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Aufschwung für wen?

Rede von Klaus Ernst,

Beitrag von Klaus Ernst in der

Aktuellen Stunde auf Verlangen der Fraktion der FDP: Aussage der Bundeskanzlerin

Dr. Angela Merkel am 28. November 2007 „Der Aufschwung kommt bei den Menschen an“ und die wirkliche Situation in Deutschland

Klaus Ernst (DIE LINKE.):

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ein wenig gewundert habe ich mich schon, dass eine Aktuelle Stunde mit diesem Titel von der FDP beantragt wurde.

(Dr. Ralf Brauksiepe [CDU/CSU]: Jetzt kommt Ihr Vorschlag, den Benzinpreis festzusetzen!)

Sie waren doch gerade dran. Ich habe mich deshalb gewundert, weil im Tagesspiegel noch vor kurzem von Herrn Westerwelle zu lesen war, dass SPD und Grüne den Linken hinterherlaufen würden und das wie die Geschichte von Hase und Igel enden würde. Ich möchte darauf hinweisen, dass wir bereits am 24. Januar 2008, bei der Aussprache zum Jahreswirtschaftsbericht, darauf hingewiesen haben, dass es eine Frechheit ist, bei sinkenden realen Löhnen, bei sinkenden realen Renten und bei sinkenden sozialen Leistungen von Aufschwung zu reden. Es freut mich, dass die FDP von der Linken lernt.

(Beifall bei der LINKEN - Irmingard Schewe-Gerigk [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ein starker Linksruck bei der FDP!)

Umso mehr freut es mich natürlich, dass Sie uns nachlaufen. Herzlich willkommen im Klub!

(Heiterkeit bei der LINKEN)

Ja, es gab einen Aufschwung, und nicht nur für den Staat. Es gab einen Aufschwung für die, die Einkommen aus Unternehmertätigkeit oder Vermögen haben. Diese Einnahmen sind 2006 und 2007 um 7,2 Prozent gestiegen und werden 2008 um 5,6 Prozent steigen. Die Deutsche Bank hat vor kurzem ein Ergebnis von 8,7 Milliarden Euro vermeldet. Es gibt also eine Gruppe, die hier hervorragend lebt und an diesem Aufschwung partizipiert: Das sind die Aktienbesitzer, vor allem die, die große Pakete halten, und das sind insbesondere die Vorstände, also Ihr Klientel. - Ich weiß nicht, warum Sie sich so beschweren, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der LINKEN)

Ich möchte darauf hinweisen, dass es für die Arbeitnehmer im Gegensatz dazu eben keinen Aufschwung gibt. Die Reallöhne sinken weiter. Aufgrund der Angaben des Statistischen Bundesamtes vom 25. Januar 2008 wissen wir, dass die tariflichen Gehälter der Angestellten im letzten Jahr um 2,0 Prozent und die tariflichen Löhne der Arbeiter um 2,5 Prozent gestiegen sind. Gleichzeitig sind die Verbraucherpreise - Angabe vom 31. Januar 2008 - um 2,7 Prozent gestiegen. Ich kann Ihnen also nur sagen: Bei den Arbeitnehmern kommt nichts an.

Ich kann Ihnen auch sagen, dass bei denen, die bei BenQ oder Nokia ihren Job verlieren und künftig mit Arbeitslosigkeit rechnen müssen, auch nichts ankommt. Genauso wissen wir, dass auch bei denen nichts ankommt, die von Minilöhnen leben müssen. Wir wissen also, dass der Aufschwung an einem großen Teil der Bürger, zum Beispiel auch an den Kindern, tatsächlich vollkommen vorbeigeht. Dass man trotz der Tatsache, dass sich die Zahl der Kinder, die in Armut leben, in den letzten zwei Jahren - seit der Einführung von HartzIV -verdoppelt hat, von einem Aufschwung in Deutschland redet, kann ich nur noch als zynisch bezeichnen. Ich kann Ihnen von der Sozialdemokratie nur sagen: Sie sollten einmal darüber nachdenken, ob das noch Ihre Position ist. Sie sagen, dass es in Deutschland aufwärts geht, während die Kinder zunehmend in Armut geraten, während die Arbeitnehmer keine Lohnerhöhung erhalten und während insbesondere auch die Rentner seit Jahren damit fertig werden müssen, dass ihre Renten real sinken, weil sie nicht erhöht werden. Die Steigerung um einen Prozentpunkt, über die jetzt debattiert wird, würde auch wieder nur eine Erhöhung weit unter der Preissteigerungsrate bedeuten. Mit Ihrer Politik klauen Sie den Rentnern die Rente. Das ist nicht positiv, das ist negativ und kein Aufschwung.

(Beifall bei der LINKEN)

Nach einer Umfrage in Spiegel online fürchten 72 Prozent der Rentner, dass sie ihren Lebensstandard im Alter trotz aller Maßnahmen, die sie getroffen haben - trotz Ihrer Riester-Rente und Ähnlichem -, künftig nicht mehr halten können. Ich kann nur sagen: All das, was Sie hier getan haben, führt nicht dazu, dass die Bürger in diesem Lande von Aufschwung reden können.

Sie kennen sicher die Umfrage im ARD DeutschlandTrend vom Dezember 2007, wonach 81 Prozent der Bürger die Frage, ob sie das Gefühl haben, vom Aufschwung zu profitieren, mit Nein beantwortet haben.

Herr Brauksiepe, Sie stellen sich hier fast schon guruhaft hin.

(Dr. Ralf Brauksiepe [CDU/CSU]: Was?)

Guruhaft, also wie ein Guru. Das sind die, die glauben, die Menschen hinter sich herlaufen lassen zu können.

(Beifall bei der LINKEN - Dr. Ralf Brauksiepe [CDU/CSU]: Zu viel der Ehre!)

Wenn Sie glauben, dass die Menschen das, was Sie sagen, angesichts dieser Realität noch glauben, dann glauben Sie auch noch an den Weihnachtsmann.

Ich kann Ihnen nur sagen: Bei Ihnen, und zwar bei allen, bedeutet es offensichtlich schon einen Aufschwung, wenn einer einen Meter unter der Wasseroberfläche gelebt hat und jetzt auf 50 Zentimeter unter der Wasseroberfläche aufsteigt. Er ersäuft dann aber immer noch. Die soziale Lage ist für viele in Deutschland ein Problem. Sie haben das noch nicht begriffen.

Ich danke fürs Zuhören.

(Beifall bei der LINKEN)