Die von der Linksfraktion vorgeschlagene Neuregelung des Sorgerechts für nicht miteinander verheiratete Eltern sieht vor, dass nicht verheiratete Väter in Fragen des Sorgerechts verheirateten Väter gleich gestellt werden sollen. Ziel ist im Interesse des Kindeswohls eine einvernehmliche Regelung der Eltern ohne juristische Eingriffe.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Das Sorgerecht ist ein höchst emotionsgeladenes Thema. Einige – vielleicht auch etliche – haben bestimmt schon persönliche Erfahrungen damit gemacht.
Das Sorgerecht umfasst insbesondere vor dem Hintergrund der UN-Kinderrechtskonvention das Recht des Kindes auf Sorge durch die Eltern und das Recht und die Verpflichtung der Eltern, Verantwortung für das Kindeswohl zu übernehmen. So ergibt es sich im Übrigen auch aus Art. 6 unseres Grundgesetzes.
Es ist hier schon erwähnt worden: 2010 hat das Bundesverfassungsgericht zutreffend festgestellt, dass das geltende Recht nichtverheiratete Väter diskriminiert, die Verantwortung für ihre Kinder übernehmen wollen und können. Die bis dato geltende Rechtslage ist auch schon dargelegt worden, nämlich dass nichtverheiratete Väter, wenn die Mutter nicht zur gemeinsamen Sorge bereit war, keine Möglichkeit hatten, diese elterliche Sorge irgendwie gerichtlich geltend zu machen. Dieses Dilemma war zu lösen. Das Bundesverfassungsgericht hat eine Übergangslösung geschaffen, nach der Väter für den Fall bei Gericht einen Antrag stellen können und das Gericht diesem Antrag stattzugeben hat, sofern Kindeswohlgründe nicht entgegenstehen. Dabei kommt auch klar zum Ausdruck, dass das Kindeswohl die zentrale Frage bei diesen ganzen Entscheidungen sein muss.
Meine Fraktion ist sich dahin gehend einig, dass sich der Staat, solange sich Eltern hinsichtlich der Sorge einig sind, möglichst wenig einmischen sollte.
(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD)
Wenn sich die Eltern einig sind, dass die Mutter oder der Vater die alleinige Sorge haben soll oder auch beide zusammen die gemeinsame Sorge haben sollen, dann geht das den Staat nichts an; es sei denn, es gibt Anhaltspunkte einer Kindeswohlgefährdung. Das ist klar. Aber vom Normalfall ausgehend sollte sich der Staat dabei nicht einmischen.
Jetzt stellt sich die Frage: Wie ist es bei nichtverheirateten Vätern? Bei Eheleuten ist es so: Das Kind wird angemeldet, und automatisch ist der Ehemann der Vater mit allen Rechten und Pflichten. Bei nichtverheirateten Eltern ist es anders. Bei ihnen entstehen die Rechtsbeziehungen des Vaters zum Kind erst durch die Vaterschaftsanerkennung.
Was bedeutet eine Vaterschaftsanerkennung bezogen auf das Kind? Nach meiner Überzeugung bedeutet sie deutlich mehr als der Trauschein. Mit dem Trauschein bekennt man sich nicht automatisch expressis verbis zu dem Kind. Mit der Vaterschaftsanerkennung bekennt man sich konkret zu einem Kind und sagt: Das ist mein Kind. Deswegen denke ich, man könnte wie in Frankreich den Automatismus einführen, dass mit der Vaterschaftsanerkennung Sorgerecht entsteht. Das ist allerdings riskant. Denn es gibt auch Väter, die sich nicht um das Kind kümmern wollen.
Deswegen haben wir nach langer Debatte – wir haben es uns nicht leicht gemacht; immerhin hat es 20 Monate gedauert, bis unser Antrag gestern in der Fraktion mehrheitlich beschlossen wurde – beschlossen, dass es noch eine Zusatzerklärung zu der Vaterschaftserklärung geben soll, mit der der Vater erklärt, dass er bereit und gewillt ist, die väterliche Sorge für das Kind zu übernehmen. Dann entsteht die gemeinsame elterliche Sorge.
Das Bundesverfassungsgericht hat in seiner Begründung die Zutaten für eine Neuregelung aufgeführt. Die Richter haben so in den Gründen angegeben, dem Gesetzgeber bleibe es unbenommen – sie sprechen sogar von einem automatischen Sorgerecht –, frühestmöglich das gemeinsame Sorgerecht zuzusprechen, mit der Möglichkeit für beide Elternteile, das überprüfen und angehen zu können. Das haben wir in dem Fall, den wir unterbreiten, vorgesehen. Wenn das gemeinsame Sorgerecht durch die Erklärung, die Sorge für das Kind übernehmen zu wollen, entsteht, dann haben beide Eltern die gemeinsame Sorge. Wenn diese Erklärung abgegeben wurde und es später zum Streit kommt – wir müssen uns nichts vormachen; im Normalfall kommt es nicht dann zum Streit, wenn die Eltern zum Standesamt oder zum Jugendamt gehen, um die gemeinsame oder alleinige Sorge zu erklären, sondern erst später, wenn sie sich trennen –, dann besteht die gemeinsame Sorge, und beide Elternteile haben wie Eheleute nach § 1671 BGB das Recht, bei Gericht einen Antrag zu stellen, die alleinige Sorge oder Teile der gemeinsamen Sorge auf sich zu übertragen. Diese Möglichkeit hat das Bundesverfassungsgericht vorgegeben. Daran orientiert sich unser Antrag. Ganz wichtig ist – ich denke, darin sind wir uns einig –, dass eine Gerichtsentscheidung Ultima Ratio sein sollte. In der Regel gibt es vor Gericht immer Gewinner und Verlierer. Deshalb ist es wesentlich, dass vor einer Gerichtsentscheidung versucht wird, eine Mediation durchzuführen. Man kann ja niemanden dazu zwingen, aber eine Mediation muss angeboten werden, um gerade im Interesse des Kindeswohls nach Möglichkeit eine einvernehmliche Regelung der Eltern zu erzielen.
Mit unserem Antrag wollen wir das bestehende Dilemma beseitigen und nicht verheiratete und verheiratete Eltern in Bezug auf das Sorgerecht weitgehend rechtlich gleichstellen. Die vorgeschlagenen Änderungen entsprechen den Empfehlungen des Bundesverfassungsgerichts. Bei unverheirateten Paaren sollten beide Elternteile frühestmöglich das gemeinsame Sorgerecht erhalten, mit der entsprechenden Möglichkeit, dieses für einen allein einzuklagen – eben wie bei verheirateten Eltern.
Kinder suchen sich ihre Eltern sowieso nicht nach dem familienrechtlichen Status aus. Frau Granold hat zu Recht darauf hingewiesen: Das Kindeswohl steht bei uns allen im Vordergrund.
Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.