Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Dieses Thema steht durchaus im Zusammenhang mit dem, was wir hier eben diskutiert haben, nämlich „Zuwanderung in unser Land“. Ich möchte all denen zustimmen, die in der vorherigen Debatte überfraktionell darauf hingewiesen haben, dass die Menschen, die zu uns kommen - als Flüchtlinge oder sonst wie -, keinesfalls als billige Reservearmee auf dem Arbeitsmarkt benutzt werden dürfen.
(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Das steht deshalb im Zusammenhang mit diesem Tagesordnungspunkt, weil unser Arbeitsmarkt, wie Sie alle wissen, in Unordnung gekommen ist. 2,7 Millionen Menschen in Deutschland haben nur noch einen befristeten Job. Ich kann mich erinnern: Es war einmal ganz normal - auch ich habe einmal etwas Anständiges gelernt; viele andere hier ebenfalls -, dass man nach der Ausbildung - Kollege Rützel weiß es - einen unbefristeten Arbeitsplatz erhalten hat. Heute sind fast 50 Prozent der Neueinstellungen nur noch befristet. Davon sind überwiegend Junge und Frauen betroffen. Der Arbeitsmarkt ist in Unordnung. Wir haben den Fakt hinzunehmen, dass wir heute dreimal so viel befristet Beschäftigte haben wie vor 20 Jahren. Meine Damen und Herren, das alles ist nicht hinzunehmen, und es ist dringend notwendig, dass wir das ändern.
(Beifall bei der LINKEN)
Warum stellen die Unternehmen zunehmend nur noch befristet ein? Die Antwort ist sehr einfach: Sie wollen den Kündigungsschutz umgehen, und die befristete Beschäftigung ist eine Möglichkeit dazu, dass man letztendlich den Betriebsrat bei Kündigungen außen vor lässt, dass man das Kündigungsschutzgesetz bei Kündigungen außen vor lässt und dass man den Betroffenen den Rechtsweg, gegen den Verlust des Arbeitsplatzes zu klagen, nimmt. Auch das ist ein entscheidender Grund dafür, dass wir sagen: Bei den Befristungen muss sich etwas ändern.
(Beifall bei der LINKEN)
Für die Betroffenen bedeutet ein befristeter Job, nicht ein normales Leben führen zu können. Wer die Verhältnisse auf dem Wohnungsmarkt kennt, der weiß, dass oft der Vermieter einen Arbeitsvertrag vorgelegt haben will, dass ein Vermieter guckt: Der hat nur einen befristeten Job. - Wenn man von der Bank einen Kredit will, ist es oft viel schwieriger, einen solchen zu bekommen, wenn man nur einen befristeten Job hat. Und: Wer gründet denn schon eine Familie, meine Damen und Herren, wenn er nicht weiß,
(Matthias W. Birkwald (DIE LINKE): Genau!)
ob er in ein oder zwei Jahren, wenn sein Arbeitsvertrag ausläuft, einen neuen Arbeitsvertrag bekommt und ob er die Kinder, die er in die Welt gesetzt hat, dann überhaupt noch ernähren kann? Deshalb sage ich Ihnen: Auch aus familienpolitischen Erwägungen ist die Abschaffung dessen, was wir zurzeit mit Befristungen erleben, ein Gebot der Stunde.
(Beifall bei der LINKEN)
Die Regierungsparteien halten immer gern die Fahne der Tarifautonomie hoch. Richtig! Aber für die Tarifautonomie brauchen wir selbstbewusste, im Zweifelsfall auch streikende Arbeitnehmer; sonst funktioniert Tarifautonomie nicht. Das bedeutet: Wir müssen uns überlegen: Wie wirkt denn eigentlich ein befristeter Job auf die, die im Betrieb die Tarifautonomie durchsetzen sollen, nämlich auf die Beschäftigten? Da sage ich Ihnen ‑ das wissen Sie im Grunde auch selber ‑, dass sich einer, der einen befristeten Job hat, natürlich kaum traut, sich zu wehren, dass er kaum aufmuckt, wenn die Überstunden nicht bezahlt werden, dass er sich kaum bereit erklärt, bei einem Streik mitzumachen, weil er damit rechnen muss, dass er dann seinen Vertrag nicht verlängert bekommt, dass er seinen Job verliert.
Meine Damen und Herren, wenn wir wieder Ordnung auf den Arbeitsmarkt bringen wollen, muss die befristete Beschäftigung eine absolute Ausnahme bleiben. Ja, es gibt Gründe für Befristungen, die wir auch akzeptieren. Als Krankheitsvertretung möglicherweise kann man jemanden befristet einstellen, weil das nicht auf Dauer ist. Das gilt auch bei Mutterschaftsvertretungen oder bei Ähnlichem, auch bei Auftragsspitzen, wenn sie tatsächlich begrenzt sind.
Wir erleben zurzeit aber etwas ganz anderes. Wir wissen, dass es inzwischen eine ganze Reihe von Menschen in den Betrieben gibt, die immer nur am selben Arbeitsplatz mit immer weiteren Befristungen beschäftigt werden. Das sind die Kettenarbeitsverträge. Es gibt nur ganz wenige Fälle, wo das sinnvoll sein kann. In der Regel ist es nicht sinnvoll. Deshalb fordern wir auch: Kettenarbeitsverträge dürfen nicht zulässig sein.
(Beifall bei der LINKEN sowie der Abg. Beate Müller-Gemmeke (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) - Volker Kauder (CDU/CSU): Das beeindruckt uns sehr!)
Meine Damen und Herren, dass befristete Verträge in großer Zahl zur Übernahme in einen festen Job führen, ist ein Märchen. Vielmehr lässt sich feststellen: Je mehr Befristungen in einer Branche, desto weniger Übernahmen gibt es. Ich will ein Beispiel bringen. 2012 wurden im Bereich Erziehung und Unterricht 76 Prozent der Neueingestellten nur befristet eingestellt. Von denen wurden nur 18 Prozent auf einen festen Arbeitsplatz übernommen, was bedeutet, dass die Arbeitgeber letztendlich die Situation ausnutzen, die Möglichkeit der Befristung nutzen, um Dauerarbeitsplätze, unbefristete Arbeitsplätze abzubauen. Das müssen wir per Gesetz verhindern.
(Beifall bei der LINKEN)
Wie kriegen wir wieder Ordnung auf dem Arbeitsmarkt hin?
Erstens. Wir brauchen eine gesetzliche Regelung, dass befristete Beschäftigung nur dann zulässig ist, wenn es dafür einen ganz besonderen sachlichen Grund gibt. Wenn es den Grund nicht gibt, darf auch nicht befristet beschäftigt werden. - Erster Punkt.
Zweiter Punkt. Wir müssen bei den Sachgründen gucken, ob wir tatsächlich akzeptieren, dass Erprobung ein Befristungsgrund ist. Dafür gibt es andere Regelungen in Tarifverträgen und im Gesetz. Wir müssen auch den Grund „Befristung der Haushaltsmittel“ infrage stellen.
Meine Damen und Herren, ich weiß, dass auch viele Sozialdemokraten und viele aus dem Arbeitnehmerflügel der CDU das so sehen. Insofern hätten wir hier die Möglichkeit, tatsächlich etwas Vernünftiges zu schaffen.
Ein letzter Punkt ‑ das brennt uns auf den Nägeln ‑ ist die Kettenbefristung. Es kann nicht sein, dass immer wieder derselbe Arbeitsplatz in einem Betrieb mit einem befristet Beschäftigten besetzt wird. Das ist dann kein befristeter Job, sondern das ist dann ein Dauerarbeitsplatz. Deshalb müssen wir Kettenbefristungen verhindern.
Machen Sie mit uns mit! Schaffen Sie Ordnung auf dem Arbeitsmarkt! Das nützt den Beschäftigten, das nützt übrigens auch Ihren Wählern, und das nützt den Menschen, die hier zuwandern.
Ich danke für die Aufmerksamkeit.
(Beifall bei der LINKEN)