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Biopatentrecht

Rede von Petra Sitte,

Auf Erfindungen können, wenn sie neu sind, einer erfinderischen Tätigkeit entspringen und gewerblich anwendbar sind, Patente vergeben werden. Klassisch werden Verfahrens- und Stoffpatente unterschieden. Über den Gegenstand des Patents wird zeitlich begrenzt ein Verfügungsrecht gewährt. Personen oder Firmen mit derartigen Rechten setzen also ein exklusives Verfügungsrecht oder genauer gesagt ein Monopol um. So nutzen sie in begrenzten Zeiträumen das geschützte Wissen selbst oder sie verkaufen die Nutzungsrechte an andere. Erfinder bzw. Inhaber dieser Rechte sollten so, Forschungs- sowie Investitionskosten wieder rein bekommen und Gewinne erwirtschaften.

In dem Maße aber wie Wissen als Gegenstand dieser Patente in den letzten beiden Jahrzehnten an Bedeutung gewann, wurden diese Nutzungs- und Verfügungsrechte mehr und mehr ein Instrument zur Durchsetzung wirtschaftlicher Interessen gegenüber anderen. Es ging immer weniger darum, neue Impulse für weitere Erfindungen zu setzen. Vielmehr werden diese zunehmend blockiert, indem das Patentrecht erweitert und verschärft wurde und Patente mit bislang unbekannten Reichweiten erteilt wurden.

Mit dem Biopatentrecht wurde in den 90er Jahren das Patentrecht auf biologisch-genetische Ressourcen erweitert. Das heißt, Grundlagen des Lebens - auch des menschlichen - werden zu Schutzgegenständen. Sie werden wie patentierte Erfindungen behandelt. Oft genug ist gar nicht mehr genau zu klären oder wird bewusst verschleiert, ob es sich nicht gar um Entdeckungen handelt. Entdeckungen hingegen sind nämlich nicht patentierbar! Seit im Jahr 2000 in Europa Patente auf Pflanzen und Tierrassen erteilt werden, sollen 680 Patente auf Pflanzen und 320 auf Tiere vergeben worden sein. Zumeist handelt es sich um gentechnisch veränderte Organismen.

Die Entwicklung tendiert immer stärker zur Patentierung von Genen, Gensequenzen und Zuchtverfahren. Das zeigen zahlreiche Anträge von Einzelpersonen und Unternehmen beim Europäischen Patentamt. Was droht uns? Der absolute Stoffschutz für gewonnene Gene samt ihrer Funktionen - selbst der noch unbekannten. Wem der „Code des Lebens“ gehört, ist eine zutiefst gesellschaftspolitische Entscheidung und nicht Gegenstand von Patentprüfungsverfahren! Dieser Einschätzung vieler Akteure und Verbände schließt sich DIE LINKE an. Entsprechende öffentliche wie auch parlamentarische Debatten sind unumgänglich! Welche praktischen Folgen das haben kann, zeigt ein Beispiel der vergangenen Jahre besonders deutlich.

So wurde vor dem Europäischen Patentamt heftig gestritten, ob bspw. menschliche Gene, deren Mutationen zu erblichem Brustkrebs führen, patentierbar sind. Das ursprüngliche Patent bezog sich nämlich nicht nur auf das technische Verfahren zur Isolation der Brustkrebsgene. Vielmehr wurden die gewonnenen Gene selbst patentiert. Der Stoffschutz wurde dann auch noch erweitert und schloss alle Verwendungen der Gene ein. Dazu zählen Verfahren zur Diagnostizierung der Brustkrebsgene, Behandlungsverfahren und letztlich auch zu entwickelnde Arzneimittel. Es ist wohl klar, dass damit vielfältige Forschungsansätze in der Medizin be-, wenn nicht gar verhindert werden.

Gelänge als Behandlungsansatz das Ausschalten dieser Brustkrebsgene, dann hätten ForscherInnen an den Patentinhaber zahlen müssen. Gleiches würde auch für Entwickler von Arzneimittel gelten. Es kommt zu strategischen Patenten. Man kann diese so bezeichnen, weil sie in nahezu allen Arbeits- bzw. Forschungsbereichen den Zugang blockieren, sofern nicht gezahlt wird bzw. gezahlt werden kann. In den USA gibt es Beispiele dafür, dass ForscherInnengruppen ihr Projekt eingestellt haben, weil sie nicht imstande waren, die hohen Patentkosten aufzubringen bzw. einer Klage wegen Patentverletzung aus dem Weg gehen wollten. Dadurch verkehrt sich Patentschutz nun gänzlich ins Gegenteil. Und das unter Umständen mit tödlichem Ausgang!

Die letzte Bundesregierung hat zu Recht versucht, diesem ausufernden Stoffschutz mit dem Biopatentgesetz Einhalt zu gebieten. Zugleich jedoch war sie gezwungen, die teilweise gegenläufige und mit vielen Rechtsunsicherheiten behaftete EU-Biopatentrichtlinie umzusetzen. Das bleibt zu kritisieren. Folgerichtig greift der Antrag von Bündnis 90/DIE GRÜNEN erneut diese Rechtsunsicherheit auf.Der Widerspruch liegt nach wie vor darin, dass im Unterschied zum umfassenden Stoffschutz, den die EU-Biopatentrichtlinie gewährt, der klassische Patentschutz in Deutschland und Frankreich ein funktionsgebundener Stoffschutz ist. Das bedeutet, ein Patent wird nur auf ein konkretes Verfahren vergeben, in welchem das genannte Biomaterial zur Anwendung kommt. Wird ein anderes Verfahren auf Basis des gleichen biologischen Materials entwickelt, dann gilt der Patentschutz nicht mehr. Ein absoluter Stoffschutz für das biologische Material kann so ausgeschlossen werden. Nur ein funktionsgebundener Stoffschutz berücksichtigt angemessen die Eigenschaften von chemischen Stoffen und informationellem biologischen Material.

Mit diesem Ziel muss die europäische Richtlinie präzisiert werden. In der Anhörung im Innenausschuss am 11. Mai 2009 wiesen die Sachverständigen auf eine weitere gravierende Folge hin. Die geographische Herkunft tierischen und pflanzlichen Materials muss eindeutig belegt werden. Das deutsche Patentrecht sieht das im Gegensatz zur EU-Richtlinie vor. Aber selbst in Deutschland - so kritisierte die Vertreterin des Deutschen Patent- und Markenamtes - versuchen die Antragsteller, die Herkunft zu verschleiern. Und ohne klare Herkunftsangaben können sich weder die Länder des Trikonts noch betroffene indigene Völker effektiv gegen Biopiraterie wehren. Sie können bspw. ihren Anteil am Ertrag aus der Nutzung traditionellen Wissens über heilende Pflanzen und deren Anwendung nicht einklagen. Und Pharmaunternehmen reagieren auf diese Begehren nicht nur ignorant. Nein, sie isolieren aus derartigen Pflanzen die heilenden Stoffe oder Gene. Dann „bauen“ sie diese künstlich nach. Damit sind sie auf die Ursprungspflanzen überhaupt nicht mehr angewiesen. Die indigenen Völker verlieren endgültig die Chance, auf eine gerechte wirtschaftliche Verwertung ihrer traditionellen Ressourcen. Zwischenzeitlich mehren sich zwar auch kritische Stimmen in der EU-Kommission, die ethische und forschungspolitische Bedenken formulieren.

Diese müssen gestärkt werden, um eindeutige Regelungen in der EU-Biopatentrichtlinie zu erzwingen. Aber bis heute nämlich hat sich die EU-Kommission vor einer Bewertung dieser Argumente gedrückt, geschweige denn eine Novellierung der Biopatentrichtlinie ernsthaft in Aussicht zu stellen. Parallel dazu müssen auch internationale Abkommen geändert werden. So werden Wissen und geistige Eigentumsrechte durch das Europäische Patentübereinkommen (EPÜ) oder das Übereinkommen über handelsbezogene Aspekte der Rechte des Geistigen Eigentums (TRIPS) monopolisiert. Bei Züchtungsverfahren bspw. sind Anwender allgemein, aber insbesondere jene in den Entwicklungsländern einem harten Sortenschutz ausgesetzt. Bauern zahlen hohe Summen für Saatgutlizenzen - auch für gentechnisch verändertes und patentiertes Saatgut - und stehen nicht selten vor existenziellen Problemen.

Zugleich werden traditionelle Formen der Landbewirtschaftung, Selbstversorgung und Artenvielfalt massiv verdrängt. Daher geht DIE LINKE weiter als der Antrag von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN. Es wird die gezielte Erteilung von Zwangslizenzen gefordert, damit Forschungsblockaden und Biopiraterie überwunden werden können. Damit diagnostische und therapeutische Anwendungen in der Medizin weiter entwickelt werden. Damit der Zugang zu Gesundheitsversorgung eben nicht von kaufkräftiger Nachfrage und Angebots- bzw. Preismonopolen bestimmt wird! Die Organisation „Ärzte ohne Grenzen“ sagt: „Medikamente sollten kein Luxus sein - patentgeschützte Medikamente sind aber oft unbezahlbar für Menschen in Entwicklungsländern“. Und ich füge hinzu, dass auch hierzulande die Effekte dieser Entwicklung längst deutlich zu spüren sind.

Ein weiteres Problem kommt in dem Antrag zur Sprache, ohne allerdings einen konkreten Lösungsansatz zu beschreiben. Es handelt sich um den effektiven Schutz von Persönlichkeitsrechten von SpenderInnen. Es gibt zahlreiche Patentanmeldungen, in denen biologisches Material menschlichen Ursprungs Gegenstand ist. Hier schreibt die EU-Patentrichtlinie die >informierte Einwilligung< vor. SpenderInnen müssen vorab zu Zielen des Forschungsprojektes aufgeklärt worden sein und in die Verwendung ihrer Proben eingewilligt haben. Bestimmungen aber, wie diese Zustimmungen und Dokumentationspflichten konkret auszusehen haben, fehlen im deutschen Biopatentgesetz.

Daher fordert DIE LINKE von der Bundesregierung, durch eine Gesetzesänderung Persönlichkeitsrechte und Daten von SpenderInnen zu schützen. Wir beschränken uns also nicht nur auf Forderungen gegenüber der EU-Ebene. Fazit: Patente auf Leben beschneiden unsere Selbstbestimmung mit existenziell negativen Folgen - für jeden Menschen und die menschliche Gemeinschaft. Daher lehnt DIE LINKE die Ausdehnung privater Verfügungsrechte durch die Ausdehnung des Patentrechts auf biologisch-genetische Ressourcen ab.