Thomas Lutze (DIE LINKE):
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Gabriel, zu Ihrer Bemerkung vorhin, was die Fraktionen Die Linke und Bündnis 90/Die Grünen angeht: Dass Sie in Ihrer Politik energieintensive Unternehmen und Großverbraucher gleichgesetzt und gleichbehandelt haben, ist der entscheidende Grund dafür, dass diese beiden Fraktionen damals sehr kritisch gewesen sind.
(Beifall bei der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Zuruf von der SPD: Haben wir doch gar nicht gemacht!)
Das macht keinen Sinn. Schauen Sie sich Ihre Tabelle an, aus der hervorgeht, welche Branchen quasi staatlich gefördert werden. Da sind höchstens 20 Prozent energieintensive Unternehmen wie die Stahlindustrie dabei, die heute unser Thema ist.
Ich kann mich sehr gut, liebe Kolleginnen und Kollegen, in diejenigen Beschäftigten hineinversetzen, die heute berechtigte Sorgen um ihre Arbeitsplätze haben. Ich selbst habe vor rund 30 Jahren in einer Eisengießerei meine erste Ausbildung gemacht. Dass am 11. April 2016 beim bundesweiten Aktionstag der IG Metall bei uns an der Saar rund 20 000 Menschen auf die Straße gingen, ist mehr als ein deutliches Zeichen; das ist wirklich ein Alarmsignal. In Dillingen, in Völklingen, in Neunkirchen und auch in Saarbrücken, also dort, wo ich zu Hause bin, machen sich die Beschäftigten vollkommen zu Recht sehr viele Sorgen.
Im saarländischen Landtag kam es zu einer gemeinsamen Erklärung von CDU, SPD und Linken
(Dr. Joachim Pfeiffer (CDU/CSU): Oje!)
für eine Zukunft der einheimischen Stahlindustrie. Auch in diesem Landesparlament ist man sich mit einer großen Mehrheit der Verantwortung bewusst, die wir gegenüber den Beschäftigten haben. Diese Verantwortung gegenüber den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Stahlindustrie tragen auch wir, liebe Kolleginnen und Kollegen, hier im Deutschen Bundestag.
(Beifall bei der LINKEN)
Woher kommen aber die große Skepsis und die Zukunftsangst der Stahlarbeiter? Als 2012 das letzte Steinkohlebergwerk an der Saar geschlossen wurde, gab es zahlreiche Versprechen aus der Politik. Vor allem wurden ausreichend Ersatzarbeitsplätze versprochen. Mir konnte bisher noch keiner einen vergleichbaren Ersatzarbeitsplatz im Saarland zeigen. Da ist sehr viel liegen geblieben, und da gibt es unter den Bergleuten eine hohe Frustration; denn die Menschen sind in den Ruhestand abgeschoben wurden, darunter viele, die gern noch weiter berufstätig geblieben wären.
Dieses unwürdige Schicksal der Bergleute ist die Motivation der Menschen, die sich heute Sorgen um ihre Jobs in der Stahlindustrie machen. Sie glauben der Politik nicht einfach so, dass alles gut wird. Uns aber darf das Schicksal dieser Menschen nicht egal sein.
(Beifall bei der LINKEN)
Dennoch muss man die Debatte auch sachlich führen. So beschert der Emissionsrechtehandel den Stahlunternehmen derzeit zusätzliche Erträge. Die Stahlbranche sieht in der Verschärfung bei den Handelsrechten einen Nachteil für die Standorte in Deutschland. Wir müssen sehr genau klären, wie wir zukünftig damit umgehen. Die entscheidenden Veränderungen gerade bei diesem Thema stehen erst in der nächsten Handelsperiode ab 2020 an.
(Hubertus Heil (Peine) (SPD): Aber die Entscheidungen werden jetzt vorbereitet!)
Bis dahin muss für die in Bedrängnis geratene Stahlbranche eine kurzfristige Lösung gefunden werden.
Für uns ist klar: Wir sind für eine Unterstützung der Stahlunternehmen zum Schutz der Arbeitsplätze. Wenn es aber um eine öffentliche Unterstützung geht, dann muss man auch etwas an der Eigentümerstruktur der betroffenen Unternehmen verändern.
(Hubertus Heil (Peine) (SPD): In Niedersachsen gehört das dem Land Niedersachsen!)
An der Saar haben wir einen Saarland-Pakt und damit eine öffentliche Stahlstiftung. Privaten Unternehmen wird nur eine Minderheitenbeteiligung eingeräumt. Mit diesem Modell war es unter der damaligen Lafontaine-Landesregierung möglich, die sehr stark angeschlagenen Unternehmen an der Saar zu retten und sie zu sanieren. Heute sind sie vergleichsweise gut aufgestellt.
(Beifall bei Abgeordneten der LINKEN)
Was jedoch nicht geht, ist, dass international tätige Stahlkonzerne in der Bundesrepublik in guten Zeiten fette Profite machen, dass hohe Dividenden ausgezahlt werden und dass am Ende das Geld sonst wohin abwandert, während in schlechten Zeiten die Hände aufgehalten werden, so wie wir das schon bei den Banken erlebt haben. Die Stahlstiftung an der Saar hat genau diesen Missbrauch verhindert. Hier wurden aus den Gewinnen Rücklagen gebildet, die heute, zumindest für eine Übergangszeit, das Überleben der Standorte sichern. Saarstahl und Dillinger Hütte haben eine Eigenkapitalquote von sage und schreibe 85 Prozent. Deshalb wäre es wichtig, dass wir uns daran ein Beispiel nehmen. Dieser Saarland-Pakt könnte ein bundesweites Modell werden.
(Beifall bei der LINKEN)
Einen vergleichbaren Vorschlag hat im Übrigen der SPD-Politiker Beck vor einigen Jahren schon einmal gemacht, als er einen Deutschland-Pakt vorschlug. Bis auf einige kritische Details wäre das für meine Begriffe eine hervorragende Diskussionsgrundlage. Hier muss allerdings der Wirtschaftsminister tätig werden. Allein markige Sprüche, wie wir sie gerade gehört haben, lieber Genosse Gabriel, werden den Beschäftigten in der Stahlindustrie nicht unbedingt weiterhelfen. Hier sind ganz konkrete Taten gefragt.
(Beifall bei der LINKEN)
Liebe Kolleginnen und Kollegen, zum Abschluss: Eine Antwort auf die Herausforderung des Klimawandels gebe ich nicht dadurch, dass ich effiziente Werke hierzulande schließe und den Stahl von dorther importiere, wo er eine schlechtere Ökobilanz hat. Es ist vorhin schon gesagt worden: Im vergangenen Jahr wurden allein 7 Millionen Tonnen Stahl aus China exportiert. Wäre der gleiche Stahl hierzulande produziert worden, wären rund 30 Prozent CO2 eingespart worden. Auch da geht es um Klimaschutz, liebe Kolleginnen und Kollegen.
Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit. Glück auf!
(Beifall bei der LINKEN)