Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Kolleginnen und Kollegen!
Der Gesetzentwurf soll Empfehlungen des NSU-Untersuchungsausschusses umsetzen. Der NSU-Untersuchungsausschuss hat 47 Handlungsempfehlungen oder Schlussfolgerungen aufgeschrieben. Wir setzen hier nur einen sehr geringen Teil um. Der NSU – ich glaube, das muss man an dieser Stelle noch einmal sagen – waren Nazis, Nazis, die mehr als ein Jahrzehnt mordend durch das Land gezogen sind. Ich glaube, an diesen Fakt muss man in dieser Debatte immer wieder erinnern.
(Beifall bei der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)
Die in dem Gesetzentwurf vorgeschlagenen Änderungen im Hinblick auf den Generalbundesanwalt sind unstreitig. Ich will an dieser Stelle nicht darauf eingehen. Ich will auch nur kurz etwas zur Änderung des § 46 Absatz 2 des Strafgesetzbuches sagen. Die erste Handlungsempfehlung des NSU-Untersuchungsausschusses sah vor, dass das in den RiStBV geregelt werden soll. Sie haben jetzt gesagt, dass das angestoßen wird. Aber wir diskutieren über den § 46 Absatz 2 des Strafgesetzbuches – das werden wir nachher noch erleben – unter dem Gesichtspunkt „Empfehlungen des NSU-Untersuchungsausschusses“. Dieser hat aber die Änderung des § 46 Absatz 2 des Strafgesetzbuches überhaupt nicht gefordert.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Und: Schon jetzt können die Ziele und Beweggründe sowie die Gesinnung des Täters bei der Strafzumessung berücksichtigt werden, und zwar bei allen Tätern.
(Beifall bei der LINKEN)
Die Regelung ist mithin einfach überflüssig. Sie ist gut gemeint; aber gut gemeint ist nicht immer gut gemacht. Insbesondere das Wort „menschenverachtend“ steht ja zu Recht in der Debatte. Ich zum Beispiel finde, Motivationen, die homophob begründet sind, sind menschenverachtend.
(Beifall bei der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie des Abg. Dr. Jan-Marco Luczak (CDU/CSU)
Aber dann hätten Sie das auch so hineinschreiben müssen.
(Dr. Johannes Fechner [SPD]: Das ist doch davon erfasst!)
Insofern hat das Bündnis 90/Die Grünen im Übrigen mit seinem Antrag recht, wenn dort erklärt wird, dass es keines neuen Sonderrechts, keiner neuen Straftatbestände und keiner Erhöhung von Strafrahmen bedarf. Wir werden diesem Antrag zustimmen.
(Beifall bei der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Ich will auf die Anhörung eingehen. Dort hat der Sachverständige Sebastian Scharmer die erste Handlungsempfehlung des NSU-Untersuchungsausschusses aufgegriffen und gefordert: Bei jeder Gewalttat müsste ein Vermerk zumindest darüber gefasst werden, ob neonazistische oder rassistische Motive ausgeschlossen werden können. Das würde zumindest eine entsprechende Signalwirkung schon für die Polizei, die Staatsanwaltschaft und letztlich dann auch für ein Gerichtsverfahren haben. Sie haben ja gesagt, das finde jetzt in den RiStBV statt. Dann ist das ein Anfang.
(Volker Beck [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist trotzdem eine komische Formulierung!)
Aber: Wenn wir uns mit den Empfehlungen des NSU-Untersuchungsausschusses auseinandersetzen, dann müssen wir über mehr reden, und dann ist dies mehr alseine rechtspolitische Debatte. Im Sondervotum meiner Fraktion hieß es damals: Institutioneller Rassismus ist nach Überzeugung der Fraktion DIE LINKE. jenseits individueller Einstellungen und Überzeugungen der einzelnen Ermittler als ein strukturelles Merkmal der Polizeiarbeit bei den Ermittlungen zur rassistischen Mordserie erkennbar. Ja, und ich finde, wir müssen über diesen institutionalisierten Rassismus reden, auch in einer solchen Debatte, die nur vordergründig eine rechtspolitische Debatte ist.
(Beifall bei der LINKEN)
Institutioneller Rassismus geht von Institutionen der Gesellschaft, Verfahren und Normen aus. Er führt tagtäglich zu Benachteiligung und Diskriminierung. Wir müssen in einer solchen Debatte, wie sie hier stattfindet, darüber reden, was wir gegen Rassismus tun können. Wir müssen darüber reden, warum, weshalb und wieso Rassismus immer und immer wieder entsteht, warum er partiell sogar Menschen in Massen auf die Straße treibt. Ich finde, gerade in Zeiten von Pegida müssen wir deutlich sagen: Alle Rassisten sind Arschlöcher – überall.
(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Max Straubinger [CDU/CSU]: Wir sind doch hier nicht auf dem Bolzplatz! – Dr. Jan-Marco Luczak [CDU/CSU]: Was für eine Verrohung! Unmöglich ist das! – Weitere Zurufe von der CDU/CSU: Na, na! – Was soll denn das?)
Wenn wir gemeinsam etwas gegen Rassismus tun wollen, dann sollten wir das aufgreifen, was im Abschlussbericht des NSU-Untersuchungsausschusses im Hinblick auf zivilgesellschaftliche Initiativen steht: „Zahllose zivilgesellschaftliche Initiativen ... leisten seit vielen Jahren einen unverzichtbaren Beitrag bei der gesellschaftlichen und politischen Auseinandersetzung mit Rassismus, Antisemitismus, Rechtsextremismus und anderen Formen des Phänomens der „gruppenbezogenen Menschenfeindlichkeit“. ... Zivilgesellschaftliche Initiativen sind unverzichtbar, nicht nur als Frühwarnsystem. ... Dieses Engagement muss unterstützt, ausreichend gefördert, ausgebaut und verstetigt werden.“
(Beifall der Abg. Susann Rüthrich [SPD])
Ja, das muss es. Da ist ein Anfang gemacht worden: Die Projektlaufzeiten sind von drei auf fünf Jahre verlängert worden. Aber ich glaube, gerade diese zivilgesellschaftlichen Initiativen brauchen Sicherheit: Sicherheit in ihrer Arbeit, Sicherheit in ihrer Finanzierung. Mein letzter Satz – weil hier gerade von „Verrohung“ gesprochen wurde –: Ich weiß gar nicht, warum Sie sich aufregen. Finden Sie den Satz „Alle Rassisten sind Arschlöcher – überall“ etwa falsch? Ich nicht.
(Beifall bei der LINKEN sowie des Abg. Özcan Mutlu [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN] – Max Straubinger [CDU/CSU]: Wir haben hier eine andere Ausdrucksweise! Es geht um die Ausdrucksweise, Frau Kollegin!)