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Betreuungsgeld ist milliardenteurer Blödsinn

Rede von Diana Golze,

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Nun liegt er vor, der Gesetzentwurf zum Betreuungsgeld. Über ihn wird heute hier zum ersten Mal debattiert.

(Dr. Günter Krings (CDU/CSU): Er liegt schon länger vor!)

Ich möchte den Fokus auf die Dinge richten, die hier unterschwellig mit im Raum stehen, auf die diversen Nebenabsprachen, Deals, Erpressungsversuche und auf die sich in den Schubladen befindenden Gesetzentwürfe, die sich auf Dinge beziehen, die mit dem Betreuungsgeld eigentlich gar nichts zu tun haben, die aber trotzdem mit dem Betreuungsgeld in Zusammenhang stehen, weil man sich damit die Stimmen der Kritikerinnen und Kritiker in den eigenen Reihen kaufen will. Ich glaube, es lohnt, einen Blick auf diese Deals zu werfen. Es ging in den letzten Wochen zu wie auf einem Basar: Gebe ich dir, gibst du mir. Ich will Ihnen ein paar Beispiele nennen.
Erstes Beispiel. Der sogenannte Pflege-Riester,

(Volker Kauder (CDU/CSU): Das ist nicht der Pflege-Riester, sondern der Pflege-Bahr!)

ein staatlicher Zuschuss für diejenigen, die sich eine private Pflegeversicherung leisten können. Hier soll eine private Pflegeabsicherung bezuschusst werden. Dazu werden 100 Millionen Euro jährlich veranschlagt, die aber nur 4 Prozent der Bevölkerung erreichen. Die Einführung dieses Zuschusses war eine große Bitte der FDP; im Rahmen der Verhandlungen im Koalitionsausschuss hat sie dies nun erreicht. Meine Fraktion lehnt dies ab. Ich glaube, wir sind nicht die einzigen. Ich möchte Sie fragen: Was hat die private Pflegeabsicherung mit der Betreuung von Kindern unter drei Jahren zu tun?

(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD)

Ein weiteres Beispiel. Rentenpunkte für Frauen, die vor 1992 ein Kind zur Welt gebracht haben. Dieser Vorschlag kam aus den Reihen der Union, speziell aus den Reihen der viel zu wenigen Frauen in der Union. Es geht darum, dass Frauen, die vor 1992 ein Kind bekommen haben, mit denen, die später ein Kind bekommen haben, gleichgestellt werden sollen. Experten rechnen bei voller Anrechnungszeit mit Kosten in Höhe von 3,5 Milliarden Euro. Wir können gerne über diese Leistung sprechen. Aber ich frage: Was hat die Rente von Frauen, die erst ab 2030 zum Zuge kommen würde, mit der Betreuung von Kindern unter drei Jahren zu tun?

(Beifall bei der LINKEN)

Noch ein Beispiel, das in den letzten Wochen genannt wurde. Die Verpflichtung zur Wahrnehmung der Vorsorgeuntersuchungen für alle Kinder. Das Saarland hat hier bereits im Jahr 2007 vorgelegt. Man hat dort für 40 000 Kinder 600 000 Euro jährlich veranschlagt; wir können das gerne einmal hochrechnen. Wir können auch gerne über diese Forderung sprechen. Auch in meiner Fraktion wird darüber diskutiert, wie man die Vorsorgeuntersuchungen für alle Kinder - nicht nur für die Kinder unter drei Jahren - verbindlicher machen kann. Ich frage auch hier: Was haben Vorsorgeuntersuchungen für alle Kinder bis zum 18. Lebensjahr mit der Betreuung von Kindern unter drei Jahren zu tun?

(Beifall bei der LINKEN)

Ich frage Sie: Ist es bei diesem Geschacher, bei diesem Gezerre, bei diesem unwürdigen Schauspiel verwunderlich, dass fast drei Viertel der Bevölkerung, 71 Prozent der Befragten, und im Übrigen auch 62 Prozent der Unionsanhänger das Betreuungsgeld ablehnen? Ich finde, das sollte Ihnen zu denken geben.

(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der Abg. Katja Dörner (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

Ich möchte auf ein weiteres Problem aufmerksam machen, auf das ich erst in den letzten Tagen gestoßen worden bin. In vielen Bundesländern - vielleicht auch in Ihren Wahlkreisen - gibt es neben Kindertagesstätten und Angeboten der Tagespflege weitere niedrigschwellige Angebote für Familien mit kleinen Kindern, die Hilfe und Unterstützung leisten. Sie heißen zum Beispiel Eltern-Kind-Gruppe oder PEKiP. Diese Projekte werden mit Personalmitteln und Sachmitteln unterstützt. Sie werden auch in vielen Kita-Gesetzen der Länder als eine Säule neben Kita und Tagespflege gleichgestellt behandelt. Ich habe aus dem Familienministerium die Information bekommen - ich habe dazu eine schriftliche Frage gestellt; ich bin auf die Antwort gespannt -, dass diejenigen, die diese niedrigschwelligen Angebote nutzen, vom Bezug des Betreuungsgeldes ausgeschlossen sein sollen.

(Katja Dörner (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): So ist das!)

Das ist ein Unding.

(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD)

Es bedeutet das Aus für viele Angebote in den Kommunen. Es bedeutet das Aus für viele Träger. Es bedeutet das Aus für viele gute Projekte im Kinderschutz, über den wir hier in den letzten Monaten richtigerweise enorm viel diskutiert haben. Es bedeutet auch das Aus für die Letzten, die noch an bestimmte Versprechungen und Vorhaben der Bundesregierung geglaubt haben. Ich erinnere daran, dass in der letzten Legislaturperiode Bundesministerin von der Leyen im Zusammenhang mit der möglichen Einführung eines Betreuungsgelds gesagt hatte: Man könnte dies ja in Form von Gutscheinen ausgeben, mit denen man genau solche Angebote der Elternbildung und der niedrigschwelligen Förderung von Familien mit kleinen Kindern nutzen könnte. So könnte man die Eltern dabei unterstützen, die ersten Lebensjahre des Kindes gut miteinander zu gestalten. Genau solche Angebote sollen jetzt vernichtet werden; denn die Eltern, die diese Angebote wahrnehmen, werden vom Bezug des Betreuungsgeldes ausgeschlossen. Das passt doch nicht zusammen.

(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN

Das ist ein Unding. Sie lassen dabei genau diejenigen, für die Sie behaupten, Sie machten dieses Gesetz, außen vor, nämlich die Familien und vor allem die Kinder. Es geht Ihnen nicht um alle Familien und um alle Kinder.

Ich möchte festhalten, dass ich bisher von niemandem aus der Koalition eine Antwort auf folgende Frage bekommen habe: Worin liegt der Unterschied zwischen der Erziehungsleistung der Eltern, die ihr Kind in eine KiTa oder in eine Tagespflege geben, und der Erziehungsleistung der Eltern, die ihr Kind von der Oma, von der Freundin, von der Schwester, von der Tante, von wem auch immer betreuen lassen, die dann aber das Betreuungsgeld bekommen? Worin liegt der Unterschied? Warum müssen die einen Kita-Gebühren bezahlen und nicht zu knapp , und die anderen bekommen ein Taschengeld? Ich habe es noch nicht verstanden. Es stehen noch einige Ihrer Rednerinnen und Redner auf der Liste. Vielleicht können Sie es mir erklären. Ich glaube, ich bin nicht die Einzige, die es nicht verstanden hat.

(Beifall bei der LINKEN, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Der Parlamentarische Geschäftsführer der Unionsfraktion hat gesagt, er gehe davon aus, es werde noch einige Änderungen an diesem Gesetz geben. Ich stelle hiermit den ersten Änderungsantrag: Streichen Sie den Gesetzentwurf von der ersten bis zur letzten Zeile.

Vielen Dank.

(Beifall bei der LINKEN und der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)