Zum Hauptinhalt springen

Bernd Riexinger: Massive öffentliche Investitionen statt nur ein bisschen Bürokratieabbau

Rede von Bernd Riexinger,

Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Im vorliegenden Entwurf erklärt die Bundesregierung den Bürokratieabbau – ich zitiere – zum „Schlüsselthema“ und zum „Kernbestandteil der Mittelstandspolitik“. Ist Ihnen das nicht etwas peinlich angesichts der Konjunkturprognose, die Sie heute veröffentlicht haben? Die aktuelle wirtschaftliche Lage betrachten völlig zu Recht viele Beschäftigte mit Sorge.

(Reinhard Houben [FDP]: Nicht nur Beschäftigte!)

Der Stand der Kurzarbeit ist so hoch wie in der Rezession 2012/2013. Jedes achte Unternehmen im verarbeitenden Gewerbe erwartet in den kommenden Monaten Kurzarbeit. Anstatt Bürokratieabbau als Schlüsselthema breitzutreten, sollte die Bundesregierung glaubwürdige und brauchbare Konzepte vorlegen, wie Arbeitsplätze gesichert werden können.

(Beifall bei der LINKEN)

Abseits der aktuellen konjunkturellen Lage führen Klimakrise, Digitalisierung und globale Handelskonflikte zu großen Umbrüchen in der Wirtschaft. Das deutsche Exportmodell erweist sich als krisenanfällig und kann nicht einfach so fortgesetzt werden. Allein durch die Umstellung auf Elektromobilität sind in der Automobilindustrie rund 100 000 Arbeitsplätze bedroht. Dies betrifft vor allem mittelständische Zulieferer, zum Beispiel die, die heute Teile für Vergaser herstellen, die künftig in Elektroautos nicht mehr gebraucht werden, oder mittelständische Maschinenbauer. Oft haben diese Unternehmen nicht genügend Kapital, neue Produkte zu entwickeln. Ihre Existenz ist bedroht. Viele Beschäftigte fragen sich zu Recht, ob es ihren Arbeitsplatz und ihren Beruf in fünf oder zehn Jahren noch geben wird und was aus ihnen werden soll, wenn dem nicht so ist. Darauf verdienen die Menschen eine Antwort, und es ist nicht akzeptabel, dass die Bundesregierung hier weitgehend konzeptionslos ist.

(Beifall bei der LINKEN)

Diesen Mittelständlern und ihren Beschäftigten ist weder mit der elektronischen Arbeitsunfähigkeitsmeldung noch mit der Erleichterung bei der Vorhaltung von Datenverarbeitungssystemen für steuerliche Zwecke wirklich geholfen. Hier ist aktive Struktur- und Industriepolitik gefordert.

(Beifall bei der LINKEN)

Wir schlagen zum Beispiel vor, einen Zukunftsfonds einzurichten, der mit 20 Milliarden Euro im Jahr die Transformation gerade der mittelständischen Betriebe ermöglicht. Es geht nämlich um den Erhalt und die Schaffung zukunftsfähiger Arbeitsplätze.

(Beifall bei der LINKEN)

Es ist an der Zeit, die konjunkturellen Probleme und die strukturellen wirtschaftspolitischen Herausforderungen zusammen anzugehen. Die Bundesregierung muss dringend umsteuern. Der Bund muss mehr in den Ausbau der öffentlichen Infrastruktur investieren, in Bildung, Gesundheit, öffentlichen Personennahverkehr und den Bau von bezahlbaren Wohnungen.

(Beifall bei der LINKEN)

Statt weiter an dem Dogma der schwarzen Null festzuhalten, muss mit kräftigen Investitionen der Weg zu einer CO2-freien Wirtschaft eingeschlagen werden. Kein Beschäftigter soll sich zwischen Arbeitsplatz und Klimaschutz entscheiden müssen.

(Beifall bei der LINKEN)

Die Bundesregierung macht den Fehler, abzuwarten, bis sich die konjunkturellen Probleme der vorrangig exportabhängigen Branchen in die gesamte Wirtschaft reingefressen haben. Jetzt muss gehandelt werden. Bringen Sie öffentliche Investitionen auf den Weg für den dringend notwendigen sozial-ökologischen Umbau. Das würde mittelständischen Betrieben, vor allem den Beschäftigten, -

– deutlich mehr helfen als das bisschen Bürokratieabbau, das Sie hier vorgelegt haben.

Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der LINKEN)