Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! CDU/CSU, FDP und AfD haben mit der heutigen Debatte dem sozialen Europa eine Absage erteilt. Insoweit ist die heutige Debatte schon mal gut; denn so können wir mit diesen Klarheiten in die nächsten Wochen gehen.
Seit der Wirtschafts- und Finanzkrise befindet sich die Europäische Union in einer Dauerkrise. Die Krisenbewältigung hat auch dazu geführt, dass dieses Europa nicht sozialer geworden ist, sondern unsozialer. Denn in den betroffenen Mitgliedsländern ist die Arbeitslosigkeit gestiegen, und der soziale Abstieg hat sich verstärkt. Und diese europäische Realität für die Menschen, diese Verschlechterung ist durch die Europäische Union, durch die Troika verordnet worden.
(Beifall bei Abgeordneten der LINKEN)
Sie empfinden diese Art der europäischen Politik nicht als Lösung ihrer Probleme, sondern mit als Ursache ihrer Probleme,
(Beifall bei der LINKEN)
und sie verlieren durch diese Art der Politik auch das Vertrauen in die EU.
Als Herr Juncker damals seine Kommission vorgestellt hat, hat er gesagt, das wäre die Kommission der letzten Chance. Er hat gesagt: Wir haben nur dann Erfolg, wenn wir die Europäerinnen und Europäer näher an Europa heranbringen. – Er sagte sogar, er wolle ein Europa mit einem sozialen Triple-A-Rating; das sei genauso wichtig wie ein wirtschaftliches und finanzielles Triple-A-Rating. Das war zu Beginn der Juncker-Kommission. Heute müssen wir leider feststellen: Diese letzte Chance hat die EU bisher nicht genutzt.
(Beifall bei der LINKEN)
Mit einer Politik der Privatisierung, des Sozialabbaus und der Marktradikalisierung haben die Armut und die soziale Spaltung in den letzten Jahren noch mehr zugenommen. Schuld daran hat auch die Bundesregierung in Deutschland, die in persona Merkel und Schäuble diese unsoziale Politik nach Europa getragen hat.
(Beifall bei der LINKEN)
Die Troika hat in die Tarifautonomie verschiedener Länder eingegriffen, damit das Lohnniveau gesenkt wird. Sie hat den Wettbewerb nach unten in der ganzen EU verschärft. Was „Flexicurity“ genannt wird, zielt darauf, Tarif- und Sozialstandards abzusenken. So wie diese EU aufgestellt ist und so wie auch diese Bundesregierung in der EU-Politik agiert, kommen dabei nur mehr Niedriglöhne, prekäre Arbeit und die Zunahme von Armut und Umverteilung von unten nach oben zustande. Diese Politik muss am Tag der Europawahlen am 26. Mai 2019 abgewählt werden.
(Beifall bei der LINKEN)
Die Folgen sind sehr gravierend. Wenn man sich die Zahlen anschaut, sieht man, dass inzwischen jeder fünfte EU-Bürger von Armut bedroht oder arm ist. Der größte Skandal ist: 25 Millionen Kinder leben in einkommensschwachen Haushalten. Wer da davon redet, dass diese EU Wohlstand für alle bringt, verkennt diese Realitäten. Deshalb muss klar sein: Wir müssen aufhören mit einer Politik, die nur die Banken, die Großwirtschaft und die Kapitalseite in den Mittelpunkt rückt. Wir müssen die Menschen und ihre Bedürfnisse in den Mittelpunkt rücken.
(Beifall bei der LINKEN)
Der Antrag der Grünen geht in die richtige Richtung. Man könnte auch sagen: Es steht vieles aus unserem Wahlprogramm drin. – Deshalb können wir diesen Antrag auch unterstützen. Aber, Herr Strengmann-Kuhn, eine Frage müssen Sie natürlich trotzdem irgendwann beantworten. Ihre Parteiführung robbt sich fast täglich an die CDU/CSU für eine große Koalition ran. Wir haben heute aber wieder gemerkt: Mit der CDU/CSU kriegen Sie diese Politik nicht umgesetzt. Deshalb wäre es gut, wenn wir vom sozialen Europa nicht nur in Wahlkämpfen reden, sondern auch in den fünf Jahren dazwischen, wie es meine Partei und Fraktion Die Linke macht.
(Beifall bei der LINKEN)
Dass diese Politik, diese Spaltung, auch schlimme Auswirkungen hat, sieht man daran, dass immer mehr Menschen abgehängt werden. Das führt genau dazu, dass Rechtspopulisten so erfolgreich sind – auch in Deutschland. Deshalb sage ich ganz deutlich: Wenn wir den Rechtspopulisten in Europa und Deutschland das Wasser abgraben wollen, brauchen wir eine Politik für mehr soziale Gerechtigkeit.
(Beifall bei der LINKEN)
Wer das nicht unterstützt, wird den Rechtspopulisten im Prinzip zu weiteren Wahlerfolgen verhelfen. Deshalb müssen endlich auch die CDU/CSU und die FDP erkennen, was hier in Europa schiefläuft.
(Beifall bei der LINKEN sowie des Abg. Christian Petry [SPD])
Herr Strengmann-Kuhn, natürlich brauchen wir eine soziale Fortschrittsklausel, damit die sozialen Rechte der Arbeitnehmer dann auch den wirtschaftlichen Freiheiten des Binnenmarktes gleichgestellt wird. Natürlich brauchen wir einen europäischen Mindestlohn, der von 60 Prozent des Durchschnittslohnes ausgeht. Natürlich brauchen wir Grundsicherungen in den Bereichen Pflege, Gesundheit und Arbeitslosigkeit. Ja, wir wollen auch eine europäische Arbeitslosenversicherung, aus der sich die Länder in Krisenfällen bedienen können. Das brauchen wir für ein soziales Europa; da haben Sie unsere volle Unterstützung. Wir diskutieren das ja auch immer im Europaausschuss.
Was Sie aber in Ihrem Antrag vergessen, ist: Wir brauchen für eine soziale Gerechtigkeit auch Umverteilungen.
(Beifall bei der LINKEN)
Ich möchte, damit die AfD mit ihrer Rhetorik keinen Erfolg hat, indem sie sagt, der deutsche Arbeitnehmer müsste bezahlen, was Sie fordern, einmal deutlich machen: Soziale Gerechtigkeit und Umverteilung sind zwei Seiten der gleichen Medaille. Wir müssen Reichtum, hohe Einkommen und Vermögen in Europa endlich stärker besteuern, damit das auch vernünftig finanziert werden kann.
(Beifall bei der LINKEN sowie des Abg. Christian Petry [SPD])
Es wäre wünschenswert, wenn wir vielleicht in den Ausschussberatungen noch ergänzen könnten, wie die Finanzierung aussieht. Denn noch einmal: Ich glaube, dass diese fehlende Umverteilungspolitik mit dazu führt, dass die sozialen Gräben in Europa und auch in Deutschland immer größer werden.
Wir müssen darüber hinaus die Gewerkschaften auf europäischer Ebene stärken. Wir brauchen mehr europäische Tarifverträge. Wir brauchen mehr Mitbestimmung und einen Ausbau der Europäischen Betriebsräte. All das ist dringend notwendig und müsste auf europäischer Ebene umgesetzt werden.
(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD)
Ich komme zum Schluss. Wir haben am 26. Mai 2019 alle die Chance, einem sozialen Europa Rückenwind zu geben. Das bedeutet natürlich auch, dass man CDU/CSU, FDP und AfD nicht wählen sollte. Denn ein soziales Europa ist mit diesen Parteien nicht möglich. Bei SPD und Grünen ist es aber auch so. Wir müssen endlich davon wegkommen, nur kurz vor Wahlen darüber zu reden. Wir müssen diese soziale Politik auch nach den Wahlen endlich umsetzen. Denn noch ist es nicht zu spät, diesem Europa eine letzte Chance zu geben. Wir als Linke machen klar: Wir streiten für die Millionen und nicht für die Millionäre.
Vielen Dank.
(Beifall bei der LINKEN – Philipp Amthor [CDU/CSU]: Eijeijei!)