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Atomausstieg konsequent fortschreiben und wasserdicht machen!

Rede von Dorothée Menzner,

Herr Präsident! Werte Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren!

Aus Fukushima zu lernen, heißt nicht: AKWs müssen sicherer werden. Nein, sie gehören abgeschaltet, und zwar unverzüglich.

(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Atomenergie ist ein globales Problem. Kein Land dieser Welt weiß, wohin mit seinem strahlenden Müll. Die Atomkonzerne sind globale Konzerne, und die Strahlung ist ebenfalls global. Sie macht an keiner Ländergrenze halt.

Die Folgen sind langfristig, wenn es zu einem Unfall kommt. Das wissen wir aus eigener leidvoller Erfahrung. Für diejenigen von Ihnen, die es vielleicht nicht wissen: Bis heute, 27 Jahre nach Tschernobyl, müssen neun von zehn in Teilen des Bayerischen Waldes gejagten Wildschweinen vernichtet werden, weil sie zu hoch mit Strahlen belastet sind. Und das nach 27 Jahren!

Deutschland ist nach wie vor ein Teil des Problems. Ja, es ist richtig: Vor zwei Jahren haben wir hier einen Beschluss zum Ausstieg gefasst. Neun AKWs sind damals vom Netz gegangen. Aber der Ausstieg erfolgte nicht schnellstmöglich. Wir als Linke haben nachgewiesen, dass er deutlich zügiger und schneller möglich gewesen wäre.
Der Ausstiegsbeschluss, der damals gefasst wurde, ist nicht unumkehrbar. Das heißt, jede neue Parlamentsmehrheit kann ihn revidieren. Außerdem erleben wir, dass der Druck auf uns alle, diese Meinung zu ändern, sehr groß ist.

Und: Deutschland ist nach wie vor Globaler Player im nuklearen Geschäft. Ich möchte das an einigen Beispielen deutlich machen: Die Urananreicherungsanlage in Gronau produziert weit mehr, als die deutschen Anlagen brauchen. Weiter ist zu nennen: die Brennelementeproduktion in Lingen, der Export von Atomkraftwerkstechnik und Investitionen in AKWs in anderen Ländern; hier möchte ich als Beispiele nur Brasilien, die Türkei und Saudi-Arabien anführen.

Des Weiteren ist Deutschland nach wie vor Teil des Euratom-Vertrages. Wir nehmen aber keine Initiativen wahr, um diesen Vertrag aufzulösen oder aus dieser Staatengemeinschaft, die sich zum Ziel gesetzt hat, Atomkraft zu fördern und auszubauen, auszusteigen.

(Dr. Martin Lindner (Berlin) (FDP): Wären Sie bei der Anhörung dabei gewesen, wüssten Sie, dass das nicht geht!)

Ich sehe von dieser Bundesregierung keine Initiative dazu.
Gerade neulich haben wir im Umweltausschuss gehört, dass sich die Bundesregierung auf das Prinzip der Nichteimischung beruft, wenn wir an die Gefahren erinnern, die von maroden, alten Kraftwerken in anderen Ländern dicht hinter der deutschen Grenze ausgehen.

Ich habe am Montag deutsche Initiativen im Saarland besucht, die sich mit Cattenom beschäftigen. Es schaudert einen, wenn man ihre Berichte über Cattenom hört, wenn sie berichten, dass die Anlage nur alle zehn Jahre einer Grundrevision unterzogen wird, wenn sie von freiliegenden Armierungsstählen an der Betonkuppel berichten, wenn sie berichten, dass bei der Revision zwei Arbeiter tödlich verletzt wurden, weil ein Gerüst nicht richtig verankert war. Klar, das ist kein nuklearer Unfall, aber wenn solche Unfälle passieren, deutet dies zumindest auf Sicherheitsmängel hin. Dann möchte ich nicht wissen, wie es im nuklearen Teil der Anlage aussieht.

Herr Altmaier, ich gehe davon aus, dass Sie als Saarländer dies und noch eine ganze Menge mehr berichten und uns erzählen könnten. Aber Wissen allein reicht nicht aus. Handeln ist das Gebot der Stunde nach all den Erfahrungen, die die Menschheit mit dieser Technik in den letzten Jahren und Jahrzehnten machen musste: in Sellafield, in Harrisburg, in Tschernobyl und in Fukushima.

(Beifall bei der LINKEN)

Ich meine, es waren genug dramatische Unfälle, die reichen sollten, dass die Menschheit dazulernt. Vor zwei Jahren haben wir hier alle unsere Trauer und Solidarität mit den Japanerinnen und Japanern bekundet. Ich war seither viele Wochen und zu verschiedenen Terminen in ganz Japan unterwegs. Es ist richtig: Japan braucht unsere Solidarität, und zwar nach wie vor.

(Beifall bei Abgeordneten der LINKEN)

Gerade gestern habe ich mit einer japanischen Delegation hier im Haus gesprochen. Sie haben mir berichtet, dass der deutsche Atomausstieg damals zwar eine große Hoffnung verbreitet hat, dass sie aber das Gefühl haben: Wir kommen nicht weiter. - Sie wünschen sich Unterstützung und Solidarität beim Ausbau erneuerbarer Energien in Japan. Wir alle wissen, dass dieses Land aufgrund von Sonne, Wind und Gezeiten dafür noch viel besser geeignet ist als Deutschland.

Die Japaner waren ganz erstaunt, als sie hörten, dass erneuerbare Energien bei uns inzwischen ein Arbeitsmarktmotor sind. Es ist in Japan nämlich nicht bekannt, dass es in diesem Bereich fast 400 000 Arbeitsplätze gibt. Das ist ein Argument in einem Land, das von einer Wirtschaftskrise geschüttelt wird.

(Beifall bei der LINKEN)

Japan braucht Unterstützung bei der gesundheitlichen Versorgung; IPPNW hat diese Woche dramatische Zahlen vorgelegt. Japan braucht weiter Unterstützung und Solidarität bei der Bewältigung des Desasters. Selbst Tepco rechnet mit 40 Jahren, bis die Anlage zurückgebaut und stabil ist. Nicht zuletzt die fast 80 Prozent der Japanerinnen und Japaner, die sich jetzt gegen Atomkraft wenden, brauchen unsere Solidarität und die Unterstützung der deutschen Anti-AKW-Bewegung.

(Beifall bei der LINKEN sowie des Abg. Marco Bülow (SPD))

Der deutsche Miniausstieg hat in Japan Mut gemacht. Ich finde, wir sollten die richtigen Konsequenzen ziehen und unseren Ausstieg konsequent fortschreiben und wasserdicht machen.

Ich danke Ihnen.

(Beifall bei der LINKEN sowie des Abg. Marco Bülow (SPD))