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Alexander Ulrich: Lohnsteigerungen in Deutschland statt europäischer Ent-Solidarisierung

Rede von Alexander Ulrich,

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ja, da ist sie wieder, die FDP, deren Solidaritätsgedanke auf das Motto beschränkt ist: Wenn jeder an sich denkt, ist an alle gedacht.

(Dr. Florian Toncar [FDP]: Das war nicht der Inhalt der Rede!)

Das gilt nicht nur bei Ihrer Politik für die Bevölkerung in Deutschland, sondern das gilt offensichtlich auch für die Länder in Europa oder in der Euro-Zone. Wir als Linke lehnen diese Politik als unsolidarisch ab.

(Beifall bei der LINKEN)

Es spricht nichts dagegen, dass wir über Eigenverantwortung reden. Aber wenn wir über Eigenverantwortung reden, dann – da gebe ich den Vorrednern recht – muss man Europa natürlich kritisieren; denn wenn Europa nicht besser wird, wird die Europäische Union scheitern. Aber dann dürfen wir uns in Deutschland nicht hinstellen und mit dem Finger auf andere Länder zeigen, sondern wir müssen auch einmal deutlich machen, was unsere Mitschuld an der Euro-Krise der Vergangenheit ist. Ein Grund dafür, dass die Euro-Krise ausgebrochen ist, dass es diese großen Probleme gibt, sind die deutschen Außenhandelsüberschüsse. Die müssen dringend abgebaut werden;

(Beifall bei der LINKEN)

sonst wird Europa wieder in eine solche Krise hineinschlittern, Herr Toncar.

(Christian Dürr [FDP]: Das ist auch noch falsch!)

Herr Brüderle hat das in der vorletzten Legislaturperiode nie verstanden.

(Christian Dürr [FDP]: Sie hatten das nicht verstanden!)

Er hat immer gemeint, wir wollten verhindern, dass man Mercedes oder Daimler oder VW ins Ausland verkauft. Außenhandelsüberschüsse werden abgebaut, indem man in Deutschland den Sozialstaat nicht abbaut, Lohnerhöhungen durchsetzt und mehr investiert. Das ist dringend notwendig, auch für Europa.

(Beifall bei der LINKEN)

Wir brauchen mehr europäische Solidarität, nicht weniger. Aber unsere Solidarität gilt nicht, wie bei der FDP, der Großindustrie, den Banken; unsere Solidarität gilt den Bürgerinnen und Bürgern in Europa; denn das sind die Leidtragenden einer falschen Politik.

(Beifall bei der LINKEN)

Sinnvolle Vorschläge hierfür liegen beim Euro-Gipfel am Freitag aber leider nicht auf dem Tisch. Macron will eine weitere Deregulierung der Finanzmärkte und einen Euro-Finanzminister, der Kürzungs- und Deregulierungspakete erzwingt. Die Bundesregierung will am liebsten weiter alles zwischenstaatlich regeln und mit einem europäischen Währungsfonds auch weiter kürzen. Nun kommt die EU-Kommission, packt beides im Nikolaus-Paket zusammen, will aber die Macht in Brüssel konzentrieren, will weiterhin kürzen und deregulieren. Einig sind sich offenbar alle darüber, dass gekürzt werden muss. Aber durch diese Politik erreicht man keine Konvergenz, sondern nur eine noch tiefere Spaltung der Europäischen Union. Deshalb lehnen wir diese Pläne ab.

(Beifall bei der LINKEN)

Denken Sie doch einmal an das Beispiel Portugal. In Portugal lag die Staatsverschuldung bei 68 Prozent. Im Zuge der Troika-Kahlschlagpolitik ist sie auf über 130 Prozent gestiegen.

(Gunther Krichbaum [CDU/CSU]: Nein! Durch überbordende Staatsausgaben ist es zur Schieflage gekommen!)

Die Wirtschaftsleistung ist um über 20 Prozent geschrumpft. Erst seit 2015, seit die Mitte-links-Regierung die Kürzungsmaßnahmen Stück für Stück rückgängig gemacht hat, geht es wieder aufwärts. Das bestreiten nicht einmal die konservativen Wirtschaftsexperten.

(Beifall bei Abgeordneten der LINKEN)

Die Kürzungspakete der Troika sind das Gegenteil von europäischer Solidarität, und diese Politik soll nun von allen fortgesetzt werden. Aber ohne europäische Solidarität wird die Europäische Union scheitern. Ihr Antrag zielt auf ein Scheitern der Europäischen Union. Scheinbar wollen Sie mit diesem Antrag erreichen, dass Europa scheitert.

Was wir brauchen – neben kräftigen Lohn- und Investitionssteigerungen in Deutschland –, ist ein europaweites breitangelegtes öffentliches Investitionsprogramm. Erstens sollten wir gezielt in den sozialökologischen Umbau investieren; gute, nachhaltige Arbeitsplätze würden dadurch entstehen. Zweitens müsste eine sinnvolle Euro-Reform eine strenge Regulierung der Finanzmärkte einschließen. Sie dürfen es Macron nicht durchgehen lassen, dass er die Finanztransaktionsteuer killt, um Paris für die britischen Banken hoffähig zu machen.

(Beifall bei der LINKEN)

Ich mache mal einen Vorschlag für uns alle.

Es ist Teil der Antwort.

(Zuruf von der AfD: Ja oder nein?)

Ich bin bereit, immer dann auf die AfD zu antworten, wenn es um einen Antrag unserer Fraktion geht. Ich rede jetzt aber zu einem Antrag der FDP-Fraktion.

Ich habe gesagt: Wir müssen mehr investieren. Wir brauchen auch endlich die Bekämpfung von Steuerflucht. Dazu sagt die FDP ebenfalls gar nichts. Wir müssen die Steueroasen trockenlegen. Herr Altmaier hat mit seinen Kollegen eine Liste veröffentlicht. Es ist fast schon ein Hohn, dass Irland und Luxemburg nicht draufstehen. Wer so damit umgeht, kann das Problem nicht wirklich bekämpfen. Wir brauchen eine Entkopplung der Staatsfinanzierung von der Europäischen Zentralbank. Wir brauchen Direktinvestitionen. Es kann nicht sein, dass die großen Banken damit Geld verdienen. Wir brauchen eine Demokratisierung der Europäischen Zentralbank.

Liebe Kollegen von der FDP, das, was ich vorschlage, ist das genaue Gegenteil von dem, was Sie wollen.

(Dr. Florian Toncar [FDP]: Wir wollen das Gegenteil von dem, was Die Linke will!)

Sie wollen ein unsolidarisches Europa. Sie wollen ein Europa, in dem sich nur der Stärkere durchsetzt. Ein solches Europa lehnen wir ab.

(Beifall bei der LINKEN)

Herr Lindner hat gesagt, lieber nicht regieren als schlecht regieren. Wir alle können froh sein, dass diese FDP nicht mitregiert.

Vielen Dank.

(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD)