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Alleinerziehende entlasten - Unterhaltsvorschuss ausbauen

Rede von Jörn Wunderlich,

Rede zu TOP 14 der 33. Sitzung des Deutschen Bundestages am 08. Mai 2014, 

Drucksache 18/983

Jörn Wunderlich (DIE LINKE):

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Nun zu vorgerückter Stunde noch etwas Altbekanntes zum Unterhaltsrecht bzw. zum vorliegenden Antrag. Seit 2006 versucht die Linke, alleinerziehenden Elternteilen bei den finanziellen Sorgen um ihre Kinder zu helfen. Rechtspolitisch wird über das Ganze schon seit über zehn Jahren diskutiert. Es gibt dazu schon Beschluss­empfehlungen des Rechts- und des Familienausschusses aus den Jahren 2000 und 2002. Es gab sogar einmal ei­nen Referentenentwurf der Regierung zur Änderung des Unterhaltsrechtes – auch des Unterhaltsvorschusses –, den ich noch in meiner Eigenschaft als aktiver Familien­richter damals auf den Schreibtisch bekommen habe.

Dass die bisherigen Regelungen des Unterhaltsvor­schussgesetzes nicht ausreichen, ist seit Jahren fraktions­übergreifend – auch bei den damit befassten Juristen – wohl unstreitig. Das ist auch in der Praxis einhellige Meinung. Dass die Altersgrenze auf 18 Jahre angehoben werden soll, ist eine Lösung, die endlich umgesetzt wer­den muss.

(Beifall bei der LINKEN)

Niemand konnte bislang erklären, warum ein Kind mit 13 keinen Unterhalt mehr braucht oder wie es sich gefälligst selbst darum kümmern soll. Wie gesagt, es geht nicht um den Unterhalt für einen Elternteil, sondern um den für ein minderjähriges Kind. Die Beschränkung auf 72 Monate muss ebenfalls fallen. Die Zahl der Ein­stellung der Zahlungen infolge des Erreichens der Höchstbezugsdauer ist in den vergangenen Jahren konti­nuierlich – von 39 000 auf knapp 44 500 – gestiegen.

Es muss immer wieder wiederholt werden: Der Un­terhaltsvorschuss soll die finanzielle Situation von Al­leinerziehenden und ihren Kindern verbessern, wenn der unterhaltspflichtige Elternteil seinen Unterhaltsver­pflichtungen nicht oder nicht ausreichend nachkommen kann. Der Unterhaltsvorschuss kommt damit unmittelbar den Kindern von Alleinerziehenden zugute. Damit wer­den alleinerziehende Elternteile vorübergehend unter­stützt.

Aber auch nach dem Sinn des Unterhaltsvorschussge­setzes – der Unterhaltsvorschuss soll vorübergehend Hilfe leisten in einer Situation, in der kein Unterhalt er­halten werden kann – muss doch die gegenwärtige ge­sellschaftliche Situation berücksichtigt werden. Die Dauer der Armutsphasen wird immer länger und ihre Zahl immer häufiger. Die Armutsgefahr steigt, und die Zahl derer, die armutsgefährdet leben, wird größer. Nach der letzten Statistik betrifft das fast 40 Prozent aller Kin­der hier in Berlin.

Außerdem ist nicht nachzuvollziehen, warum das Kindergeld in voller Höhe angerechnet wird, während es bei regulärer Zahlung nur zur Hälfte angerechnet werden kann. Hier dürfen Eltern und Kinder doch nicht schlech­tergestellt werden. Schon 2006 wurde im Ausschuss zu einem inhaltsgleichen Antrag der Linken gesagt: Pro­bleme richtig dargestellt, Lösungen aufgezeigt, leider falsche Partei. – Die Probleme sind immer noch die glei­chen, die Lösungsansätze nach wie vor gut, und ich bin immer noch in der richtigen Partei.

(Beifall bei der LINKEN)

Letztlich sind Kinder und Jugendliche die Leidtragen­den, wenn die Eltern aufgrund einer verfehlten Arbeits­marktpolitik und der damit einhergehenden Arbeitslosig­keit keinen Unterhalt zahlen können. Denn wie erklären sich sonst die Zahlen aus der Antwort der Bundesregie­rung vom 5. Mai 2014 – also noch druckfrisch –, nach denen die Quote der unterhaltsvorschussberechtigten Kinder in den neuen Bundesländern zum Teil viermal so hoch ist wie in den alten Bundesländern? Hier soll sich der Staat wieder aus der Verantwortung ziehen können? Mehrausgaben würden zum Teil zu Minderausgaben im Haushalt des Bundesarbeitsministeriums führen, da manch alleinerziehender Elternteil nicht mehr aufsto­cken müsste. Im Übrigen könnte der finanzielle Mehr­aufwand durch Einsparungen beim Betreuungsgeld fi­nanziert werden. Heute hat der Bundesfinanzminister verkündet, dass nach Angaben des Arbeitskreises Steu­erschätzung Steuermehreinnahmen von 19,3 Milliarden Euro erwartet werden. Das Geld ist also da. Änderungen sind allerdings nach Auskunft der Bundesregierung nicht geplant – aus Kostengründen.

Seit Jahren kann hier jeder zusehen, wie Milliarden für marode Banken verpulvert werden und Rüstungskon­zerne Gelder bekommen, weil weniger Kriegsgerät ab­genommen wird. Der Bundesrechnungshof und der Bund der Steuerzahler monieren immer wieder den Um­gang mit Steuermitteln. Aber hier, wo es um die geht, die es am nötigsten brauchen und die unsere Zukunft sind, da heißt es, es sei insbesondere aus haushälterischen Gründen nicht vorgesehen.

Schade, dass Frau Schwesig nicht da ist. Frau Ferner, bestellen Sie ihr einen schönen Gruß. Sie soll sich einen Ruck geben. Sie ist in der Situation, das zu ändern. Sie soll es machen. Sie ist hier nach eigenem Bekunden auch angetreten, um den Alleinerziehenden zu helfen. Sie soll es endlich machen, und zwar wirksam, damit man ihr nicht in drei Jahren möglicherweise die Frage stellen muss: Frau Schwesig, warum sind Sie Familienministe­rin geworden? Floristin wäre doch auch etwas Schönes gewesen.

(Beifall des Abg. Richard Pitterle [DIE LINKE] – Michaela Noll [CDU/CSU]: Das war echt neben der Kappe! Echt stillos! – Marcus Weinberg [Hamburg] [CDU/CSU]: Herr Wunderlich, das geht so nicht! Darüber reden wir noch!)