- Rede zu Protokoll -
Frau Präsidentin,
meine sehr geehrten Damen und Herren,
die Koalition hat sich den Gesetzentwurf des Bundesrates zur Stärkung von Täterverantwortung zu eigen gemacht und deshalb debattieren wir ihn heute.
Wir sind uns alle einig darin, dass häusliche Gewalt ein sehr ernst zu nehmendes Problem ist. Wir sind uns auch einig darin, dass die Täterverantwortung gestärkt und vor allem die Präventionsarbeit verbessert werden muss. Wir sind uns einig, dass Täterprogramme ein guter Ansatz sind, zu Verhaltensänderungen beizutragen. Wir sind uns auch alle einig, dass häusliche Gewalt gesellschaftlich geächtet gehört.
Ich will aber an dieser Stelle darauf hinweisen, dass beispielsweise die Vergewaltigung in der Ehe erst seit 1997 strafbar ist und dass die Dunkelziffer im Bereich der häuslichen Gewalt immer noch ausgesprochen hoch ist. Häusliche Gewalt gilt bedauerlicherweise immer noch zu häufig als Kavaliersdelikt.
Wir sind uns einig darin, dass Betroffenen häuslicher Gewalt schnell und unbürokratisch geholfen werden muss. Aber was passiert beispielsweise im Hinblick auf Frauenhäuser? Die LINKE fordert eine bundesweit einheitliche Finanzierung der Frauenhäuser und einen ungehinderten Zugang für alle betroffenen Frauen und deren Kinder, unabhängig von sozialer oder ethnischer Herkunft. Täterprogramme sind notwendig und wichtig, aber die Opfer sollten nicht unberücksichtigt gelassen werden. Wenn der Rechtsanspruch auf eine Zufluchtsmöglichkeit in allen Fällen von Gewalt als freiwillige Leistung gewährt wird, führt das, auch wegen der Steuerpolitik der Regierung zu Lasten der Kommunen, häufig zu weitreichenden Kürzungen und damit zur Einschränkung von Schutz- und Hilfsmöglichkeiten.
Unser Problem mit dem Gesetzentwurf ist zunächst ein rechtspolitisches. Unser Problem ist die Fortschreibung des strafrechtlichen Deals, wie er durch die Verlängerung der Frist in § 153a Absatz 1 Satz 2 Nummer 6 StPO vorgeschlagen wird. Mein Kollege Neskovic hat bereits am 16.02.2009 in der taz alles wesentliche dazu gesagt: „Nötig ist nicht die Legalisierung des Deals, sondern dessen gesetzliches Verbot für alle nicht geringfügigen Straftaten.“
Worum geht es genau: Wir sind uns einig, dass häusliche Gewalt keine geringfügige Straftat ist. Warum wollen Sie dann aber die Ausweitung einer bereits bestehenden Dealregelung? Wenn wir uns einig sind, dass in Fällen häuslicher Gewalt zum Opferschutz und zur Prävention Täterprogramme durchzuführen sind, mit dem Ziel Verhaltens- und Wahrnehmungsveränderungen vorzunehmen, dann ist nicht nachvollziehbar, dass bei Teilnahme an solchen Programmen das Verfahren eingestellt wird. Das heißt doch nichts anderes als: Du darfst prügeln und wenn Du danach ein Täterprogramm besuchst, dann stellen wir das Strafverfahren ein.
Das ist ein Skandal!
Insofern geht an dieser Stelle der Gesetzesentwurf in die falsche Richtung. Solange der Deal im Strafrecht als probates Mittel angesehen wird, können wir diesem Gesetzesentwurf nicht zustimmen.
Dem Gesetzentwurf hätte es aber auch gut zu Gesicht gestanden, wenn er umfassender gewesen wäre und gleichzeitig sicherstellen würde, dass genügend gute Täterprojekte vorhanden sind. Häufig ist es doch so, dass es keine Therapieplätze gibt und die Prävention und der Opferschutz auch daran scheitern. Allein eine Festschreibung in der StPO führt nicht dazu, dass genügend Täterprogramme vorhanden sind und das erscheint uns zumindest als ein mindestens ebenso großes Problem.
Vor diesem Hintergrund fordern wir ein umfassendes Konzept im Umgang mit häuslicher Gewalt zu dem neben der Ächtung derselben die Ausfinanzierung von Frauenhäusern und die Bereitstellung von Täterprogrammen gehört.