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Asozialen Reichtum gerecht besteuern, Erfahrungsvorsprung des Ostens im Umgang mit Umbrüchen nutzen

Rede von Roland Claus,

Rede von Roland Claus, Haushaltspolitischer Sprecher und Ost-Koordinator der Fraktion DIE LINKE, in der Schlussrunde der Debatte zum Haushalt 2016 am 27. November 2015

Roland Claus (DIE LINKE):

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich habe mich bei der ersten Lesung dieses Bundeshaushaltes in der Schlussberatung - es war der 11. September 2015, also 14 Jahre nach 9/11 - an meine sehr persönliche Wahrnehmung von 2001 und vom folgenden Afghanistan-Krieg erinnert. Ich konnte nicht ahnen, dass mich diese Erinnerung schon heute wieder einholt. Jenseits jeder Rechthaberei bin ich sehr traurig darüber, dass wahrscheinlich die nächste Kriegsbeteiligung droht. Herr Schäuble, ich empfinde das auch nicht als unsolidarisch gegenüber Frankreich. Ich sage deshalb noch einmal: Krieg ist die falsche Antwort auf den Terror.

(Beifall bei der LINKEN)

Wir haben in diesen Tagen einen Bundesfinanzminister erlebt, der beim Betrachten der sogenannten schwarzen Null vorsichtiger geworden ist. Er hat uns jetzt die Null immer mit der Formulierung „wenn möglich“ präsentiert. Das hat gewiss seine Gründe. 2014 gab es vor allen Dingen wegen einer Menge von Ausgabenresten einen ausgeglichen Haushalt. 2015 gab es hohe Mehreinnahmen und geringere Zinsbelastungen. In 2016 aber sind die Spielräume ziemlich ausgereizt. Ja, da gebe ich Ihnen recht, Herr Bundesfinanzminister: Wir sind deshalb sehr von der wirtschaftlichen Entwicklung abhängig.

Ich will in dem Zusammenhang eine Anmerkung machen. Es ist für mich erstaunlich ruhig geworden im Parlament, was die Rolle der Finanzmärkte und der Schattenbanken angeht. Schattenbanker wünschen sich - wie der Name schon sagt -, nicht in die Öffentlichkeit zu treten. Der Song ist alt, der Text aber nicht falsch: „Die im Dunkeln sieht man nicht“.

Aber gerade wegen der Abhängigkeit der Staatsfinanzen von der Wirtschaftsentwicklung sagen wir: Die unselige Dominanz der Finanzwirtschaft gegenüber der Realwirtschaft muss endlich überwunden werden, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der LINKEN)

Deshalb ist es für uns auch nicht zu akzeptieren, dass Koalition und Regierung über Mehreinnahmen für den Bundeshaushalt nicht einmal nachdenken. Die soziale Spaltung der Gesellschaft wird hingenommen. Ohne eine grundlegende soziale Modernisierung der Gesellschaft aber wird die Republik, die Gesellschaft ihrer humanistischen Verantwortung nicht gerecht werden können. Deshalb fordern wir nach wie vor, asozialen Reichtum gerecht zu besteuern.

(Beifall bei der LINKEN)

Vor kurzem wurden 25 Jahre Deutsche Einheit gefeiert. Wir sollten nicht vergessen: 1989/90 haben nicht nur die Ostdeutschen - aber sie besonders - eine neue Kompetenz erlernen müssen, nämlich die Kompetenz zur Lösung eigentlich unlösbarer Aufgaben. Mein Eindruck heute ist, dass wir diese Transformationserfahrungen und auch diesen Erfahrungsvorsprung im Umgang mit Umbruchsituationen heute - und zwar bundesweit - sehr gut gebrauchen können.

(Beifall bei der LINKEN sowie der Abg. Monika Lazar (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

Zum Schluss: In den Haushaltsberatungen wurden etliche biblische Weisheiten zitiert. Herr Kauder meinte gar, die Bibel gegen das Marx´sche Kapital stellen zu müssen. Aber Marx war bibelfest, und ich will das auch belegen.

So findet sich im Kapital - in Band 3; ich liefere alle Quellen nach -

(Michael Grosse-Brömer (CDU/CSU): Lieber nicht!)

eine, wie ich finde, hochaktuelle Passage, in der Marx sich auf Martin Luther und dessen Bibelverweis besinnt: „Deine Fürsten sind der Diebe Gesellen geworden.“ Ich denke, Sie kennen den Fortgang des Spruches und wissen, was jeweils aus den kleinen und großen Dieben geworden ist.

So viel hochaktuelle Gesellschaftskritik durch Bibel, Marx und Luther sollte auch bei dieser Regierung und bei dieser Koalition nicht folgenlos bleiben, meine Damen und Herren.

Vielen Dank.

(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)