Zum Hauptinhalt springen

Alexander Ulrich: Deutsche Ratspräsidentschaft für demokratischen Neustart der EU nutzen

Rede von Alexander Ulrich,

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! „Europa wieder stark machen“, das Motto der deutschen Ratspräsidentschaft beinhaltet, dass Europa schwach ist, und Europa ist tatsächlich in vielen Punkte schwach: das totale Versagen in der Flüchtlingspolitik, Austerität als die falsche Antwort auf die Finanz- und Euro-Krise und dann auch noch der Austritt Großbritanniens. In vielen Punkten ist Europa richtig schwach, das hat die Coronapandemie einmal mehr deutlich gezeigt; denn es ging nicht um Solidarität, jeder war nur für sich. Wenn wir so weitermachen, wird Europa tatsächlich zugrunde gehen.

(Beifall bei der LINKEN)

Herr Außenminister, Sie haben gesagt, Sie kämpfen während der Ratspräsidentschaft für ein souveränes Europa. Aber wir brauchen nicht nur einen China-Dialog. Wir brauchen vor allen Dingen auch einen transatlantischen Dialog mit den USA; denn was mit Nord Stream 2 passiert, ist ein Angriff auf die Souveränität Europas, auf die Souveränität europäischer und deutscher Entscheidungen. Da braucht es eine klare europäische Antwort.

(Beifall bei der LINKEN)

Wenn wir nicht deutlich machen, dass wir es nicht zulassen, dass die USA über unsere Energiepolitik bestimmen, und dass wir uns von den USA nicht unsere demokratischen Entscheidungen diktieren lassen, dann hat Europa abgedankt. Das können wir nicht zulassen. Daran werden wir Sie im nächsten halben Jahr messen.

(Beifall bei der LINKEN)

Wir sagen: Europa wird nur dann wieder ein Projekt der Menschen, wenn es sozialer wird. Nehmen wir den Wiederaufbaufonds. Die Kollegin von der CDU hat eben gesagt: Das muss an strikte Reformen gebunden werden. – Wir alle wissen, was strikte Reformen bedeuten. Wir wollen die Gesundheitspolitik in den einzelnen Ländern durch den Aufbaufonds stärken. Es war doch die Austeritätspolitik der Troika, die dafür gesorgt hat, dass in vielen südeuropäischen Ländern das Gesundheitswesen vor die Wand gefahren wurde.

(Dr. Diether Dehm [DIE LINKE]: Richtig!)

Deshalb muss es wieder aufgebaut werden. Ihre Art von Reformpolitik lehnen wir als Linke ab. Wir brauchen echte Solidarität und kein Diktat nach dem Motto: Betreibt Sozialabbau, dann bekommt ihr europäisches Geld. – Das ist der völlig falsche Weg.

(Beifall bei der LINKEN)

Wir begrüßen auch, dass es so etwas wie einen europäischen Mindestlohn geben wird. Wir als Linke sagen, er müsste bei 60 Prozent des Durchschnittseinkommens des jeweiligen Landes liegen. Wenn Deutschland zum Vorreiter eines europäischen Mindestlohns werden will, dann ist das, was gestern von der Mindestlohnkommission beschlossen worden ist, eine Farce. Zum 1. Januar soll der Mindestlohn um 15 Cent steigen. Das ist lächerlich. Wir als Linke lehnen das ab. Wir fordern: 12 Euro sofort und dann 60 Prozent des Durchschnittseinkommens in allen europäischen Ländern.

(Beifall bei der LINKEN)

Wenn wir über den mehrjährigen Finanzrahmen reden, ist es dringend notwendig, deutlich zu machen: Solidarität ist keine Einbahnstraße. Wenn Länder sich weigern, in der Flüchtlingshilfe mitzuhelfen, dann muss ihnen der Geldhahn zugedreht werden. Mit dem mehrjährigen Finanzrahmen und mit dem Wiederaufbaufonds hätten wir das Druckmittel, dies endlich durchzusetzen. Wenn an einer Stelle Solidarität verweigert wird, kann es auch an anderer Stelle keine Solidarität geben. Das muss jetzt endlich durchgesetzt werden.

(Beifall bei Abgeordneten der LINKEN)

Mein letzter Punkt. Wir warten schon seit mindestens zehn, elf Jahren auf die versprochene Finanztransaktionsteuer. Auch jetzt wäre es dringend notwendig, zu sagen: Wir wollen endlich, dass diejenigen, die von der Krise bisher profitiert haben, zur Kasse gebeten werden. Jetzt müsste die Finanztransaktionsteuer eingesetzt werden. Durch den mehrjährigen Finanzrahmen und durch den Wiederaufbaufonds hätte man ein Druckmittel, das endlich europäisch umzusetzen.

(Beifall bei der LINKEN)

Ich komme zum Schluss. Wir brauchen auch eine Digitalsteuer, damit endlich die Amazons, die Googles usw. zur Kasse gebeten werden; denn diese Krisengewinner sollten endlich auch Steuern zahlen und sich nicht vom Acker machen.

Vielen Dank.

(Beifall bei der LINKEN)