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Bijî Kobanê!

Rede von Jan van Aken,

- es gilt das gesprochene Wort –

 

 

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren!

 

Ich finde, wir sollten erst einmal zusammen feiern, dass diese Woche Kobane befreit worden ist. Mein Dank und meine ganze Hochachtung gilt den Frauen und Männern, die in den letzten Monaten gegen die Menschenfeinde von ISIS gekämpft haben, dabei ihr Leben riskiert und zum Teil verloren haben. Biji Kobane!

 

Jetzt zu Ihrem Antrag. Sie wollen 100 Bundeswehrsoldaten in den Nordirak schicken, um dort kurdische Peschmerga auszubilden. Dieser Einsatz ist grundgesetzwidrig, aber er ist auch politisch falsch. Sie werden damit ISIS auf Dauer stärken und nicht schwächen, weil Sie so die Spaltung des Iraks vorantreiben.

 

Zur rechtlichen Frage muss ich nicht viel sagen. Das ist in den letzten Tagen alles ausgeführt worden. Auch viele Abgeordnete der SPD, der CDU und der CSU sind der Meinung, dass dieser Einsatz gegen das Grundgesetz verstößt, weil er eben nicht in den Rahmen eines kollektiven Sicherheitssystems passt. Wenn Sie ihn jetzt hier durchwinken, dann schaffen Sie einen Präzedenzfall, der uns in den nächsten Jahren immer wieder einholen wird.

(Beifall bei der LINKEN)

 

Das allein wäre für uns Grund genug, Ihren Antrag abzulehnen. Aber er ist, wie gesagt, auch politisch falsch. Ich bin überzeugt davon ‑ das werde ich gleich im Detail begründen ‑, dass Sie damit ISIS auf Dauer tatsächlich stärker und nicht schwächer machen. Herr Mützenich, auch das gehört zur Ehrlichkeit: Sie müssen sehen, dass manchmal ein militärischer Beitrag ein politisches Ziel unterläuft. Genau das ist hier der Fall. Sie haben es völlig richtig beschrieben. Ich glaube, wir sind uns hier alle einig: Es gibt einen zentralen Grund, warum ISIS im Irak so stark ist. Das liegt daran, dass in den letzten Jahren die sunnitischen Muslime im Nordirak komplett ausgegrenzt worden sind, dass die Zentralregierung in Bagdad alle lukrativen Posten, die gesamten Öleinnahmen, den gesamten Reichtum des Landes an die Schiiten und zum Teil an die Kurden verteilt hat. Die Sunniten sind völlig leer ausgegangen. Als ich Anfang des letzten Jahres durch die Region gefahren bin, auch durch Mossul, schlug mir ein Hass auf die Schiiten entgegen. Das kann man sich überhaupt nicht vorstellen. Genau dieser Hass ist der Nährboden dafür, dass ISIS jetzt militärisch so stark geworden ist. ISIS ist im Nordirak mittlerweile in der Breite verankert und hat die Unterstützung der lokalen Bevölkerung. Wenn Sie ISIS militärisch bekämpfen wollen, dann geht es nur, wenn Sie den Hass wieder wegbekommen, indem Sie eine inklusive, eine breite, eine faire Regierung in Bagdad installieren, die den Reichtum fair zwischen Kurden, Schiiten und Sunniten verteilt. Das muss das politische Ziel sein.

(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

 

Das große Problem, Herr Mützenich, ist, dass es eine große Kraft im Irak gibt, die genau dagegen arbeitet, und das ist Massud Barzani, der Präsident der nordirakischen kurdischen Autonomieregierung. Barzani lässt überhaupt keinen Zweifel daran, dass er einen eigenen Nationalstaat der Kurden im Nordirak möchte. Er möchte die Abspaltung vom Restirak. Seit Monaten bringt er eine Volksabstimmung in der Autonomieregion ins Gespräch. Wozu das führt, wissen wir alle. Wenn sich der Nordirak abspaltet, dann zerfällt der Restirak, und wir haben ein Desaster, von dem wir uns viele Jahre nicht erholen werden.

 

Genau den Barzani haben Sie mit Waffen beliefert. Genau den Barzani wollen Sie jetzt weiter militärisch ausrüsten und ausbilden? Damit treiben Sie doch noch mehr Sunniten in die Arme von ISIS. Damit werden Sie ISIS auf Dauer wirklich stärken, weil Sie die Abspaltungstendenzen im Irak stärken und nicht die Vereinigung der drei verschiedenen Bevölkerungsgruppen. Das ist Ihr grober Fehler. Selbst wenn Sie für Waffenlieferungen sind, wenn Sie für Bundeswehreinsätze sind, dann ist dieser Einsatz doch genau der falsche. Sie bilden die falschen Leute für die falschen Zwecke aus.

(Beifall bei der LINKEN)

 

Noch ein letzter Punkt. Es gebe sehr vieles, was Sie im Moment tun könnten, um ISIS militärisch zu schwächen. Aber all dies Richtige und Gute tun Sie nicht. Sie könnten zum Beispiel die direkte Unterstützung für ISIS austrocknen: die Geldquellen, aber auch den Nachschub an Kämpfern und Waffen. Noch immer können Dschihadisten mit ihren Waffen über die Türkei nach Syrien einreisen. Sie können gar nicht so schnell in Arbil ausbilden, wie ISIS über die Türkei weiter wächst. Dagegen haben Sie überhaupt keine Chance. Wenn Sie militärisch effektiv gegen ISIS vorgehen wollen, dann machen Sie die Grenzen zu und Druck auf die Türkei.

(Beifall bei der LINKEN)

 

Dafür hätten Sie sogar ein UNO-Mandat. Für einen Bundeswehreinsatz im Nordirak haben Sie keine gesetzliche Grundlage bei den Vereinten Nationen. Es gibt genau eine Resolution des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen, die hier einschlägig ist. In dieser geht es darum, den Zufluss internationaler Terroristen zu behindern. Stoppen Sie endlich den Zufluss der ISIS-Terroristen über die Türkei. Machen Sie endlich Druck auf die Türkei, die Grenze zu schließen. Damit bekämpfen Sie ISIS, aber lassen Sie die Bundeswehr da raus.

(Beifall bei der LINKEN)

 

Damit sind wir beim Kern des Problems, den Sie immer aussparen. Sie haben über die Golfstaaten, über den Iran geredet. Warum reden Sie nicht über die Türkei? Die türkische Regierung ist eines der Hauptprobleme. Sie sagt bis heute: Unser Hauptfeind ist nicht ISIS, sondern sind Assad und die Kurden. Es ist vorgekommen, dass schwerverletzte Verteidiger von Kobane an türkischen Grenzposten gestorben sind, weil die Grenze zu war. Ein paar Kilometer weiter konnte ISIS samt Waffen über die türkische Grenze gehen. Genau das müssen Sie verändern. Es ist die Hauptaufgabe des Bundesaußenministers, den Druck auf die Türkei so weit zu erhöhen, dass ISIS nicht noch weiter stärker wird.

(Beifall bei der LINKEN)

 

Im Übrigen bin ich der Meinung, dass Deutschland keine Waffen exportieren sollte: nicht in den Irak und auch nicht in die Türkei.

Danke schön.

(Beifall bei der LINKEN)