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Atomenergie nicht fördern

Rede von Sabine Stüber,

Atomkraft zu betreiben ist keine national-isolierte Angelegenheit. Eine radioaktive Wolke macht vor Staatsgrenzen nicht Halt. Die international agierende Atomwirtschaft bäumt sich wieder auf und versucht mit aberwitzigen Mitteln ihren Albtraum weiter zu träumen, und zwar auf Kosten der Menschen, der Umwelt und der zukünftigen Generationen. Während Deutschland einen zwar langsamen, aber doch richtungsweisenden Atomausstieg vollzieht, umzingeln uns geplante AKW-Neubauten, neuerlich auch in Polen. Dieser Zustand ist unerträglich und muss endlich in einer Diskussion um den Sinn und Zweck des EURATOM-Vertrags und letztendlich in dessen Auflösung münden.

Rede zu Protokoll in der Plenarsitzung vom 14.06.2012

zum TOP: 36
Gegenstand: Antrag SPD „Keine deutsche Zustimmung zu einer europäischen Förderung der Atomenergie“
Drucksachen: 17/9554 und 17/9799

Frau/Herr PräsidentIn,
sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen,

vor wenigen Tagen wurde eine Studie veröffentlicht, aus der hervorging, dass der Süden Deutschlands die mit am meisten von einem atomaren GAU gefährdete Region Europas ist. Und dabei handelt es sich nicht nur um die Bedrohung aus eigenen Atomkraftwerken, vielmehr auch um Bedrohungen durch die nahegelegenen französischen AKW knapp hinter der Grenze.

Atomkraft zu betreiben ist keine national-isolierte Angelegenheit. Eine radioaktive Wolke macht vor Staatsgrenzen nicht Halt. Deswegen müssen wir in der Europäischen Union dringend über die nachbarschaftlichen Verantwortlichkeiten in Sachen Atomkraft sprechen. Während Deutschland einen zwar langsamen, aber doch richtungsweisenden Atomausstieg vollzieht, umzingeln uns geplante AKW-Neubauten, neuerlich auch in Polen. Dieser Zustand ist unerträglich und muss endlich in einer Diskussion um den Sinn und Zweck des EURATOM-Vertrags und letztendlich in dessen Auflösung münden.
Nur auf Grundlage des EURATOM-Vertrages sind solche absurden Forderungen, wie sie von Polen, Großbritannien, Tschechien und Frankreich jetzt zur Förderung der Atomkraft nach Vorbild des Erneuerbaren Energien Gesetzes erhoben werden, überhaupt erst möglich. Es ist ganz klar, dass der Betrieb von Atomkraftwerken nicht nur ökologisch Irrsinn ist, sondern auch ökonomisch. Die Kosten, die mit der Atomkraft verbunden sind, sind so hoch, dass es noch nie irgendwo ein Atomkraftwerk gegeben hat, dass ohne staatliche Unterstützung zu bauen gewesen wäre. Und genau daher kommt auch diese absurde Forderung. Da Polen den fatalen Weg in die Atomkraft einschlagen will und Großbritannien den Bau mehrerer neuer Atomkraftwerke erwägt, brauchen sie solch eine Förderung, um sich den Neubau ihrer Atomkraftwerke irgendwie wirtschaftlich darstellen zu können.

Die Atomwirtschaft lässt sich von vorn bis hinten durchsubventionieren: für den Bau, für den Betrieb, für den Rückbau und für die Entsorgung von Atomkraftwerken und ihren Begleiterscheinungen. Allein in Deutschland sind in den vergangenen Jahrzehnten so Kosten von wenigstens 200 Milliarden Euro zusammengekommen, die die Steuerzahler aufgebracht haben. In anderen Staaten sind die Relationen zumindest ähnlich. Und als ob das nicht genüge, dass wir uns ebenfalls mit Steuergeldern noch um Jahrmillionen strahlenden Müll werden kümmern müssen, und als ob es nicht genüge, dass ein Atomkonzern mit einem laufenden Atomkraftwerk eine Million Euro Profit täglich erwirtschaften kann, bekommt die internationale Atommafia den Rachen nicht voll genug und fordert ein EU-Subventionsprogramm für die Atomkraft. Die Bevölkerung von Staaten wie Österreich, die verfassungsmäßig Atomkraft im eigenen Land verboten haben, würden dann zur Kasse gebeten werden zur Förderung ausländischer Atomkraftwerke! Welch ein Irrsinn! Man kommt sich vor wie in die fünfziger Jahre versetzt, als Franz Joseph Strauß als Atomminister durch die Lande zog und allen das Märchen vom billigen, sauberen und sicheren Atomstrom auftischte und dass das Wirtschaftswunder davon abhinge.

Die international agierende Atomwirtschaft bäumt sich wieder auf und versucht mit aberwitzigen Mitteln ihren Albtraum weiter zu träumen, und zwar auf Kosten der Menschen, der Umwelt und der zukünftigen Generationen. Gleichzeitig verhindern die Institutionen der Europäischen Union die Gründung einer Europäischen Anti-Atom-Bürgerinitiative mit dem billigen Argument, eine solche verstieße gegen den EURATOM-Vertrag. Wenn das Diktat der Wirtschaft in Europa mehr Gewicht hat als die Entfaltung basisdemokratischer Strukturen, dann haben wir ein ernsthaftes Demokratieproblem. Deutschland muss seinen Weg aus der Atomkraft konsequent gehen und auf EU-Ebene ausweiten. Der EURATOM-Vertrag muss aufgelöst werden und einem Vertrag für eine soziale und ökologische Energiewende weichen. DIE LINKE wird ihren Teil dazu beitragen und an der internationalen Vernetzung von Umweltverbänden und Anti-Atom-Initiativen weiter aktiv mitwirken.