Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Werte Gäste!
Wie Herr Grübel vorhin sagte, wird der Bundesfreiwilligendienst eine kurze Halbwertszeit haben. In der Anhörung bemängelten mehrere Sachverständige die Doppelstrukturen zwischen existierenden Jugendfreiwilligendiensten und dem Bundesfreiwilligendienst und meinten, mittelfristig sei eine einheitliche Struktur durch Zusammenführung der Dienste nötig. Der Bundesfreiwilligendienst, so wie er geplant ist, wird schnell wieder Geschichte sein.
Kurzfristig können nun aber gemeinwohlorientierte Einrichtungen wegen einer Bevorteilung des staatlich organisierten Bundesfreiwilligendienstes in Existenznöte geraten. Bei ihnen wird die Nachfrage nach Jugendfreiwilligendienstplätzen zurückgehen. Für die Linke ist indes klar: Es darf keine Freiwilligendienste erster und zweiter Klasse geben.
(Beifall bei der LINKEN)
Zudem ist erstaunlich, dass die FDP als vermeintliche Partei des Bürokratieabbaus diesen Doppelstrukturen und diesem Bürokratiemonster - so muss man es ja bezeichnen - mucksmäuschenstill zustimmt.
(Florian Bernschneider (FDP): Schön, dass ihr uns das jetzt vorwerft! - Norbert Geis (CDU/CSU): Nur nicht übertreiben!)
Die Anhörung hat gangbare Alternativen aufgezeigt.
(Dr. Peter Tauber (CDU/CSU): Welche denn? Benennen Sie die doch mal!)
Es wäre etwas anderes möglich gewesen.
Meine Damen und Herren der schwarz-gelben Koalition, hätten Sie auf die Linke gehört,
(Norbert Geis (CDU/CSU): Hätten wir heute noch die DDR! - Heiterkeit bei Abgeordneten der CDU/CSU)
hätten Sie diese Probleme von vornherein verhindern können. Die Wehrpflicht gehört nicht nur ausgesetzt, sondern ganz abgeschafft.
(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Dann braucht man auch keinen Platzhalter für einen Zivildienst zu schaffen, der - das ist sicher - nicht mehr zurückkommt. Die durch die Aussetzung der Wehrpflicht und damit des Zivildienstes entstehenden Lücken im sozialen Bereich müssen ohne Zweifel geschlossen werden. Aber wir bezweifeln, dass der Weg, den Sie einschlagen, der richtige ist.
Vielmehr müssen neue, sozialversicherungspflichtige Arbeitsplätze geschaffen werden, für qualifizierte Beschäftigte und mit tariflichem Lohn oder wenigstens Mindestlohn.
(Beifall bei der LINKEN)
Jugendfreiwilligendienste haben nur flankierenden Charakter. Grundsätzlich dürfen junge wie alte Menschen nicht Lückenbüßer in einem von Ihnen, liebe Kolleginnen und Kollegen der Koalition, zu verantwortenden System des stetigen Sozialabbaus sein.
Die Linke will lieber die rechtlichen Grundlagen schaffen, um bestehende Jugendfreiwilligendienste weiter ausbauen zu können, anstatt einen Bundesfreiwilligendienst einzuführen.
Denn Jugendfreiwilligendienste als Bildungs- und Lernorte zwischen Schule und Beruf haben eine wichtige individuelle und gesellschaftliche Funktion. Es wird immer in Abrede gestellt, dass wir das anerkennen. Auch deshalb haben wir unseren Antrag gestellt. Die Dienste unterstützen bei der Suche nach persönlicher, gesellschaftlicher und beruflicher Orientierung. Sie verschaffen vielfältige Kompetenzen. Sie sensibilisieren für Probleme und ermutigen zur Partizipation an der Gesellschaft. So gesehen sind Jugendfreiwilligendienste bereits Lernorte für Demokratie und Solidarität. Das - nicht irgendwelche halbgaren Parallelstrukturen - muss gestärkt werden.
(Beifall bei der LINKEN)
Wir fordern in unserem Antrag eindeutige Mindeststandards für die Durchführung von Jugendfreiwilligendiensten. Diese Dienste müssen klar von Zwangsdiensten wie dem Zivildienst, von sozialversicherungspflichtiger Beschäftigung sowie von Ausbildung abgegrenzt werden. Sie sollten nur Menschen bis 27 Jahren offenstehen, auch um die Abgrenzung zu den Freiwilligendiensten aller Generationen zu festigen.
Wer es mit einem Lern- und Bildungsdienst ernst meint, muss auch Mindeststandards in der inhaltlichen Ausgestaltung schaffen. Ich spreche nicht von Festlegungen zu der Zahl von Seminartagen, sondern von Inhalten, die in diesem Bundesfreiwilligendienst konkret vermittelt werden sollen. Dies fehlt im Gesetzentwurf völlig. Das ist wieder einmal typisch: Das eine sagen, das andere tun.
Typisch ist auch, von der Attraktivität des Bundesfreiwilligendienstes zu reden und dann nur eine Obergrenze für Aufwandsentschädigungen einzuziehen. Die Linke fordert, dass eine angemessene Aufwandsentschädigung gezahlt wird.
(Beifall bei der LINKEN)
Die im Gesetzentwurf vorgesehene "freie Verhandelbarkeit" geht im Zweifel immer zulasten der jungen Menschen. Das zeigt die praktische Erfahrung. Wir brauchen daher dringend eine Untergrenze für das Taschengeld. Alle jungen Leute müssen sich einen solchen Freiwilligendienst auch leisten können.
Der Linken ist weiterhin wichtig, dass Jugendfreiwilligendienste ausschließlich und dauerhaft arbeitsmarktneutral sind. Junge Menschen dürfen auch nur in gemeinwohlorientieren Bereichen eingesetzt werden. Der bisherige Zivildienst hat die dauerhafte Arbeitsmarkneutralität nicht gewährleisten können. Die dort Tätigen wurden immer seltener für zusätzliche Arbeiten eingesetzt. Deshalb will die Linke, dass die Arbeitsmarktneutralität regelmäßig, effizient und streng bei Trägern und Einsatzstellen geprüft wird.
Wir stellen uns klar gegen jegliche Verdrängung betrieblicher Ausbildungsplätze sowie sozialversicherungspflichtiger Beschäftigungsverhältnisse.
(Beifall bei der LINKEN)
Es müssen ferner bei jedem Träger Mitbestimmungsstrukturen für die Jugendlichen geschaffen werden. Es geht um echte Mitbestimmung und nicht nur um die Wahl von Vertretern. Auch die inhaltliche Ausrichtung muss mitbestimmt werden können.
Es ist aus linker Sicht dringend nötig, die Jugendfreiwilligendienste für jugendliche Migrantinnen und Migranten, für Menschen mit Behinderungen sowie für sozial Benachteiligte zu öffnen. Das halten wir für sehr wichtig.
(Beifall bei der LINKEN)
Meine Damen und Herren von der Bundesregierung, der Bundesfreiwilligendienst ist unnötig. Er ist derzeit Ihr einziges Aushängeschild im Bereich der Jugendpolitik.
(Sönke Rix (SPD): Aushängeschild? So weit würde ich nicht gehen! Nicht einmal ich!)
Auf zentrale Fragen von jungen Menschen wie auf Fragen der Jugendarbeitslosigkeit finden Sie keine Antworten. Stattdessen werden auch die Jugendfreiwilligendienste seit Jahren durch permanente Mittelkürzungen im Bundeshaushalt bei den Jugendverbänden geschwächt. Das ist wirklich erbärmlich. Der Bundesfreiwilligendienst wird gesicherte Zukunftschancen für junge Menschen nicht ersetzen.
Kurzum: Schaffen Sie die Wehrpflicht ab!
(Beifall bei der LINKEN)
Schaffen Sie reguläre, qualifizierte Arbeitsplätze im sozialen Bereich!
(Norbert Geis (CDU/CSU): Das haben wir schon mal gehört!)
Schaffen Sie noch bessere Jugendfreiwilligendienste als soziales Plus! Nehmen Sie sich der Jugendpolitik als Zukunftspolitik ernsthaft an!
Danke schön.
(Beifall bei der LINKEN -
Norbert Geis (CDU/CSU): Wir wollen keine FDJ!)