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Atomsteuer kein Tausch gegen Laufzeitverlängerung

Rede von Eva Bulling-Schröter,

4. a) Beratung des Antrags der Abgeordneten Ulrich Kelber, Ingrid Arndt-Brauer, Sabine Bätzing-Lichtentäler, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD Brennelementesteuer - Windfall Profits der Atomwirtschaft abschöpfen > Drucksache 17/2410 Drucksache 17/2425

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Durch eine leere Haushaltskasse werden manchmal Wunder bewirkt. Es wurde anscheinend nämlich das erreicht, was die Bundesregierung und auch die vorherigen Regierungen stets abgewiesen haben: die Einführung einer Brennelementesteuer zur Abschöpfung der Extragewinne der Atomwirtschaft aus dem Emissionshandel.
Wir, die Linke, haben das in jeder Haushaltsberatung gefordert. Das wurde aber immer abgewiesen. Jetzt liegen entsprechende Anträge von SPD und Grünen vor, und auch die Bundesregierung wünscht sich das. Aber lieber jetzt als nie. Schließlich wird mit einer Brennelementesteuer ein unhaltbarer Zustand beendet, nämlich der, dass die Atomindustrie zusätzlich subventioniert wird, und zwar seit 2005 irrwitzigerweise durch ein vermeintlich umweltpolitisches Instrument, den Emissionshandel.
Wie funktioniert das? Wir wissen, Unternehmen erhalten CO2-Zertifikate zum großen Teil kostenlos, ein Teil wird gehandelt. Durch den Emissionshandel steigt der Großhandelspreis an der Strombörse; denn die Betreiber von Kohlekraftwerken schlagen den Handelspreis der CO2-Zertifikate auf den Strompreis auf. Dass sie die Zertifikate bislang geschenkt bekommen haben und so Milliarden an Extraprofiten einfahren, halte ich für einen großen Skandal.
(Beifall bei der LINKEN)

Wenigstens ab 2013 müssen die Kohlekraftwerke die Emissionsrechte ersteigern. Dann endlich könnte der Emissionshandel von einer Gelddruckmaschine zu einem Klimaschutzinstrument werden.
Der zweite Skandal ist der, um den es sich hier heute dreht: Der höhere Handelspreis für Strom nützt auch der Atomindustrie, die mit dem ganzen CO2-Emissionshandel eigentlich nichts zu tun hat.
Denn der Handelspreis bildet sich an der Strombörse nach den Grenzkosten des jeweils teuersten Kraftwerks, das noch zur Versorgung benötigt wird, und dies ist meist ein Kohlekraftwerk, das auch den CO2-Preis kalkulieren muss. AKWs liegen mit ihren laufenden Kosten stets darunter, verkaufen aber zum Kohlekraftwerkspreis.
Die AKW-Betreiber streichen also zusätzliche Profite ein. Diese Windfall-Profits werden die Atomkonzerne auch noch nach 2012 kassieren darauf haben wir immer wieder hingewiesen, das ist aber immer abgewiegelt worden , wenn die Kohlekraftwerke längst ihre Zertifikate ersteigern müssen. Bisher wurde das von der Politik als verschmerzbarer Kollateralschaden behandelt. Ich halte das für absurd; denn es handelt sich um riesige Summen, die die Stromkonzerne stark machen und für die die Verbraucherinnen und Verbraucher blechen müssen.
(Dr. Daniel Volk (FDP): Das stimmt doch nicht! Das ist Unsinn!)

Das Öko-Institut schätzt die leistungslosen Extraprofite pro Jahr für die Atomsparten von RWE, Eon, Vattenfall und EnBW auf insgesamt rund 3,4 Milliarden Euro. Diese Summe kommt noch obendrauf auf jene 125 Milliarden Euro Finanzhilfen und Steuervergünstigungen für die Atomabenteuer, die insgesamt von 1950 bis 2008 geflossen sind.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, die Linke steht für einen unverzüglichen Atomausstieg.
(Beifall bei der LINKEN)

Bis dieser vollzogen ist, muss jedoch eine Brennelementesteuer die Extragewinne der Atomkonzerne aus dem Emissionshandel abschöpfen. Es geht also ausdrücklich nicht um einen Handel „Laufzeitverlängerung gegen Brennelementesteuer“, wie es zum Beispiel Herr Kauder gestern im Morgenmagazin zusammenbastelte.
(Beifall bei der LINKEN, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Nein, es geht nicht um eine solche Verbindung.
Allerdings müssten auch schnellstens jene Extragewinne kassiert werden, die die Kohlekraftwerksbetreiber bis 2012 aus dem Emissionshandel ziehen. Ansonsten könnten Böswillige tatsächlich von einer Bevorteilung der Kohle gegenüber der Atomkraft sprechen. Unbeachtet bleibt ja weiterhin, dass bis 2012 auch die Kohlekraftwerksbetreiber Windfall-Profits haben; denn sie bekommen bis dahin ihre Zertifikate geschenkt. Das spült ihnen je nach Zertifikatspreis 2 bis 3 Milliarden Euro pro Jahr in die Kassen. Diesen gewaltigen Brocken könnte der Bundesfinanzminister auch gerne einsammeln. Dann bräuchte er nicht an die Sozialleistungen heranzugehen. Aber dafür fehlt offensichtlich der politische Wille.
(Dr. Daniel Volk (FDP): Jetzt kommt noch Hartz IV!)

Zurück zur Brennelementesteuer. Was die Höhe angeht, so sollten zusätzlich zu den Emissionshandelsgewinnen auch jene Kosten berücksichtigt werden, die für die Altlastensanierung auflaufen. Die Bruchbuden Asse und Morsleben sind zu einem gehörigen Teil durch westdeutsche AKWs bestückt worden.
(Zuruf von der FDP: Morsleben? Gegenruf von Bärbel Höhn (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Wussten Sie das nicht? Erkundigen Sie sich mal! Angela Merkel! Sylvia Kotting-Uhl (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Mehr als die Hälfte!)

Dafür haben sie nur Peanuts bezahlt. Darum ist jetzt ein Nachschlag fällig.
Das Forum Ökologisch-Soziale Marktwirtschaft, FÖS, hat zur Höhe der Steuer Vorschläge gemacht. Ich denke ein Steuersatz, der am Ende rund 3,5 Cent je Kilowattstunde Atomstrom entspricht, wäre durchaus angemessen. Das ergäbe zusätzliche Haushaltseinnahmen von knapp 5 Milliarden Euro jährlich,
(Dr. Daniel Volk (FDP): Wer zahlt die denn?)

also mehr als das Doppelte dessen, was dem Finanzminister vorschwebt.
Atomkonzerne saftig besteuern statt Sozialleistungen kürzen über den tollen Sparhaushalt wurde bereits diskutiert : Stattdessen geht es immer nur um eine Umverteilung von unten nach oben. Es werden die Ärmsten sein, die durch diesen Sozialhaushalt bluten müssen, statt diejenigen, die die Profite einfahren.
(Dr. Daniel Volk (FDP): Die Ärmsten zahlen auch den Strompreis! - Gegenruf der Abg. Bärbel Höhn (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Deshalb wollen sie auch keinen Wettbewerb und die schlechte Wettbewerbssituation weiter beibehalten! Damit wir höhere Strompreise haben! Absurd ist das!)

Atomkonzerne saftig besteuern statt Sozialleistungen kürzen - das wäre zukunftsfähige Finanzpolitik.
(Beifall bei Abgeordneten der LINKEN)

Es wird immer gesagt, das gehe nicht, das sei nicht EU-kompatibel. Finnland und Schweden machen uns aber vor, dass eine vergleichbare Steuer möglich ist.
(Beifall bei der LINKEN)
Die Argumente, das alles sei nach EU-Recht nicht möglich, sind also vorgeschoben. Ich meine, Herr Schäuble sollte jetzt handeln.
Ich komme zum Schluss. Wir haben gestern im Umweltausschuss sehr intensiv darüber diskutiert. An der Sitzung hat auch ein Vorstandsmitglied von RWE teilgenommen. Nach dem, was er sagt, könnte man meinen, sie wären sehr arm: Wenn sie eine Brennelementesteuer zahlen müssten, dann seien sie nicht mehr börsenfähig. Dabei werden enorme Gewinne erzielt, wie wir in den Börsenblättern lesen können.
Sie, meine Damen und Herren von der Koalition, reden immer davon, dass der Verbraucher mehr bezahlen muss. Wir wollen an die Gewinne dieser großen Konzerne heran. Das ist sozial, und es ist ökologisch.
(Beifall bei der LINKEN)

Wir wollen mehr regenerative Energien. Mit der von Ihnen beabsichtigten Laufzeitverlängerung werden Sie den Ausbau regenerativer Energien verhindern. Sie wollen die Konzernmacht weiter stärken. Das wollen wir nicht. Aus diesem Grunde brauchen wir diese Steuer und eine Gewinnabschöpfung der großen Konzerne. Danke.
(Beifall bei der LINKEN)