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Bildungspaket ist und bleibt der falsche Ansatz

Rede von Diana Golze,

Sehr geehrte Damen und Herren,

mit dem Bildungs- und Teilhabepaket ist es wie mit Paketen im richtigen Leben. Nicht immer ist das, was derjenige, der es schnürt, glaubt reinpacken zu müssen, das, was der Empfänger auch wirklich braucht. Im Falle des Paketes, das die Teilhabe von Kindern an Bildung, Gesellschaft, Kultur und gesellschaftlichem Leben absichern soll, hat die Bundesregierung einmal mehr unter Beweis gestellt, dass sie vom Leben und vom Alltag der Kinder und Jugendlichen nicht die geringste Ahnung hat. Wie sonst ist zu erklären, warum das deutliche und klare Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom Februar 2010 mit so eklatanten Fehlern und derart realitätsfernen Maßnahmen umgesetzt wurde? Nur mit Unkenntnis ist zu erklären, dass Kinder und Jugendliche ohne Not mit Arbeitssuchenden gleichgesetzt werden und nur mit Unwissenheit, dass die Bundesregierung schulische und außerschulische Bildung und Förderung nicht bei der Kinder- und Jugendhilfe ansiedelt oder die Notwendigkeit von schulischer Nachhilfe durch Jobcenter entscheiden lässt.

Man kann konstatieren: Laut Bundesverfassungsgerichtsurteil ist neben dem physischen auch das soziokulturelle Existenzminimum von Kindern unter Berücksichtigung ihrer ganz besonderen Bedarfe zu sichern. Das Bildungs- und Teilhabepaket war in seinem Grundansatz von Beginn an falsch. Nun, 2 Jahre nach seinem Inkrafttreten, kann man nur konstatieren: Es ist unwirksam für die Kinder und Jugendlichen und vor allem in höchstem Maße bürokratisch für alle Beteiligten. Wer im zuständigen Ministerium wirklich geglaubt hat, mit einem Gesetzeswerk, das sage und schreibe 6 unterschiedliche und unabhängig voneinander jeweils antragsabhängige Leistungen enthält, ein transparentes und bürgerfreundliches weil nachvollziehbares Leistungspaket zu schnüren, hat entweder das Ausmaß des Bürokratismus und die Folgen für die Betroffenen nicht erahnen können oder diese billigend in Kauf genommen. Ministerin von der Leyen hat schon lange, bevor sie dem Bundestag ihr Bildungs- und Teilhabepaket vorgestellt hat, die Weichen für dieses Programm gestellt. In einer unglaublichen Verleumdungskampagne hat sie Eltern, die von ALG II leben müssen, unterstellt, sie würden Geld, das ihnen für Bildung oder Teilhabe unter Umständen mehr ausgezahlt werden würde, nicht zum Wohl der Kinder, sondern zur Befriedigung eigener Interessen ausgeben. Es grenzt fast an Zynismus, dass sie mit dem Slogan, das Geld müsse bei den Kindern ankommen, die Grundlage dafür gelegt hat, dass durch das Bürokratiemonster Bildungs- und Teilhabepaket fast der Hälfte der betroffenen Kinder und Jugendlichen das verwehrt wird, was ihnen verfassungsmäßig verbrieft und per Gerichtsurteil rechtskräftig zugesagt wurde. Sie, Frau von der Leyen, sind es, die dafür sorgt, dass Familien vorgeschrieben wird, welche Freizeitangebote überhaupt antragsfähig sind, wann schulische Nachhilfe notwendig ist und wann wie viel Zuschuss für die Schülerbeförderung gezahlt wird und wann nicht. Wenn also jemand dafür sorgt, dass das Geld nicht da ankommt, wo es so dringend gebraucht wird, dann ist es diese Bundesregierung, ist es diese Arbeitsministerin.

DIE LINKE bleibt dabei: weg mit diesem unsozialen, stigmatisierenden Antragsgewirr. Bildung und Teilhabe sind das Recht eines jeden Kindes und darum müssen die materiellen und finanziellen Grundlagen dafür so zur Verfügung stehen, dass sie für jedes Kind, für jeden Jugendlichen auch wirkungsvoll sind. Das geht nur, wenn ihre Eltern nicht zu Vorleistungen gezwungen werden, die sie ohnehin nur schwer leisten können, und es eine Infrastruktur gibt, die einen niedrigschwelligen und vor allem stigmatisierungsfreien Zugang ermöglicht. Und es geht nur, wenn man Schule, Bildung und Kultur endlich als das wertet, was es im Leben von Kindern ist: etwas, das zum Alltag von Kindern und Jugendlichen gehört und damit Teil des Regelsatzes sein muss.
All das hätte man mit dem Gesetzentwurf zur Änderung des SGB II schaffen können. Dies hätte aber eines politischen Willens bedurft. Der aber ist offenkundig nicht vorhanden.

Vielen Dank!