Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Kolleginnen und Kollegen!
Mit dem vorgelegten Gesetzentwurf wollen Sie die Ausreise und den Versuch der Ausreise in einen Staat, in dem sich ein sogenanntes Terrorcamp befindet, unter Strafe stellen, wenn diese Ausreise in der Absicht geschieht, eine terroristische Gewalttat zu begehen. Gleichzeitig wird die Bestrafung der sogenannten Terrorismusfinanzierung neu geregelt.
Die in der ersten Lesung zu diesem Gesetzentwurf vorgetragenen Einwände bleiben bestehen. Es gibt ‑ erst recht nach der Anhörung im Ausschuss ‑ noch weitere Argumente, weshalb wir Ihren Gesetzentwurf ablehnen werden. Ein Teil der Sachverständigen hat verfassungsrechtliche Bedenken vorgetragen. Diese beziehen sich auf den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz, das Übermaß- und das Bestimmtheitsgebot.
(Beifall bei der LINKEN)
Ich teile diese Bedenken ausdrücklich.
Darüber hinaus wurde von einigen Sachverständigen auf Nachweisprobleme hingewiesen. Diese wiederum könnten dazu führen, dass es zwar einen Straftatbestand im Strafgesetzbuch gibt, in einem rechtstaatlichen Verfahren eine Verurteilung aber nicht herbeiführbar ist. Damit bleibt eine solche Gesetzesänderung nur reine Symbolpolitik.
(Beifall bei der LINKEN)
Der vorgelegte Änderungsantrag macht den Gesetzentwurf auch nicht zustimmungsfähig; denn was auf der einen Seite eine moderate und kleine positive Änderung ist ‑ nämlich die Einführung der tätigen Reue ‑, wird auf der anderen Seite durch die Erweiterung des subjektiven Tatbestandes wieder aufgehoben. Sie schreiben in der Begründung, dass Sie davon ausgehen, dass Nachweisprobleme verringert werden sollen. Ich sehe das genau andersherum. Die Absicht der Terrorismusfinanzierung nachzuweisen, wird mindestens genauso schwer sein, wie das Wissen um die Terrorismusfinanzierung nachzuweisen.
Wir alle hier im Saal sind uns einig, dass wir nicht wollen, dass jemand in solche Camps ausreist. Aber ‑ auch da wiederhole ich mich im Hinblick auf das, was ich in der ersten Lesung gesagt habe ‑ wie soll denn praktisch die Ausreise verhindert werden? Tatsächlich wird es wohl so sein, dass derjenige, der ein Flugticket, zum Beispiel in den Irak, nach Syrien oder in ein Transitland wie die Türkei, erwirbt und den Sicherheitsbehörden terrorverdächtig erscheint, vor der Ausreise festgenommen werden kann. So ist es geplant. Aber die Fragen, wer terrorverdächtig ist, wie das konkret geprüft werden soll und warum es dann, wenn man terrorverdächtig ist, nicht andere Wege geben soll, die Ausreise zu verhindern, sind auch in der Anhörung nicht beantwortet worden. Am Ende ‑ das muss man mit aller Deutlichkeit sagen ‑ ist dieser Gesetzentwurf ein weiterer Schritt zur Umwandlung des Rechtsstaates in einen Präventionsstaat. Der liberale Rechtsstaat ist aber ein Wert an sich, und wir sollten ihn gemeinsam verteidigen, statt ihn immer weiter auszuhöhlen.
(Beifall bei der LINKEN sowie des Abg. Uwe Kekeritz (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))
Wenn wir auf dem Weg des Ausbaus von Überwachungsinstrumenten in der Strafprozessordnung und im Gefahrenabwehrrecht weitergehen, dann stellen wir selbst infrage, was wir eigentlich verteidigen wollen. Wenn wir auf dem mit dem Terrorismusstrafrecht 1976 begonnenen Weg einer Entwicklung weg von Tatstrafrecht und Schuldprinzip hin zu einer Verpolizeilichung des Strafrechts nicht endlich umkehren, sondern ihn immer weiter beschreiten, dann haben am Ende all jene Terroristinnen und Terroristen gewonnen, die sich gegen eine freiheitlich-demokratische Grundordnung wenden. Lassen Sie uns endlich zu folgendem Grundsatz zurückkehren und ihn einhalten: Für die Abwehr konkreter Gefahren ist das Gefahrenabwehrrecht zuständig und nicht das Strafrecht. Das Strafrecht verlangt eine Rechtsgutverletzung, mindestens aber eine konkrete Rechtsgutgefährdung.
Die von der Bundesregierung eingesetzte Kommission zur Überprüfung der Sicherheitsgesetzgebung in Deutschland fordert eine strafverfolgungspraktische, verfassungsrechtliche und rechtspolitische Überprüfung des GVVG. Sie hätten der Kommission folgen sollen, statt auf die billige Beruhigungspille Strafrecht zu setzen. Die Linke lehnt deshalb Ihren Gesetzentwurf ab und fordert im vorliegenden Entschließungsantrag seine Rücknahme.
(Beifall bei der LINKEN)