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Arbeitsmarktpolitik der letzten Regierungen ist alles andere als eine Erfolgsgeschichte

Rede von Klaus Ernst,

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Frau Ministerin! Natürlich freut es uns, dass die Zahl der Arbeitslosen bei uns in der Bundesrepublik zurückgeht. Es freut uns auch, dass die Zahl der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten steigt. Und: Die Zahl junger Menschen ohne Arbeit ist im Vergleich zu der anderer Länder geringer. Wer würde sich darüber nicht freuen?

(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD)

Aber, Frau Ministerin, das alles darf nicht den Blick auf die Kehrseite der Medaille verstellen: Seit dem Jahr 2000 stagnieren in unserem Land die Löhne. Fast 25 Prozent der abhängig Beschäftigten sind im Niedriglohnbereich tätig und werden, wie Sie wissen, teilweise zu Hungerlöhnen beschäftigt. Wir haben einen der am wenigsten regulierten Arbeitsmärkte in Europa. Die Zahl der Leiharbeitnehmerinnen und -arbeitnehmer liegt bei fast 1 Million. Immer mehr Menschen sind nur befristet beschäftigt oder über Werkverträge in Arbeit. Das ist wahrlich keine Erfolgsgeschichte.

(Beifall bei der LINKEN)

Auf den Hauptpunkt will ich noch einmal hinweisen. Mit den Arbeitsmarktreformen wurde uns versprochen: Es kommt zu mehr Arbeit. - Der eigentliche Indikator für mehr Arbeit ist die Zahl der geleisteten Arbeitsstunden.

(Max Straubinger (CDU/CSU): Die Arbeitsstunden werden doch gar nicht mehr angegeben!)

Will man also die Frage nach dem Erfolg der Arbeitsmarktpolitik der letzten Bundesregierungen stellen - Herr Straubinger, das gilt auch für Sie -, dann muss man vergleichen, wie viele Arbeitsstunden es im Jahr 2000 und wie viele es im Jahr 2013 waren. Wenn man dies tut, stellt man fest, dass diese Zahl annähernd gleich geblieben ist. Es sind circa 58 Milliarden Arbeitsstunden.

Was zeigt das? Wir können die Arbeit noch so billig machen, wir können den Arbeitsmarkt noch so stark deregulieren, wie Sie das gemacht haben: Es führt im Ergebnis nicht dazu, dass tatsächlich ein Mehr an Arbeitsstunden entsteht. Das Ergebnis der Arbeitsmarktpolitik der letzten Regierungen ist: Arbeit wurde schlechter bezahlt, und Arbeit wurde auf mehr Menschen verteilt; das ist alles. Das ist keine Erfolgsgeschichte.

(Beifall bei der LINKEN)

Ich erlebe in dieser Frage so viel Eigenlob vonseiten der Regierung, dass mir manchmal ganz schwindlig wird. Das erinnert mich an den Satz: Das Unterbewusstsein unterscheidet nicht, wer auf die Schulter klopft. - So haben wir die Regierung in den letzten Tagen erlebt.

Es gibt keinen Grund, um sich auf die Schulter zu klopfen. Stichwort „Entwicklung der Langzeitarbeitslosen“: Seit 2009 stagniert die Zahl der Langzeitarbeitslosen auf hohem Niveau. Gleichzeitig hatte die letzte Bundesregierung die Ausgaben zur Eingliederung Langzeitarbeitsloser in den Arbeitsmarkt drastisch gekürzt. Der Etat für Eingliederungsleistungen sank von 6,6 Milliarden Euro 2010 auf 3,9 Milliarden Euro 2013. Im aktuellen Haushalt wird an dieser Zahl festgehalten. Das ist fast eine Halbierung im Vergleich zu dem, was wir vor 2010 hatten.

Legt man die durchschnittliche Pro-Kopf-Förderung aus dem Jahre 2010, also vor den Kürzungen, zugrunde, Frau Nahles, dann müsste der Etat bei 5,5 Milliarden Euro liegen, also 1,6 Milliarden Euro höher als der, den Sie uns vorlegen. Deshalb haben wir in unserem Änderungsantrag gefordert, den Etat entsprechend aufzustocken, um für die Betroffenen zumindest wieder den Stand pro Kopf zu erreichen, den wir vor 2010 hatten.

(Beifall bei der LINKEN)

Meine Damen und Herren insbesondere von der CDU/CSU, Sie versuchen, das Problem der Langzeitarbeitslosigkeit durch Ausnahmen beim Mindestlohn zu lösen. Aber wenn in der Frage der Beschäftigung von Langzeitarbeitslosen tatsächlich der Lohn ausschlaggebend wäre, dürfte es das Problem gar nicht geben. Zurzeit gibt es schließlich noch keinen Mindestlohn. Aber das Problem gibt es trotzdem. Deshalb sagen wir: Diese Frage mit Ausnahmen zu regeln, ist ein Riesenunfug und eine himmelschreiende Ungerechtigkeit.

(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Die beste Lösung, Langzeitarbeitslosigkeit anzugehen, sind die Qualifizierung und entsprechende Hilfen bei der Eingliederung. Genau da setzen Sie leider die Politik fort, die die alte Bundesregierung gemacht hat. Damals wurde eine Kürzung von 32 Milliarden Euro beschlossen, allein 16 Milliarden Euro bei der aktiven Arbeitsmarktpolitik. Der Paritätische Gesamtverband sagte dazu 2014: Was Frau von der Leyen mit ihrer arbeitsmarktpolitischen Abrissbirne noch stehen gelassen hat, ist ein Feld arbeitsmarktpolitischer Verwüstung.

Wir bräuchten in diesem Bereich einen Ausbau, Frau Nahles. Einen solchen Ausbau können wir aber nicht erkennen.

(Beifall des Abg. Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

Wenn wir schon über Kürzungsprogramme reden, will ich übrigens noch eines anführen: Frau von der Leyen hätte eigentlich im Verteidigungshaushalt kürzen müssen. Die Ausgaben sind aber höher als 2010. Wenn sich also noch jemand an diese Vorgaben hält, dann Sie. Andere haben sich schon lange davon verabschiedet. Sie brauchen nicht aus Gehorsam gegenüber der alten Regierung Ihre Grundsätze von früher zu vergessen.

(Beifall bei der LINKEN)

Ich möchte noch eine zweite himmelschreiende Ungerechtigkeit ansprechen. Frau Schwesig hat als Sozialministerin in Mecklenburg-Vorpommern Folgendes gesagt ‑ Zitat ‑:

Noch nie hat es eine derart tatenlose Bundesfamilienministerin gegeben, die dem Sparhammer der Bundesregierung gegen Familien nicht nur zustimmt, sondern dann auch noch öffentlich applaudiert … Schwarz-Gelb streicht der alleinerziehenden Hartz-IV-Empfängerin das Elterngeld, der Hausfrau mit gut verdienendem Ehemann aber nicht ... Das ist nicht nur sozial unverantwortlich, sondern auch fachlich purer Unsinn.

(Beifall bei der LINKEN)

Damit hat Frau Schwesig vollkommen recht. Ich frage mich: Reden Sie eigentlich nicht mit ihr, dass Sie nach wie vor an dieser Ungerechtigkeit festhalten, die Bezieher von Arbeitslosengeld II anders zu behandeln als den Rest der Welt?

Ich fordere Sie auf: Reden Sie mit ihr! Vielleicht kommen Sie dann zu einem anderen Ergebnis.

Die letzte Ungerechtigkeit in diesem Haushalt, die ich ansprechen möchte, ist die willkürliche Berechnung der Höhe des Existenzminiums im Arbeitslosengeld-II-Bezug. Es gibt ein Gerichtsurteil aus Berlin, in dem deutlich gemacht wird, dass die 391 Euro nicht ordentlich berechnet worden sind. Das geht jetzt zum Bundesverfassungsgericht. Es wäre sinnvoll gewesen, in diesem Haushalt nicht nur den Istzustand fortzuschreiben, sondern im Zuge dessen, was Sie bei der Wahl gesagt haben, Initiative zu entwickeln, nämlich eine deutliche Aufstockung des Regelsatzes beim ALG II vorzunehmen. Erinnern Sie sich an das, was Sie vor der Wahl gesagt haben! Dann bekommen Sie auch mehr Zustimmung und müssen es nicht immer alleine machen.

(Beifall bei der LINKEN)