Eva Bulling-Schröter (DIE LINKE):
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Der Emissionshandel wurde von Ihnen hier im Hause stets als marktgerechtes Instrument gepriesen, die Klimaschutzziele preiswert und zielgenau zu erreichen. Ich denke, wir wurden eines Besseren belehrt. Er ist als umweltpolitisches Instrument bislang gescheitert.
Die Lage wird immer absurder, je genauer die Datenlage. Einschließlich dessen, was sich der Staat über den KfW-Mechanismus an zusätzlichen Zuteilungen aus der Zukunft borgt, gibt die Bundesregierung in jedem Jahr dieser Handelsperiode Zertifikate über 507 Millionen Tonnen an die Anlagenbetreiber aus. Ursprünglich wurde angenommen, die Emissionen der Basisperiode 2000 bis 2002 hätten im Schnitt rund 501 Millionen Tonnen pro Jahr betragen. Schon unter Rot-Grün wurden also von vornherein Zertifikate über 5 Millionen Tonnen mehr zugeteilt, als damals überhaupt CO2 ausgestoßen wurde. Heute wissen wir, dass die tatsächlichen Emissionen der Basisperiode lediglich bei 474 Millionen Tonnen pro Jahr lagen. Daraus ergibt sich eine Überausstattung in der ersten Handelsperiode von ganzen 7 Prozent. Das ist das Gegenteil von ambitionierter Klimapolitik.
(Beifall bei der LINKEN)
Unter dem Strich ist es kein Wunder, dass die Emissionen des Emissionshandels-bereichs der Bundesrepublik in 2006 im Vergleich zur Basisperiode um 3 Millionen Tonnen angestiegen sind. So lief das eben europaweit: Die EU-Kommission berichtet von einer Überausstattung von 118 Millionen Tonnen. Logisch, dass der Preis für das Recht, eine Tonne CO2 auszustoßen, nach den Datenveröffentlichungen auf unter einen Euro sank. Ähnlich verhängnisvoll wie das zu niedrige Cap waren die vielen Sonderregelungen im Zuteilungsgesetz. Ich erinnere nur an die Regelung, bereits gebaute Kohlekraftwerke für 14 Jahre mit der vollen Zuteilung auszustatten. Dass Rot-Grün nicht ein einziges Zertifikat zur Versteigerung vorgesehen hatte, ist dann nur noch der Gipfel des Versagens.
(Beifall bei der LINKEN)
Die leistungslos erzielten Extraprofite in Milliardenhöhe, die sich die Konzerne dadurch in die Tasche stecken konnten, haben das Instrument vollständig, aber wirklich vollständig, diskreditiert. Glauben Sie nicht, dass sich daran wesentlich etwas ändert, wenn das Parlament nun wenigstens die Versteigerung von 10 Prozent der Zertifikate beschließt, die nach EU-Recht möglich wären! Immerhin 90 Prozent werden ja mindestens bis 2012 wiederum verschenkt.
(Ulrich Kelber [SPD]: Nein, stimmt nicht! Lesen!)
In diesem Zusammenhang wundert es mich schon sehr, dass die Abgeordneten der Linken offensichtlich die einzigen sind, die so etwas wie eine Windfall
-Profit-Tax fordern.
(Beifall bei der LINKEN)
Die Bundesregierung - das wissen wir aus Recherchen - hat noch nicht einmal geprüft, wie diese Extragewinne abzuschöpfen wären. Schade!
(Ulrich Kelber [SPD]: Nein!)
- Sie können ja nachher dazu etwas sagen.
(Ulrich Kelber [SPD]: Beide Aussagen waren falsch! - Dr. Uwe Küster [SPD]: Schade, dass Sie nicht lesen können!)
Um Hartz-IV-Empfänger zu schröpfen, entwickeln Sie mehr Fantasie. Da sind Sie wesentlich schneller. Herr Gabriel meint, die Extragewinne würden irgendwie
schon dadurch beschnitten, dass die Emissionsgrenze diesmal niedriger liegt als der tatsächliche Ausstoß.
(Ulrich Kelber [SPD]: So ist es ja auch!)
Dazu sind zwei Dinge zu sagen: Erstens. Die 1,5 Prozent weniger CO2 jährlich, die Sie dem emissionshandelspflichtigen Sektor abverlangen, stellen sicherlich keine Revolution dar; zweitens ist es auch nicht logisch, dass die Energieversorger die künftigen Zertifikatspreise von vielleicht 20 Euro nun nicht mehr als Opportunitätskosten auf den Strompreis umlegen werden. Das widerspricht allen Theorien, die es dazu gerade auch aus konservativen Denkstuben gibt. Dieser Mechanismus hat noch nicht einmal etwas mit der Oligopolstellung von RWE, Eon und Vattenfall zu tun. Der Selbstbedienungsladen auf Kosten der Stromkunden kann nur durch eine 100-prozentige Versteigerung geschlossen werden. Das wissen Sie auch alle in diesem Haus.(Beifall bei der LINKEN)
Blicken wir jetzt nach vorn: Wie wir wissen, musste die Bundesregierung auf Druck der EU-Kommission ihre Pläne für die nächste Handelsperiode zurückziehen.
Der neue Plan hat ein deutlich niedrigeres Cap. Das haben wir gefordert; wir begrüßen das. Statt des lächerlichen halben Prozents werden 2008 bis 2012 insgesamt rund 6,5 Prozent CO2 im Vergleich zur Basisperiode einzusparen sein. Auch dass die verhängnisvolle Neuanlagen- und Übertragungsregel weggefallen ist, begrüßen wir. Schließlich können wir die Signale, die von den Ursprungsplänen der Bundesregierung an die Wirtschaft ausgesandt wurden, in den Investitionsplänen der Kraftwerksbetreiber betrachten. Über 40 geplante neue Kohlekraftwerke sind dort zu finden. Das wollen wir ändern.
(Zuruf des Abg. Ulrich Kelber [SPD])
- Die Pläne liegen vor, Herr Kelber.
(Ulrich Kelber [SPD]: Die Kapazität reicht noch nicht einmal für zehn!)
- Gut, ich habe es registriert. Ich habe nur wenig Redezeit.Sie können später dazu Stellung nehmen. - Wir wollen zum Beispiel, dass Vattenfall von seinem irrsinnigen Plan ablässt, mitten in Berlin ein 800-Megawatt-Steinkohlekraftwerk zu errichten. Wir wollen einen anderen Energiemix.
(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Hier gibt es intelligentere Wege. Schweden und Großbritannien haben zum Beispiel einen einheitlichen Benchmark; auch das wissen Sie. Wir wollen, dass das auch bei uns geändert wird. Auf den 10-Prozent
-Zuschlag, der den Betreibern von Braunkohle-
kraftwerken gewährt werden soll, wurde schon eingegangen. Auch hier wollen wir eine Änderung. Zum Schluss noch zwei Anmerkungen zum Regierungsentwurf: Erstens können sich nun die Anlagenbetreiber ein ganzes Jahresbudget zusätzlicher Emissionen aus dem Sie wissen um die Problematik CDM bzw. JI. Wir müssen darüber noch einmal diskutieren. Das kann auch eine
gefährliche Sache werden; denn hier kann einiges aus dem Ruder laufen.Zweitens ist im neuen Zuteilungs-
gesetz kein Mechanismus mehr vorgesehen, der Stilllegungsprämien und Scheinbetrieb verhindert. Wer nächstes Jahr eine Anlage stilllegt, der erhält noch für fünf Jahre Emissionsrechte, kassiert also gutes Geld. Das heißt, der Entwurf muss überarbeitet werden. Wir wollen so gut wie möglich sein. Insbesondere über die Dreckschleudern in Form von Braunkohlekraftwerken
- darauf wurde schon verwiesen - muss diskutiert werden. Es gibt auch von Greenpeace eine Studie über die 30 größten Dreckschleudern. Bei denen sind auch deutsche Braunkohlekraftwerke vertreten. Wir sollten sehen, dass diese in den nächsten Publikationen nicht mehr genannt werden. Deutschland sollte hier eine Vorreiterrolle einnehmen.
(Beifall bei der LINKEN)

Ambitionierte Klimapolitik sieht anders aus.
Rede
von
Eva Bulling-Schröter,