizinisch zu betreuen?

Das Anerkennungsverfahren selbst muss verbessert werden. Einheitlichkeit und Transparenz sind auch hier ein Thema. Die Übernahme der Kosten für diejenigen, die beantragen, und für diejenigen, die zusätzliche Qualifikationsmaßnahmen vorlegen müssen, muss weiter verbessert werden.

Zum Zweiten ist noch etwas wichtig. Das ist die Kultur der Vielfalt in den Unternehmen. Fachlich ist eine gewisse Augenhöhe durch die Gleichstellung der Berufsabschlüsse hergestellt; aber auf personeller und auf zwischenmenschlicher Ebene ist da noch einiges zu tun. Ein produktiver Umgang mit Unterschiedlichkeit, mit Diversität ist, denke ich, eine ganz wichtige Aufgabe im Personalmanagement von Unternehmen.

Gestatten Sie mir aber noch eine Bemerkung zum zweiten Teil des vorliegenden Artikelgesetzes, der sich mit dem Fernunterricht beschäftigt. Genauer gesagt, möchte ich zu dem sprechen, womit er sich leider nicht beschäftigt.

Lernen im digitalen Zeitalter, organisiertes und institutionelles Lernen im digitalen Zeitalter wirft neue Fragen auf: Was ist eigentlich Unterricht, wenn Teilnehmende selbstorganisierend lernen? Wann gilt was als Teilnahme? Welche Standards für digitalen Unterricht müssen geregelt werden? Dazu gehören Interoperabilität – das heißt, die Systeme müssen miteinander funktionieren, müssen vereinbar sein –, die Offenheit der Systeme für die Nutzung von Open Educational Resources, die Plattformunabhängigkeit, sodass Lernmaterialien nicht nur an eine Plattform gebunden sind. Wer sichert die Qualität?

(Zuruf von der AfD: Wo bleibt der Lehrer?)

Im Übrigen sind dies alles Fragen, die sich auch an Schulen richten, nicht nur in Coronazeiten. Und hier, meine Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen, fehlt ein größerer Wurf, um eben auch dort Rechtssicherheit und Orientierung zu schaffen. Ich denke, da haben Sie noch einiges an Hausaufgaben zu erledigen.

(Beifall bei der LINKEN)