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Betroffenen häuslicher Gewalt helfen - Straftäter verfolgen

Rede von Halina Wawzyniak,

Rede zum Tagesordnungspunkt "Gesetzentwurf des Bundesrates zur Stärkung von Täterverantwortung"

Frau Präsidentin,
meine sehr geehrten Damen und Herren,
die Koalition hat sich den Gesetzentwurf des Bundesrates zur Stärkung von Täterverantwortung zu eigen gemacht und deshalb debattieren wir ihn heute zum zweiten Mal.
Was den Konsens anbelangt, auf den wir uns berufen können, so hat sich seit der ersten Lesung nichts geändert: Wir sind uns einig darin, dass häusliche Gewalt ein sehr ernst zu nehmendes Problem ist. Wir sind uns auch einig darin, dass die Täterverantwortung gestärkt und vor allem die Präventionsarbeit verbessert werden muss. Wir sind uns ebenso darin einig, dass Täterprogramme ein guter Ansatz sind, zu Verhaltensänderungen beizutragen, und dass häusliche Gewalt gesellschaftlich geächtet werden muss.
Wir müssen aber auch konstatieren, dass häusliche Gewalt noch immer allzu häufig als Kavaliersdelikt gilt und die Dunkelziffer hoch ist. Vergewaltigung in der Ehe ist erst seit 1997 strafbar.
Für das Jahr 2011 hat das Bundeskriminalamt erstmals ausgewiesen, welche von den insgesamt 662 Menschen, die Opfer von Mord und Totschlag wurden, mit dem Täter verwandt waren. 26,9 Prozent der Täter waren aktuelle oder ehemalige Lebenspartner der Opfer, in zwei Dritteln dieser Fälle waren Opfer und Täter zur Tatzeit verheiratet. (Taz, 5. Juni 2012, „Sicherheitsrisiko Ehemann“) Eine Studie des Familienministeriums besagt, dass hierzulande jede vierte Frau zwischen 16 und 85 Jahren Erfahrungen mit häuslicher Gewalt machen musste. Das ist eine erschreckend hohe Zahl, hinter der sich Leid, Demütigung, Hilflosigkeit und viel zu viel Gleichgültigkeit verbirgt.
Betroffenen häuslicher Gewalt muss schnell und unbürokratisch geholfen werden. Aber was passiert beispielsweise im Hinblick auf Frauenhäuser? Die LINKE fordert eine bundesweit einheitliche Finanzierung der Frauenhäuser und einen ungehinderten Zugang für alle betroffenen Frauen und deren Kinder, unabhängig von sozialer oder ethnischer Herkunft. Täterprogramme sind notwendig und wichtig, aber die Opfer sollten nicht unberücksichtigt bleiben. Wenn der Rechtsanspruch auf eine Zufluchtsmöglichkeit in allen Fällen von Gewalt als freiwillige Leistung gewährt wird, führt dies, auch wegen der Steuerpolitik der Regierung, zu Lasten der Kommunen, häufig zu weitreichenden Kürzungen und damit zur Einschränkung von Schutz- und Hilfsmöglichkeiten.
Unser Problem mit dem Gesetzentwurf bleibt weiterhin ein rechtspolitisches. Unser Problem ist die Fortschreibung des strafrechtlichen Deals, wie er durch die Verlängerung der Frist in § 153a Absatz 1 Satz 2 Nummer 6 StPO vorgeschlagen wird. Wir wollen eben nicht die Legalisierung des Deals, sondern dessen gesetzliches Verbot für alle nicht geringfügigen Straftaten.
Worum geht es genau: Wir sind uns einig, dass häusliche Gewalt keine geringfügige Straftat ist. Warum wollen Sie dann aber die Ausweitung einer bereits bestehenden Dealregelung? Wenn wir uns einig sind, dass in Fällen häuslicher Gewalt zum Opferschutz und zur Prävention Täterprogramme durchzuführen sind, mit dem Ziel Verhaltens- und Wahrnehmungsveränderungen vorzunehmen, dann ist nicht nachvollziehbar, dass bei Teilnahme an solchen Programmen das Verfahren eingestellt wird. Das heißt doch nichts anderes als: Du darfst prügeln und wenn du danach ein Täterprogramm besuchst, dann stellen wir das Strafverfahren ein.
Das ist und es bleibt ein Skandal!
Solange der Deal im Strafrecht als probates Mittel angesehen wird, können wir diesem Gesetzesentwurf nicht zustimmen.
Dem Gesetzentwurf hätte es ebenso gut zu Gesicht gestanden, wenn er umfassender gewesen wäre und gleichzeitig sicherstellen würde, dass genügend gute Täterprojekte vorhanden sind. Häufig ist es doch so, dass es keine Therapieplätze gibt und die Prävention und der Opferschutz auch daran scheitern. Allein eine Festschreibung in der StPO führt nicht dazu, dass genügend Täterprogramme vorhanden sind und das erscheint uns zumindest als ein mindestens ebenso großes Problem.

Wir fordern ein umfassendes Konzept im Umgang mit häuslicher Gewalt. Sie ist kein Kavaliersdelikt und muss geächtet werden. Die Ausfinanzierung von Frauenhäusern und die Bereitstellung von Täterprogrammen sind notwendige Maßnahmen, die auch unterstreichen würden, dass wir es mit unserem Anliegen ernst meinen.