"Die LINKE. lehnt das "Steueränderungsgesetz 2007 der Regierungskoalition ab. Es setzt Umverteilung von unten nach oben fort. Die menschenfeindliche Hartz IV Gesetzgebung wird von sozial ungerechter Steuerpolitik begleitet. Barbara Höll in der Debatte zum Steueränderungsgesetz 2007."
Herr Präsident! Werte Kolleginnen und Kollegen! Wo steht die deutsche Sozialdemokratie? (Fritz Kuhn (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Gute Frage!) Die größte Steuersenkung aller Zeiten jawohl. Diese wird aber finanziert durch die größten Sozialkürzungen aller Zeiten. Das ist die Realität. (Beifall bei der LINKEN) Steuerfreiheit der Veräußerungsgewinne, Senkung des Spitzensteuersatzes um 11 Prozent von 53 auf 42 Prozent , Senkung der Körperschaftsteuer, das sind die Realitäten, von denen wir hier reden. Wenn man den heutigen Tag in seiner Gesamtheit betrachtet, zeigt sich eine Offenbarung der Regierungspolitik Ihrer großen Koalition: Am Vormittag sprechen wir, zum Glück in öffentlich wahrnehmbarer Debatte, über Steuererhöhungen, die in erster Linie zulasten der Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen gehen. Am Nachmittag setzt sich das mit einer Verschärfung der Hartz-IV-Gesetzgebung fort so weit, dass Sie bereit sind, die Menschenwürde auszuhebeln. Wer nicht hört, wird bestraft; ihm werden alle Leistungen gekürzt. Das betrifft nicht nur Essen und Trinken, sondern Sie sind bereit, die Unterhaltskosten vollständig zu streichen. Die Leute können dann unter der Brücke schlafen. Das ist die Realität Ihrer Politik. (Beifall bei der LINKEN - Fritz Kuhn (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Und wie sieht es bei der PDS in Berlin aus? Sozialkürzungen pur!) Ihre Vorschlage, die wir heute in erster Lesung beraten zeigt, dass die Steuerpolitik zur Manövriermasse des Finanzministers verkommt. Die realen Lebensverhältnisse zählen nicht; Steuergrundsätze werden willkürlich ausgehebelt. Eine Maßnahme, die Sie vorschlagen, ist die Veränderung bei der steuerlichen Absetzbarkeit des Arbeitszimmers. Nur noch dann, wenn die berufliche Tätigkeit vollständig im häuslichen Arbeitszimmer absolviert wird und dieses damit den Mittelpunkt der beruflichen Tätigkeit bildet, kann man das Arbeitszimmer steuerlich geltend machen. Was ist aber nun mit den Lehrerinnen und Lehrern, (Florian Pronold (SPD): Unterrichten Lehrer zu Hause?) mit den vielen Menschen, die im Servicebereich, im Außendienst tätig sind? Was ist mit den Versicherungsvertretern? Wir haben keine Ganztagsschulen mit Arbeitszimmern für Lehrerinnen und Lehrer; deshalb sind auch die Lehrer auf den häuslichen Arbeitsplatz angewiesen. Sie verschärfen nun deren Situation. 300 Millionen Euro soll Ihnen diese Belastung der tätigen Menschen bringen. Die Entfernungspauschale: 2,5 Milliarden Euro wollen Sie durch die neue Regelung mehr einnehmen. Herr Oswald hat gesagt, das sei moderat und man solle die Finanzpolitik doch bitte in ihrer Gesamtheit sehen. (Eduard Oswald (CDU/CSU): So ist es!) Wohl wahr. Abgesehen davon, dass die von Ihnen vorgeschlagene Regelung grundgesetzwidrig sein dürfte denn Sie übersehen dabei, dass der Weg von der Wohnung zur Betriebsstätte notwendigerweise bewältigt werden und deshalb auch steuerlich absetzbar sein muss , sollten wir das in der Tat einmal in der Gesamtheit betrachten: Noch vor einigen Wochen ließ sich die Familienministerin für die Möglichkeit der steuerlichen Absetzbarkeit von Kinderbetreuungskosten als Werbungskosten bzw. Betriebsausgaben groß feiern. Gut; aber wie ist nun die Lage der erwerbstätigen Eltern, die Kinderbetreuungskosten steuerlich absetzen können, denen aber die Entfernungspauschale gekürzt wird? Die Absetzbarkeit der Kinderbetreuungskosten schlägt im Endeffekt nicht bis in ihr Portemonnaie durch, sondern sie müssen mehr Steuern zahlen als noch im vergangenen Jahr. Ich will Ihnen das an einem Beispiel deutlich machen: Eine Familie mit einem Jahreseinkommen von 48 000 Euro brutto, bei der der eine Ehepartner einen Arbeitsweg von 20 Kilometern hat, den er also nicht steuerlich absetzen kann, und der andere einen Arbeitsweg von 30 Kilometern, und mit durchschnittlichen Kinderbetreuungskosten, die sie steuerlich geltend machen können, hat nun eine jährliche steuerliche Mehrbelastung von 565 Euro. Da sprechen Sie von einer tollen Familienpolitik? Das ist familienfeindlich! Dieser Tatsache müssten Sie sich hier stellen. (Beifall bei der LINKEN) Bei einer weiteren Regelung, die Sie vorschlagen, können sie sich nicht dem Vorwurf entziehen, dass sie nur einen Placeboeffekt haben. Sie schlagen die so genannte Reichensteuer vor. Was ist denn das? Wie viele Steuerpflichtige mit einem Einkommen von über 250 000 Euro haben wir denn? Hier kommt es nur zu einer klitzekleinen Erhöhung, weil Sie die Gewinneinkünfte sogar noch herausnehmen. Sie geben selber zu, dass Sie im ersten Jahr Einkünfte von unter 1 Milliarde Euro erzielen werden, Frau Frechen. (Gabriele Frechen (SPD): Unter einer Milliarde ist ja gar nichts! Kennen Sie den Herrn, der von Peanuts spricht, wenn er über Millionen redet?) Wie es dann weiter aussieht mit Ihrer Regelung und der Verlagerung von Einkünften, bleibt abzuwarten. Wir lehnen Ihre unsoziale Politik ab. Ringen Sie sich zu einer ordentlichen Sozialpolitik durch, die von einer ordentlichen Steuerpolitik flankiert wird! Wenn Sie sich schon durch Maßnahmen hervortun wollen bitte schön: Erhöhen Sie den Spitzensteuersatz! Dies kann moderat, Schritt für Schritt um 2 Prozentpunkte jedes Jahr, geschehen, bis wir wieder bei einem Satz von 50 Prozent angekommen sind. Erst dann können wir davon reden, dass diejenigen in unserer Gesellschaft, die ein hohes Einkommen haben, ihren Beitrag leisten. Ihr Gesetz ist in dieser Form abzulehnen. Ich befürchte auch, dass durch unsere Beratungen im Ausschuss, die Sie im Schweinsgalopp durchführen wollen bereits heute Mittag gibt es parallel zum Plenum eine Anhörung; deswegen können wir der weiteren Debatte nicht folgen , leider keine große Änderungen mehr bewirkt werden. Wir müssen den Druck also außerparlamentarisch erhöhen. Was Sie machen, ist einfach unsozial. Ich danke Ihnen. (Beifall bei der LINKEN)
Alltag der Großkoalitionäre: Morgens Steuererhöhungen - nachmittags Hartz IV - Verschärfung
Rede
von
Barbara Höll,